Wien präsentiert sich aktuell stolz als "Europäische Demokratiehauptstadt". Doch wer genau hat der Stadt diesen Titel verliehen? Nicht etwa eine internationale Institution oder eine unabhängige Jury, sondern ein Verein namens "ECoD", der enge Verbindungen zur Stadtregierung haben soll. Die Wiener ÖVP wittert daher eine abgekartete Sache: Die Stadt verleihe sich selbst eine Auszeichnung, um sich dann öffentlich dafür feiern zu können.
Offiziell soll das Demokratiejahr die politische Beteiligung stärken und das Bewusstsein für demokratische Prozesse fördern. Doch Kritiker bezweifeln, dass es dabei um einen offenen Austausch geht. Vielmehr stehe eine linke Agenda im Vordergrund, während kritische Stimmen, insbesondere aus der Opposition, systematisch an den Rand gedrängt würden.
Während die Stadt Wien nach außen hin die Demokratie feiert, sieht die Realität laut ÖVP ganz anders aus. So werde das parlamentarische Anfragerecht der Opposition immer wieder untergraben. Anfragen an die Stadtregierung würden oft zu spät oder nur unzureichend beantwortet. Besonders Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) habe 2023 in mehr als zwei Dritteln der Fälle die Fristen nicht eingehalten. Auch Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) lasse sich regelmäßig zu viel Zeit.
"Wien verspielt offenkundig die Chance, den Titel als Demokratiehauptstadt wirklich im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu nutzen. Nämlich für mehr Mitbestimmung, Bürgerbeteiligung und verbesserte Rechte der Opposition", kritisiert ÖVP-Landesparteiobmann Karl Mahrer. Für ihn sei das Demokratiejahr eine "Inszenierung", während in der politischen Praxis demokratische Kontrollmechanismen bewusst geschwächt würden.
Die ÖVP wirft der Stadtregierung vor, mit dem "Demokratiejahr" keine Debatte zu ermöglichen, sondern eine bestimmte politische Richtung zu zementieren. Bei der Eröffnungsfeier sei wiederholt ein Ausländerwahlrecht gefordert worden, eine tiefere Diskussion dazu habe jedoch nicht stattgefunden. Zudem habe ein feministischer Chor gegen das Patriarchat gesungen – für die ÖVP ein Zeichen, dass politische Neutralität in diesem Projekt keine Rolle spiele.
Auch das Workshop-Programm sorgt für Kritik. Es gebe Veranstaltungen wie "Krise der Männlichkeit", in der analysiert werde, warum rechte Parteien besonders viele männliche Wähler anziehen. Ein weiterer Workshop beschäftige sich mit Anarchie als mögliches Zukunftsmodell für demokratische Gesellschaften. Besonders umstritten sei ein Vortrag von Attac mit dem Titel "Die Reichsten gefährden unsere Demokratie". Laut ÖVP sei das Demokratiejahr damit nichts anderes als ein politisches Projekt mit einer klaren linken Agenda.
Auch auf Bezirksebene sieht die ÖVP wenig Grund zum Feiern. Die Wiener Bezirke hätten kaum Entscheidungsfreiheit, weil ihnen mit nur 1,5 Prozent des Stadtbudgets kaum finanzielle Mittel zur Verfügung stünden. Noch schwerwiegender sei, dass Bezirksvorsteher selbst entscheiden dürften, welche Anträge behandelt werden – ohne Möglichkeit zur Beschwerde.
Die ÖVP kritisiert, dass hier bewusst Hürden geschaffen würden, um politische Mitbestimmung einzuschränken. Während die Stadtregierung also öffentlich Bürgerbeteiligung propagiere, schiebe sie in der Realität unbequemen Stimmen Steine in den Weg.
Besonders heftig kritisiert die ÖVP, dass die Stadt Wien trotz eines Urteils des Verfassungsgerichtshofs weiterhin Mindestsicherung an subsidiär Schutzberechtigte zahle. Die Stadt ignoriere damit nicht nur die Vorgaben der höchsten Richter, sondern auch wiederholte Rügen der Volksanwaltschaft.
"Wie wir von Anfang an vermutet haben, handelt es sich bei den Veranstaltungen um reine Selbstbeweihräucherung", sagt Patrick Gasselich, Verfassungssprecher der Wiener ÖVP. "Anstatt andere Meinungen und frischen Wind hereinzulassen, wird lediglich alles daran gesetzt, die eigene Linie zu bestätigen. Das ist das Gegenteil von Demokratie und einem offenen, ehrlichen Diskurs!"
Das Demokratiejahr kostet die Stadt Wien 1,24 Millionen Euro – ein hoher Preis für ein Projekt, das laut ÖVP wenig mit echter Mitbestimmung zu tun hat. Besonders problematisch sei, dass die Vergabe der Organisation an die stadteigene Urban Innovation GmbH erfolgte, wodurch viele Entscheidungen nicht transparent nachvollziehbar seien.
"Ein Teil der Wiener SPÖ driftet hier immer mehr nach links ab und die NEOS spielen den Steigbügelhalter – weg von den echten Sorgen der Wiener Bevölkerung!", kritisiert Karl Mahrer.
ÖVP-Verfassungssprecher Patrick Gasselich sieht das gesamte Demokratiejahr kritisch: "Anstatt andere Meinungen und frischen Wind hereinzulassen, wird lediglich alles daran gesetzt, die eigene Linie zu bestätigen. Das ist das Gegenteil von Demokratie und einem offenen, ehrlichen Diskurs!"