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Klima-Kleberin (27) entsetzt: "Es bricht mir das Herz"
Marina Hagen-Canaval aus Vorarlberg kämpft verbissen für den Klimaschutz. Daran, dass die Politik etwas bewegen will, glaubt sie aber nicht mehr.
Aktuell steht die Welt bei 1,2 Grad Erwärmung gegenüber vorindustrieller Zeit. Schon jetzt verschärft der Klimawandel Hitzewellen, Trockenheit und Waldbrände in Europa noch zusätzlich. Damit wir nicht immer öfter solch einem Inferno wie aktuell auf Rhodos gegenüber stehen, geht Marina Hagen-Canaval – sie tritt öffentlich als Mina Canaval auf – auf die Straße.
"Wir befinden uns in einer Notsituation und müssen sofort handeln. Das Zeitfenster, in dem wir das Schlimmste noch abwenden können, schließt sich rasant", warnt die 27-jährige Vorarlbergerin in der "Kronen Zeitung". Sie ist eine der lautesten Stimmen der Klimaaktivisten der "Letzten Generation" und der "Extinction Rebellion".
Ihr inbrünstiger Einsatz für den Klimaschutz hatte für Canaval auch schon berufliche Konsequenzen. Kürzlich verlor sie ihren Job als IT-Projektleiterin, weil ihr Chef mit der "Freizeitgestaltung" nicht mehr klargekommen war.
"Radikal bedeutet, ein Problem von Grund auf zu lösen"
Doch warum hat sich die junge Österreicherin für diese radikale Form der Proteste entschieden? "Ich habe verstanden, dass es nicht ausreicht, meinen individuellen Konsum anzupassen. Ich habe verstanden, was die Wissenschaftler seit 50 Jahren sagen", sagt sie. "Radikal bedeutet, ein Problem von Grund auf zu lösen. Alle anderen Formen des Protestes der vergangenen 50 Jahre wie Petitionen, symbolischer Aktionismus oder angemeldete Demos wurden ignoriert."
Mittlerweile sind aufgrund ihrer Klebe- und Störaktionen einige Verwaltungsverfahren gegen Canaval anhängig. Sie selbst zeigt sich schockiert von der Härte, mit der die Polizei manchmal einschreite: "Beamte haben mich an den Haaren gerissen, mir die Schulter gezerrt und mich vor dem Parlament auf dem Boden herumgeschleift, obwohl ich immer friedlich war."
Doch viel mehr als die wortwörtliche Staatsgewalt gräme sie die Reaktionen von wütenden und schimpfenden Passanten und Autofahrern: "Es schockiert mich, dass Menschen so reagieren gegenüber Aktivisten, die sich für das Überleben und die Zukunft aller einsetzen. Wir werden mit Hass und Gewalt überschüttet. Es bricht mir das Herz. Ich will gar nicht wissen, wie diese Menschen reagieren, wenn Wasser und Nahrung wirklich mal knapp werden."
Jeder kann Beitrag leisten
Dennoch wird sie nicht aufgeben: "Bei friedlichem zivilen Ungehorsam geht es nicht darum, beliebt zu werden. Wir wollen durch die Störung des fossilen Alltags politischen Druck erzeugen!" Die Hoffnung, dass die etablierten Parteien in der Lage sind, die Krise einzudämmen, hat Canaval längst aufgegeben. Zu groß sei der korrumpierende Einfluss der Öl- und Gaskonzerne.
Die 27-Jährige ist überzeugt, dass wirklich jeder Mensch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Die Ausrede der Skeptiker und Blockierer, wonach "Österreich nur für 0,2 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich" sei, lässt sie absolut nicht gelten: "Wenn das alle Staaten sagen, die unter einem Prozent Anteil haben, sind das in Summe 30 Prozent, die uns fehlen."
"Wir sind nur der Feueralarm"
Die beliebte Ausrede Nummer 2 "Aber was ist mit China und den USA?" kann sie auch schon nicht mehr hören: "Wir in Europa müssen mit gutem Beispiel vorangehen und aufhören, klimaschädliche Produkte zu importieren. CO2 muss besteuert werden und diplomatische Bemühungen müssen intensiviert werden. Aber das ist nicht meine Aufgabe, sondern die von Politikern. Wir sind nur der Feueralarm."
Und der wird noch weiter schrillen: "Es wird keinen ruhigen Tag mehr für Behörden und Politiker geben, bis sie nicht endlich ihren Job erledigen und unser Klima schützen. Ich will nicht, dass mich ein Kind in Zukunft einmal fragt: Ihr habt doch gewusst, was auf uns zukommt, warum hast Du nichts getan?"
"Aber China..."
Apropos China: Das Reich der Mitte, das tatsächlich auch noch Kohlekraftwerke baut, investiert intensiv in Erneuerbare Energie und ist mittlerweile weltweiter Vorreiter in diesem Bereich.
Bis 2025 wird jüngster Prognosen zufolge die reine Produktionsleistung von Solaranlagen (>20 MWh) verdoppelt werden. Bei Windkraft sieht es ähnlich aus, 600 Gigawattstunden (GWh) sollen es bis 2025 sein. Rund ein Fünftel der bisher geplanten bzw. in Bau befindlichen Windkraft-Kapazität weltweit wird dann in China zu finden sein.
In Summe dürfte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde in den nächsten zwei Jahren rund 1.200 Gigawattstunden grüner Energie aus Solar- und Windparks beziehen. China erreicht damit sein Ziel für 2030 schon fünf Jahre früher. Das zeigt eine Analyse der NGO "Global Energy Monitor".
Vor 2030 will die Volksrepublik den Zenit ihrer Treibhausgas-Emissionen erreicht haben, bis 2060 dann völlig CO2-neutral werden.