Ukraine
Jagt Putin seine Kritiker in Europa mit Gift?
Russen und Russinnen sind während des Kriegs im europäischen Exil – und je nachdem, Ziele des Kremls und seiner tödlichen Substanzen.
Russen und Russinnen im Exil sind nicht sicher, das haben nicht nur russische Ex-Spione wie Alexander Litwinenko in Großbritannien erfahren. Auch russische Medienschaffende und Menschenrechtsaktivisten sind in Europa Ziele des Kremls und seiner Giftanschläge. Das haben der deutsche "Der Spiegel" und die russische Investigativseite "The Insider" recherchiert. Die ausfindig Gemachten haben überlebt, leiden aber bis heute an den Folgen.
Etwa die Journalistin Jelena Kostjutschenko (siehe Fotogalerie unten), die nach Reportagen über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine im April 2022 einen Anruf ihres Chefredakteurs erhalten hatte: "Sie werden hier getötet."
Zunächst ratlose Ärzte
In ihrem Berliner Exil sollte die junge Frau aber nicht sicher sein: Ihre Beschwerden begannen, als sie letzten Oktober auf dem Weg von München zurück nach Berlin war, wo sie beim ukrainischen Konsulat ein Visum für eine neue Ukrainereise beantragt hatte. Sie hatte Schmerzen, Schwindel, Übelkeit, Schwellungen im Gesicht, an Fingern und Zehen. Von einer Vergiftung ging Kostjutschenko zunächst nicht aus, doch die Ärzte blieben ratlos.
Erst Monate später wurden entsprechende Tests gemacht. Heraus kam eine akute Schädigung der Leber und der Nieren sowie neurologischen Störungen. Die befragten Experten vermuten eine Vergiftung mit chlororganischen Verbindungen wie Dichlorethan. Wahrscheinlich gelangte das Gift über die Nahrung in den Körper. Kostjutschenko ist sich bis heute nicht sicher, wann und wie das geschehen sein könnte. Bis heute kann sie keine vier Stunden pro Tag arbeiten. Ermittlungen der deutschen Polizei laufen, nachdem sie zwischenzeitlich eingestellt worden waren.
Offene Hoteltür und Parfüm-Geruch
Oder Natalija Arno, Präsidentin der Stiftung Freies Russland, die Aktivisten, Journalisten und prodemokratische Organisationen unterstützt. Sie hatte diesen Mai die offene Tür in ihrem Hotelzimmer in Prag bemerkt – und einen starken Parfüm-Geruch.
Kurz darauf ging es auch ihr miserabel: Sie hatte Schmerzen im gesamten Körper, einen mineralischen Geschmack im Mund, sah unscharf, Arme und Beine wurden taub. Anders als die Journalistin Kostjutschenko ließ sich Arno aber sofort auf Gift untersuchen. Die Ergebnisse der Analyse sind noch nicht bekannt – doch den Ärzten zufolge ist Arno tatsächlich mit einer neurotoxischen Substanz vergiftet worden.