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Ist Island die Spitze eines versunkenen Kontinents?

Island könnte laut Geologinnen und Geologen Teil eines versunkenen Mikrokontinents sein, der einst von Grönland bis an den Westrand Europas reichte.

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Der Kontinent Icelandia soll sich von Grönland bis nach Europa erstrecken - und Island nur die Spitze sein.
Der Kontinent Icelandia soll sich von Grönland bis nach Europa erstrecken - und Island nur die Spitze sein.
Albrecht Weißer / Westend61 / picturedesk.com

Die Erde sah nicht immer aus wie heute. Die Plattentektonik sorgt dafür, dass sich ihr Gesicht ständig verändert. Gänzlich anders soll unser Planet dort ausgesehen haben, wo sich heute Island befindet. Davon berichtet ein internationales Team von Geologen um Gillian Foulger von der Durham University in einem neuen Buch.

Demnach ist Island keine Insel, sondern die Spitze eines versunkenen Mikrokontinents, der sich von Grönland bis nach Europa erstrecken und eine Fläche von mindestens etwa 600.000 Quadratkilometern einnehmen könnte. Icelandia haben ihn die Expertinnen und Experten genannt. Wenn man die angrenzenden Gebiete westlich von Großbritannien in ein Greater Icelandia einbezieht, könnte das gesamte Gebiet sogar eine Million Quadratkilometer gross sein, teilt die Hochschule mit.

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    Island ist der zweitgrösste Inselstaat Europas und zieht mit seinen Wasserfällen …
    Island ist der zweitgrösste Inselstaat Europas und zieht mit seinen Wasserfällen …
    David Agüero Muñoz / Westend61 / picturedesk.com

    Mehrere Hinweise

    Als Hinweis für den versunkenen Kontinent, wertet das Team unter anderem die geringe Meerestiefe vor Island: Während der Nordatlantik in den meisten Bereichen mehr als 2.000 Meter tief ist, liegt der Meeresgrund im Gebiet von Icelandia nur in 500 bis 600 Meter Tiefe. Auch chemische Auffälligkeiten der Lavagesteine in diesem Gebiet gelten als Indizien für die Theorie der Geologen.

    Hinzu kommt, dass die Erdkruste unter Island und seiner Umgebung aus der Reihe fällt: "Die Kruste unter Island ist mehr als 40 Kilometer dick – fast siebenmal dicker als für eine ozeanische Kruste typisch", erklärt Foulger. Diese Erkenntnis habe ihrem Team zunächst Rätsel aufgegeben. "Als wir die Möglichkeit in Betracht zogen, dass diese dicke Kruste kontinental ist, ergaben unsere Daten plötzlich alle einen Sinn."

    Brauchen wir neue Karten?

    In einem nächsten Schritt planen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Theorie zu prüfen: "Es gibt noch viel Arbeit zu leisten, um die Existenz von Icelandia zu beweisen, aber es eröffnet auch eine völlig neue Sicht auf unser geologisches Verständnis der Welt", so Fougler. Etwas Ähnliches könnte sich an vielen weiteren Orten abspielen und dazu führen, dass die Karten der Ozeane und Meere neu gezeichnet werden müssen.

    Sobald es die Covid-19-Maßnahmen zulassen, wollen die Forschenden mit der Überprüfung beginnen. Dazu zählen etwa Messungen der elektrischen Leitfähigkeit sowie die Suche nach Zirkonkristallen aus den Tiefen der Kruste. Weil Bohrungen nicht tief genug hinabkommen, um die kontinentalen Krustenreste zu erreichen, hoffen die Geologinnen und Geologen, in Einschlüssen dieser Kristalle mineralische Spuren dieser Kruste zu finden.

    Sollte sich die Theorie bestätigen lassen, dürfte dies auch rechtliche und politische Auswirkungen haben, da das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen den Küstenstaaten unter bestimmten Bedingungen Exklusivrechte an den nicht lebenden Ressourcen des angrenzenden Meeresbodens gewährt.

    Icelandia wäre übrigens nicht der erste Mikrokontinent, den Forschende entdecken. So gibt es in Südeuropa etwa Greater Adria, bei Neuseeland Zealandia und auch unter Mauritius befindet sich ein versunkener Mikrokontinent.