Die Mariahilferstraße ist längst nicht mehr nur eine Einkaufsstraße – sie steht beispielhaft für eine Entwicklung, die sich in mehreren Wiener Vierteln beobachten lässt. Steigende Verwahrlosung, wachsende soziale Probleme und eine Verlagerung von Brennpunkten in ehemals belebte Grätzl – das Phänomen betrifft längst nicht mehr nur den Praterstern oder den Franz-Jonas-Platz.
Einst als erfolgreiches Beispiel für moderne Stadtentwicklung gefeiert, ist die Mahü heute für viele Anrainer Symbol für eine Entwicklung, die sie nicht mehr akzeptieren wollen. "Vor fünf Jahren hat man sich hier noch wohlgefühlt, heute gehe ich nur noch ungern abends alleine nach Hause", berichtet eine Anwohnerin.
Geschäftsbetreiber klagen über sinkende Kundenzahlen, während immer mehr Geschäfte leer stehen. Besonders in der Barnabitengasse mehren sich die Beschwerden – hier, wo sich viele soziale Einrichtungen wie die Gruft befinden, häufen sich Berichte über Lärm, Vermüllung und eine steigende Zahl an Menschen, die den öffentlichen Raum als Schlafplatz nutzen.
Auch die Wiener ÖVP sieht die Mahü als eines von vielen Vierteln, in denen sich die Situation spürbar verschlechtert hat. "Die aktuelle Lage auf der Mariahilfer Straße ist sehr problematisch – Anrainerinnen und Anrainer sowie ansässige Geschäftsleute berichten von desaströsen Zuständen." ÖVP-Spitzenkandidat Karl Mahrer wirft der Stadtregierung vor, nicht rechtzeitig gehandelt zu haben. "Seit Jahren fordern wir Maßnahmen zur Verbesserung der Situation, doch die Wiener SPÖ scheint an einer Lösung nicht interessiert zu sein."
Die Volkspartei fordert ein Alkoholverbot nach dem Vorbild von Praterstern und Franz-Jonas-Platz sowie eine massive Erhöhung der Polizeipräsenz und Sozialarbeit. Mahrer betont, dass die Wiener Stadtregierung die Probleme jahrelang ignoriert hat, bis sie sich nicht mehr leugnen ließen. Die ÖVP warnt zudem davor, dass sich die Missstände nicht nur auf die Mahü beschränken. "Wenn die Stadt hier nicht eingreift, werden bald weitere zentrale Grätzl in Wien betroffen sein." Die Partei fordert eine rasche Umsetzung eines Sicherheitskonzepts, das neben verstärkter Polizeipräsenz auch gezielte Maßnahmen gegen Bettelei und Verwahrlosung beinhalten soll.
Während FPÖ und ÖVP von einer Sicherheitskrise sprechen, betonen die Grünen, dass sich die Mahü positiv verändert habe. "Das Leuchtturmprojekt Mariahilfer Straße hat das Leben der Menschen und die Verkehrssituation in den letzten zehn Jahren deutlich verbessert."
Die Grünen sehen in den aktuellen Problemen keine Sicherheitskrise, sondern eine soziale Herausforderung. "Die steigende sichtbare Obdachlosigkeit auf der Mariahilfer Straße ist ein Zeichen dafür, dass viele Menschen von der Rezession stark betroffen sind. Dazu kommen steigende Mieten – Wohnen wird für immer weniger Menschen leistbar."
Die Grünen fordern stattdessen mehr Straßensozialarbeit, bessere Betreuung von Obdachlosen und langfristige Lösungen durch Wohnprojekte. Pühringer betont: "Wien kann das schaffen, wir müssen es uns nur zutrauen."
Judith Pühringer, Spitzenkandidatin der Wiener Grünen, lehnt Alkoholverbote als Lösung ab. "Alkoholverbote sind in den allermeisten Fällen mehr Scheinpolitik als ernsthaftes Engagement, um die Herausforderungen im öffentlichen Raum in den Griff zu bekommen. Dadurch wird kein einziges Problem nachhaltig gelöst, sondern meistens nur an einen anderen Ort verschoben."
Für FPÖ-Spitzenkandidat Dominik Nepp ist die Mariahilferstraße ein Paradebeispiel für das, was in Wien schiefläuft. "Die Lage ist katastrophal, es gibt ein massives Geschäftesterben, teilweise ganze Häuserblöcke stehen leer. Zudem gibt es ein Kriminalitätsproblem und ein Problem mit Obdachlosen, die in der Öffentlichkeit Alkohol konsumieren."Nepp sieht die Schuld klar bei der Stadtregierung, die seiner Meinung nach die Situation nicht ernst nimmt. "Die rot-pinke Stadtregierung verharmlost die Probleme und schaut einfach weg, während immer mehr Menschen von aggressiver Bettelei und unsicheren Straßen betroffen sind."
Die FPÖ fordert deshalb ein komplettes Bettelverbot sowie ein Alkoholverbot für die gesamte Mariahilferstraße und Barnabitengasse. Zudem müsse die Stadt "die großzügigen Liegeflächen im Bereich der Fußgängerzone entfernen, die ausschließlich vom Problemklientel benutzt werden."
Besonders drastisch ist die Forderung nach einer Schließung sozialer Einrichtungen in der Umgebung. "Es braucht eine Absiedelung der zahlreichen Sozialeinrichtungen rund um die Mariahilfer Straße, wie zum Beispiel des Betreuungszentrums in der Esterházygasse." Nepp argumentiert, dass diese die Probleme nur verstärken, anstatt sie zu lösen.
Während sich die Politik streitet, spitzt sich die Lage auf der Mariahilferstraße weiter zu. Anrainer fühlen sich im Stich gelassen, Geschäftsleute bangen um ihre Existenz, und immer mehr Menschen meiden das einst so beliebte Einkaufsviertel. Viele haben bereits resigniert. "Wir rufen die Polizei, aber sie kann nichts tun. Wir beschweren uns bei der Stadt, aber wir werden ignoriert. Was sollen wir noch machen?", fragt ein entnervter Anrainer der Barnabitengasse.
Eines ist klar: Die Zukunft der Mahü wird eines der heißesten Wahlkampfthemen 2025 – aber bis dahin müssen sich die Bewohner weiter mit der Realität arrangieren.