Österreich
Jüdischer Grabstein auf willhaben angeboten
Einen "günstigen" Grabstein bot ein Steirer auf willhaben zum Verkauf an – den Stein will er von einem Totengräber erworben haben.
Eine Story, die sprachlos macht: Auf der Suche nach einem Kreuz für ein Kindergrab stieß Katharina B. (35) auf willhaben.at auf ein pietätloses Inserat: Ein Steirer bot dort einen "günstigen" und "gebrauchten" Grabstein zur Gartengestaltung an. Preis: 275 Euro.
"Aufgrund der hebräischen Inschrift realisierte ich sofort, dass es sich hier um einen jüdischen Grabstein handelt und ich fragte mich, wie kann es sein, dass dieser Mann einen jüdischen Grabstein besitzt?", so Katharina im "Heute"-Gespräch.
Die Politikwissenschafterin, eine Christin, trat mit dem Verkäufer aus Feldbach in Kontakt: "Er gab an, dass er den Stein vor Jahren von einem Totengräber "erworben" und im Holzschuppen gelagert hat."Das tat mir im Herzen weh. Ich wusste, ich muss den Grabstein holen und ihn zumindest auf einen jüdischen Friedhof bringen".
Die Wienerin vereinbarte mit dem Verkäufer einen Abholtermin,
fuhr gemeinsam mit ihrem Mann ins 150 Kilometer entfernte Feldbach: "Es war ein mulmiges Gefühl, denn ich wusste ja nicht, wer und was mich dort erwartet".
Stein des Toten im Kofferraum
Den schweren Grabstein wuchtet die Wienerin mit ihrem Mann in ihr Auto, bezahlt den Kaufpreis und macht sich auf den Weg zum Friedhof der Jüdischen Gemeinde in Graz, um ihn dort zu übergeben. "Wir wussten, wir haben das Richtige gemacht. Auf der Fahrt mit dem Stein des Toten im Auto haben wir lange geschwiegen."
Am Friedhof angekommen, übernahm Elie Rosen, Präsident der Jüdischen Gemeinde in Graz, den Stein, er wurde vorerst an der Mauer der Zeremonienhalle aufgestellt. "Alle waren sehr berührt, dass der Stein des Toten jetzt wieder auf einem jüdischen Friedhof stand", so Katharina.
Grabstein aus 1884
Nachforschungen haben inzwischen ergeben, dass der Grabstein für Lev Unger angefertigt wurde, der Stein auf 1884 datiert ist.
"Selbstverständlich wollen wir den Grabstein an jenen Friedhof zurückbringen, von dem er "verschwunden" ist. Aber die Nachforschungen gestalten sich als schwierig", so Präsident Rosen. Vermutungen, das er von einem Friedhof des Arbeitslagers Steinberg bei Feldbach aus dem Ersten Weltkrieg stammt, haben sich nicht bestätigt – die Recherche geht weiter.
Dem Wiener Ehepaar ist man unendlich dankbar: Für das hohe Maß an Pietät, die Selbstverständlichkeit, mit der es einen jüdischen Grabstein wieder zu einem würdigen und gebührenden Aufstellungsort verholfen hat, fürs Mensch sein.
"Ich hätte nicht damit leben können, zu wissen, dass jemand mit dem Stein des Toten eine Mauer baut. Das Ehepaar wollte weder den Kaufpreis für die Grabsteinrettung zurückerstattet noch gebührenden Dank – sondern berührt mit einem Wunsch: Mehr über jenen Menschen, dessen Grabstein in einem Holzschuppen lehnte, erfahren zu können …
Wer mögliche Hinweise über die Geschichte von Lev Unger geben kann, möge diese bitte per E-Mail an [email protected] senden!