Er dachte, er würde wegen seiner seltenen Blutkrankheit seinen 38. Geburtstag nicht mehr erleben. Doch Joseph Coates, ein 37-jähriger US-Amerikaner, der am POEMS-Syndrom leidet, überlebte dank einer neuartigen Behandlung, die von künstlicher Intelligenz entwickelt wurde. Wie die "New York Times" berichtet, haben sich Coates' Krankheitssymptome inzwischen deutlich abgeschwächt.
Es war ein Arzt, den er ein Jahr zuvor auf einem Gipfeltreffen zu seltenen Krankheiten kennengelernt hatte, der die Idee hatte, mithilfe von KI mehrere Medikamente zu kombinieren, um den jungen Mann zu behandeln. Dieser Cocktail aus Steroiden, Immuntherapie und Chemotherapie war zuvor noch nie zur Behandlung des POEMS-Syndrom eingesetzt worden.
Und tatsächlich: Es dauerte nur eine Woche, bis Joseph Coates auf die Behandlung ansprach. Vier Monate später profitierte er von einer Stammzelltransplantation, die sein Immunsystem neu startete und ihm ein Jahr später die Remission ermöglichte.
Das POEMS-Syndrom
Das POEMS-Syndrom ist eine seltene Erkrankung des Knochenmarks, bei der der Körper durch krankhafte Plasmazellen beeinträchtigt wird. Typische Merkmale sind Nervenschäden (Polyneuropathie, z. B. Kribbeln, Schmerzen in den Fingerspitzen und Zehen), vergrößerte Organe wie Leber, Milz oder Lymphknoten (Organomegalie), hormonelle Störungen (Endokrinopathie, z. B. Diabetes), Veränderungen der Plasmazellen im Knochenmark (Monoklonale Plasmazell-Erkrankung) sowie Hautveränderungen (engl. Skin changes).
Die Krankheit betrifft den gesamten Körper und äussert sich durch vielfältige Symptome. Die Behandlung orientiert sich am Schweregrad und ähnelt der Therapie anderer Plasmazell-Erkrankungen. Die Ursache des Syndroms ist noch unbekannt. Es handelt sich um eine sehr seltene Erkrankung (etwa 0,3 Fälle pro 100.000 Personen), die hauptsächlich Männer zwischen 50 und 60 Jahren betrifft.
Der Einsatz von KI für medizinische Zwecke ist nicht neu, spart aber Zeit und ermöglicht somit neue Behandlungen. Ein Beispiel für diesen Ansatz sind Kinder, die aufgrund einer seltenen genetischen Erkrankung an Lähmungen leiden und mit Amphetaminen behandelt werden, die eigentlich zur Behandlung von Alzheimer eingesetzt werden.
"Viele Medikamente erzeugen mehr als eine Reaktion", erklärt Matt Might, Professor an der University of Birmingham in Alabama, der an Projekten mit KI arbeitet. "Ihre zusätzlichen Funktionen werden manchmal als Nebenwirkungen bezeichnet. Wenn Sie sich genügend Medikamente ansehen, werden Sie irgendwann die Nebenwirkung finden, nach der Sie suchen." Man spricht auf Englisch auch vom sogenannten "Drug Repurposing", auf Deutsch von "Wirkstoff-Neupositionierung".
Es gibt jedoch einen Haken: Große Pharmaunternehmen nutzen KI lieber für die Entwicklung neuer Medikamente als für die Suche nach neuen Einsatzmöglichkeiten für alte Behandlungsmethoden – hauptsächlich darum, weil neue Medikamente viel mehr Geld einbringen.