FPÖ-ÖVP-Krise

Kenner packen über die blau-schwarzen Chaostage aus

Der Knall ist vorerst abgewendet, in der Krise stecken die Verhandlungen von FPÖ und ÖVP dennoch. Im ORF prallten zwei Partei-Granden aufeinander.
Newsdesk Heute
06.02.2025, 22:32

Die Koalitionsverhandlungen zwischen der FPÖ und der ÖVP drohten seit Wochenstart zu implodieren, nach Streits um Themen, Posten und Ministerien mussten sowohl ÖVP-Chef Christian Stocker als auch FPÖ-Chef Herbert Kickl Mittwoch und Donnerstag Bundespräsident Alexander Van der Bellen Bericht erstatten. Was besprochen wurde, wird zwar gehütet wie ein Staatsgeheimnis, kurz nach den beiden Treffen gaben allerdings beide Politiker bekannt, dass die Koalitionsverhandlungen "ehebaldigst fortgesetzt" werden sollen.

Doch wer soll nachgeben? Kickl gab bekanntlich öffentlich über Facebook den Wählern und der ÖVP zu verstehen, auf Innen- und Finanzministerium in blauer Hand zu beharren, die ÖVP wiederum will diese unter allen Umständen für sich. Das Gesicht könnten da beide Seiten verlieren, attestierte der Politologe Peter Filzmaier im ORF, Kickl müsste "im Kompromissfall ebenso öffentlich zurückrudern oder die ÖVP kann nur in einer Demutsgeste zustimmen". Der Politologe ortete zudem einen "gar nicht so klitzekleinen Machtrausch" bei der FPÖ.

Auch Neuwahlen würden nichts ändern

Die FPÖ hat als Wahlsieger zwar die besseren Verhandlungskarten in der Hand, aber: Sie braucht die ÖVP, um zu regieren. Selbst Neuwahlen würden da nicht viel helfen: "Bei der FPÖ mag man zwar bei Neuwahlen zulegen, aber man wird nicht zur Kanzlerpartei. Was man nach Neuwahlen sicher braucht, ist ein Koalitionspartner, der ÖVP heißt", so Filzmaier. Am späten Donnerstagabend diskutierten über die Situation in der ORF-"ZIB2" bei Moderatorin Margit Laufer Ex-FPÖ-General Peter Sichrovsky und Ex-ÖVP-Nationalratspräsident Andreas Khol.

"Ich glaube, die Inszenierung wird hauptsächlich von außen hineingetragen, so Sichrovsky zum Streit zwischen ÖVP und FPÖ, er gehe davon aus, dass es eine Zusammenarbeit gebe, "die zu einem Ergebnis führen wird". Ein größeres Problem als die FPÖ habe die ÖVP, so der Ex-FPÖ-General. Die FPÖ habe an Sicherheit gewonnen, "eine rechte Partei zu sein", im Vergleich zu 2000 habe sich aber die ÖVP sehr angelehnt an die FPÖ und hoffe, dass sich die Blauen politisch in die Mitte bewegen würden. Das werde aber nicht geschehen, so Sichrovsky.

"Die ÖVP will unter allen Umständen nicht dabei sein"

Für Kohl dagegen stünden zwei Themen im Mittelpunkt, nämlich dass es "gemeinsame Entschlüsse auf Europaebene" geben müsse und dass es bei Geheimdienste nicht eine FPÖ-Aushöhlung gebe. "Die ÖVP ist natürlich misstrauisch", so Khol, immerhin habe Kickl Sympathien für Ungarns Premier Viktor Orbán gezeigt. "Die ÖVP will unter allen Umständen nicht dabei sein, wenn Österreich sich wie eine Orbán-Demokratie entwickelt sozusagen", so Khol. Außerdem müsse es bei Geheimdiensten eine internationale Zusammenarbeit geben.

Kickl bestehe aber auf Innen- und Europa-Agenden, so Khol. "Entweder gibt es da eine einvernehmliche Lösung", so der Ex-ÖVP-Nationalratspräsident, Bundespräsident Van der Bellen werde da wohl eine gewichtige Rolle spielen. Oder? Es könne nur "so ausschauen, dass Kickl seine Machtpositionen revidiert und der ÖVP auf Augenhöhe begegnet", so Khol. Bisher sei die ÖVP "vor vollendete Tatsachen gestellt worden, das geht so nicht". Wolle man nicht zu einem einvernehmlichen Ergebnis kommen, würden die Verhandlungen zu nichts führen.

"Oder Kickl lässt das projekt scheitern"

Sichrovsky sah das ganz anders: Kickl habe mit einem rechten Programm eine Wahl gewonnen "und jetzt erwartet die konservative Partei, die als Zweiter die Wahl vollendet hat, dass der Wahlsieger, der also diese Verhandlungen führt, in wichtigen Fragen sich der ÖVP anpasst", so der Ex-FPÖ-Generalsekretär. "Da gibt es 100.000 Fragen, wo die FPÖ ein eigenes Programm hat", so Sichrovsky, jetzt müsse man schauen, inwiefern sich das mit den ÖVP-Inhalten überschneide.

Nicht gehe, dass man ständig aufstehe und sage, "wenn die anderen das machen, was wir verlangen, dann gibt es eine Zusammenarbeit, wenn sie es nicht machen, ist die Zusammenarbeit gefährdet", so Sichrovsky. "Im Augenblick geht es darum, wird Herr Kickl mit der ÖVP auf Augenhöhe verhandeln und die ÖVP als gleichberechtigt ansehen, oder vervollständigt er seinen Machtrausch und lässt das Projekt scheitern", warf Khol ein. "Ich glaube nicht, dass die Volkspartei ihre Europakompetenz aufgeben wird", auch die Geheimdienste werde sie nicht der ÖVP überlassen, so Khol.

Verspielt Kickl seine "einmalige Chance"?

Kickl habe eine "einmalige Chance", so Khol, er könne jetzt Bundeskanzler werden. Werde er das nicht, weil die Volkspartei sage, "wir lassen uns nicht unsere Würde nehmen, dann hat er seine Chance verspielt". Die Folge seien Neuwahlen, "dann werden die Karten völlig neu gemischt, dann gibt es neue Personen" und im Juni werde gewählt, so Khol. "Vollkommen offen" sei für den Ex-Nationalratspräsidenten, ob die Verhandlungen scheitern oder glücken werden.

"Die beiden Parteien haben kaum eine andere Chance, als zu einer Lösung zu kommen", so Sichrovsky. Für die ÖVP als auch die FPÖ wäre ein Scheitern "eine Katastrophe". Eine Katastrophe für die Blauen, wenn sie "die einmalige Chance, erstmals eine Regierung zu führen, sozusagen scheitern lassen". "Sie sind am besten Weg, die Chance zu vergeigen", stichelte Khol. "Ich bin relativ realistisch, dass daraus eine Regierung entsteht, sogar sehr bald", meinte dagegen Sichrovsky.

{title && {title} } red, {title && {title} } 06.02.2025, 22:32
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