Österreich
Kiga-Chef bezahlte 100.000-€-Mercedes mit Fördergeld
Start für den Prozess gegen "Alt Wien"-Betreiber Richard W. Er soll 16 Millionen Euro an Fördergeldern abgezweigt haben – etwa für einen Mercedes.
Es ist ein wahrer Monster-Prozess, der am Mittwoch am Wiener Straflandesgericht gestartet ist: "Alt Wien"-Kindergartenbetreiber Richard W. (81) ist wegen schweren Betrugs, Untreue und betrügerischer Krida angeklagt. Der ehemaligen Mitarbeiterin Franziska S. (69) wird Untreue, seinen vier Kindern Geldwäsche vorgeworfen.
2016 wurden die schweren Vorwürfe bekannt, die Förderungen von der Stadt Wien gestoppt. Der Kindergarten-Verein mit 33 Standorten und über 2.000 betreuten Kindern musste daraufhin Insolvenz anmelden. Sieben Jahre lang ermittelte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA): Bei Hausdurchsuchungen wurden 41 Kartons mit Material sichergestellt, rund 200.000 E-Mails ausgewertet und jeder einzelne Beleg überprüft. Kein Wunder also, dass die Anklage 179 (!) Seiten umfasst.
„"Um den Tatbestand der Geldwäscherei zu erfüllen, hätten die Kinder wissen müssen, dass die Geldmittel aus einer Straftat stammen. Sie haben es aber nicht gewusst" - Rechtsanwalt Lukas Kollmann“
Laut Anklage sollen etwa Ausgaben für Autos oder ein Whirlpool um 22.800 Euro über Fördergelder der Stadt Wien finanziert worden sein: So leistete sich Richard W. im Jahr 2010 ein Mercedes E 500 Cabrio um knapp 100.000 Euro, seiner Frau kaufte er einen Mercedes E 200 CDI um 56.800 Euro. Auch die drei Töchter wurden mit Autos (Volvo, Peugeot) versorgt. Neben den Anschaffungskosten wurden zudem laufende Fahrzeugkosten (167.000 Euro), private Garagenmieten (knapp 40.000 Euro) und Verkehrsstrafen (16.400 Euro) über den Verein abgerechnet.
Trotz der erdrückenden, akribisch erbrachten Beweise bekannten sich Richard W. und seine Kinder vor Gericht nicht schuldig. Während sich Richard W. zu den Vorwürfen in vier Einvernahmen umfangreich geäußert hatte, verweigerten seine drei Töchter Anna (43), Marie-Theres (51) und Constanze (56) sowie sein Sohn Christoph (52) die Aussage. "Um den Tatbestand der Geldwäscherei zu erfüllen, hätten sie wissen müssen, dass die Geldmittel aus einer Straftat stammen. Sie haben es aber nicht gewusst", erklärte Rechtsanwalt Lukas Kollmann, der zwei Töchter und den Sohn vertritt.
Ex-Mitarbeiterin bekam für Beratungen 89.000 Euro
Zum Verhängnis könnte dem 81-Jährigen allerdings die ehemalige Angestellte Franziska S. und seine penible Buchhaltung werden: Die 69-Jährige zeigte sich umfassend geständig, entschuldigte sich und gab zu, ab 2014 fingierte Rechnungen in Höhe von rund 184.000 Euro ausgestellt zu haben. Von 2014 bis 2016 wurden der Niederösterreicherin zudem für "Beratungsleistungen" rund 89.000 Euro überwiesen: "Sie hat auch tatsächlich Leistungen erbracht, aber dafür ein sehr hohes Gehalt erhalten", bestätigte ihr Verteidiger.
Die Anklage umfasst im Grunde zwei schwere Vorwürfe: Zum Einen soll "Patriarch" Richard W. von der Stadt Wien Förderungen in der Höhe von 36,35 Millionen Euro bezogen haben, obwohl die Gemeinnützigkeit des Kindergarten-Vereins nicht gegeben war. Zum Anderen soll der 81-Jährige zwischen 2009 und 2016 rund 16,59 Millionen für private Zwecke verwendet haben: "Der Verein war auf Gewinnerzielung und Vermögensvermehrung aus. Richard W. hat sich ausgeklügelte Buchungstricks überlegt und Scheinrechnungen ausstellen lassen. Die jetzige Anklage ist nur die Spitze des Eisbergs", erklärte Oberstaatsanwältin Veronika Standfest.
Sieben Liegenschaften um 3,5 Millionen gekauft
Über die Konten des Kindergartenvereins, deren Vorstand mit mehreren Familienmitgliedern besetzt war, rechnete der Wiener so gut wie alles ab. Teilweise verbuchte er Belege mit dem 10-fachen oder 100-fachen des ausgewiesenen Rechnungsbetrages: So wurden etwa von 2010 bis 2012 sieben Liegenschaften in Wien für seine Kinder um insgesamt 3,5 Millionen Euro erworben, einige davon wurden später dann für "Alt Wien"-Standorte genutzt.
Knapp 6 Millionen Euro flossen zudem in private Bauprojekte, Instandhaltungen und Renovierungen. An den Reitklub seiner Tochter Constanze (56) in Pressbaum (NÖ) ging über eine Million Euro, 2,7 Millionen Euro an sein eigenes Papiergeschäft "Paper Bag" und weitere Beträge an das von Marie-Theres geleitete Kinderferiencamp Parkschlössl in Bad Aussee (Stmk.) und die Ballettschule seines Sohnes in Rudolfsheim-Fünfhaus.
„"Es kann kein Schaden in dieser Höhe entstanden sein" - Angeklagter Richard W.“
Eingang in die Buchhaltung fanden zudem Rechnungen für zahlreiche Urlaube (229.800 Euro): So wurden 15.712 Euro für einen Dubai-Trip, 14.167 Euro für einen Club-Med-Urlaub in St. Moritz (CH) und 9.679 Euro für einen Aufenthalt am Peloponnes bezahlt. Zahnarzt- und Energie-Rechnungen, Kirchenbeiträge, Miet- und Betriebskosten für Wohnungen bzw. Liegenschaften, Versicherungsprämien (78.900 Euro), Kleidung, Medikamente, Gartenmöbel oder das Schulgeld für die Enkel sind u.a. ebenfalls angeführt. Auch Bargeld in Höhe von 2,2 Millionen Euro wurde entnommen.
Der verwitwete Richard W., der derzeit mit einem Enkel in einer Gemeindewohnung lebt, gab zwar in den Einvernahmen einzelne Fehler bei der Buchhaltung zu, zeigte sich aber grundsätzlich uneinsichtig, was seine Schuld betrifft: "Es kann kein Schaden in dieser Höhe entstanden sein", meinte er. Auch in seiner schriftlichen Erklärung, die er bei Gericht vorlas, griff er die Stadt Wien an, die "billige Kindergarten-Plätze haben wollte" (2009 wurde der beitragsfreie Kindergarten und die Vollförderung von privaten Kindergarten-Plätzen eingeführt, Anm.) und das Aus der "Alt-Wien"-Kindergärten "schon lange geplant hätte".
Schwiegermutter soll Schuld gewesen sein
Zudem machte der 81-Jährige seine bereits verstorbene Schwiegermutter Johanna G., deren "Reichtum ein düsteres Geheimnis" gewesen sei, für den Kauf der Liegenschaften verantwortlich. Laut Richard W. hätte seine Schwiegermutter Dankbarkeit für geliehenes Geld und Geschenke an die Enkelkinder erwartet. Daher habe er die Liegenschaften damals für seine Kinder erworben. Auf die restlichen Vorwürfe ging Richard W. nicht ein. Der Prozess ist bis Ende Oktober anberaumt, Richard W. drohen bis zu zehn Jahre Haft.