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Deutsche schickten ihn – Asylwerber in Wien gestrandet

Der Syrer Raed Khalil wurde an der Grenze zu Deutschland dazu gedrängt, zurück nach Österreich zu gehen, obwohl er dort um Asyl ansuchen wollte.

Raed Khalil: 2.900 Kilometer ging der 36-Jährige zu Fuß, bis er in Passau von der Polizei nach Österreich zurückgebracht wurde.
Raed Khalil: 2.900 Kilometer ging der 36-Jährige zu Fuß, bis er in Passau von der Polizei nach Österreich zurückgebracht wurde.
Sabine Hertel

Ukraine-Krieg, Erdbeben, politische Verfolgung – diese infernale Mischung war der Grund, dass sich der 36-Jährige für eine Flucht aus dem krisengebeutelten Syrien entschied. Khalil machte sich aus der Hafenstadt Lattakia alleine auf den Weg nach Europa, und zwar auf der berüchtigten Balkanroute, die ihn zu Fuß über die Türkei, Griechenland, Ungarn, Österreich bis nach Passau führte.

Der fließend Englisch sprechende Syrer wollte eigentlich in die Niederlande, dort hätte ihm ein Freund eine Arbeitsstelle vermitteln können. In seiner Heimat fürchtet er politische Verfolgung, er sollte für Russland in den Ukraine-Krieg ziehen. Der Vater einer Tochter entschied sich aber für die Flucht nach Europa. Seine Familie sollte schnellstmöglich nachziehen. Das war der Plan. Doch daraus wurde nichts, seine abenteuerliche Reise endete plötzlich in der Dreiflüsse-Stadt. Die Passauer Polizei kontrollierte ihn und zwang ihn, zurück nach Österreich zu kehren.

Raed will seine Frau und seine drei Jahre alte Tochter nach Österreich bringen. Doch das geht derzeit nicht.
Raed will seine Frau und seine drei Jahre alte Tochter nach Österreich bringen. Doch das geht derzeit nicht.
Sabine Hertel

Festnahme in Deutschland, Odyssee in Österreich

Kurz nach der österreichischen Grenze wurde Khalil von deutschen Polizisten festgenommen und mit dem Auto zurück nach Salzburg gebracht. Unrechtmäßig, wenn es stimmt, dass er schlussendlich ein Deutschland um Asyl ansuchen wollte und somit ein illegaler "Pushback". Pushbacks bezeichnen staatliche Maßnahmen, bei denen flüchtende und migrierende Menschen – meist unmittelbar nach Grenzübertritt – zurückgeschoben werden, ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen oder deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen.

Von Salzburg ging es für ihn weiter nach Wels, bis er in einem Flüchtlingscamp im Bezirk Vöcklabruck unterkam. Seitdem wird er von einer dort ansässigen Familie unterstützt, die ihn bis heute mit Kleidung, Essen und Geld versorgt. Der 36-Jährige mit derzeitigem subsidiärem Schutz sucht nun dringend eine Arbeit, doch die hat er bis jetzt nicht gefunden.

Deutsche verletzten Dublin-Abkommen

Die Geflüchteten-NGOs "Pushback Alarm Austria", "Border Violence Monitoring Network" und der Bayerische Flüchtlingsrat üben heftige Kritik an den systematischen Pushbacks. Wie die deutsche "Abendzeitung" weiter berichtet, soll Khalil bei seiner Festnahme immer wieder um politischen Schutz in Deutschland gebeten haben. Das nahm die Polizei nicht zur Kenntnis.

Stattdessen wurde er für zwei Tage festgehalten und laut eigener Aussage dazu genötigt, ein Dokument auf Deutsch zu unterschreiben, das seine Einwilligung für eine Rückführung nach Österreich bezeugt. Zu dem Zeitpunkt konnte er noch kein Deutsch – nur Englisch und Arabisch.

Der 36-Jährige gibt an, hätte er nicht unterschrieben, würden ihm mehrere Monate Gefängnis drohen. Auch sei ihm untersagt worden, einen Anwalt hinzuziehen, eine Hilfsorganisation oder seine Familie zu kontaktieren.

Einfach erklärt - das ist ein Pushback:

14.675 Menschen wurde im Jahr 2022 die Einreise an der Grenze zu Österreich verweigert. Ein Pushback, also Zurückweisen ist dann illegal, sobald eine geflüchtete Person schriftlich, mündlich oder in anderer Weise den Willen äußert, Schutz vor politischer Verfolgung zu suchen, da sie dann beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) registriert werden muss. Im Anschluss daran wird das Dublin-Verfahren eingeleitet, das bestimmt, welcher EU-Mitgliedsstaat nun zuständig ist.

Bei der deutschen Bundespolizei zeigt man sich ratlos. Auf Rückfrage der "AZ" heißt es lediglich, dass die Grenzbeamten über umfangreiche Englischkenntnisse verfügten, Vordrucke in verschiedenen Sprachen zur Verfügung ständen und – wenn erforderlich – auch Dolmetscher hinzuziehen würden. Geflüchteten-NGOs zweifeln daran, sie fordern die Einrichtung eines unabhängigen Menschenrechtsmonitorings.

Die weiteren Pläne in Österreich

Und Khalil? Der befindet sich weiterhin in Österreich, er macht zurzeit einen Deutschkurs in Wien. Inzwischen hat er sich auch anwaltliche Hilfe des bekannten Linzer Juristen Dr. Helmut Blum geholt, der auf solche Asyl-Fälle spezialisiert ist. Im Gespräch mit "Heute" erklärt Blum die Situation genauer. Raed Khalil wurde im März subsidiärer Schutz für ein Jahr gewährt, sein Asylantrag indes abgewiesen  – völlig zu Unrecht, wie der Anwalt weiter ausführt. Denn in Syrien droht ihm wegen seiner Flucht die Gefangenschaft bzw. gar der Tod, er gilt in dem Land als Deserteur.

Daher bekämpft Khalil die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts seit März dieses Jahres zusammen mit seinem Anwalt. Er hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sein Asylantrag positiv beschieden wird, dann könnte, sofern er sich in einem geregelten Arbeitsverhältnis befindet, auch seine Familie zu ihm nachkommen. 

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