Wirtschaft

So wird aus Ukraine-Hendl ein EU-Produkt

Heute Redaktion
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Ein Kunde stöbert durch verpacktes Hühnerfleisch in einem Supermarkt. Symbolfoto
Ein Kunde stöbert durch verpacktes Hühnerfleisch in einem Supermarkt. Symbolfoto
Bild: /EPA/Guido Roeoesli

Ein ukrainischer Großkonzern umgeht mit einem Trick die Einfuhrbestimmungen der EU – und wird dafür belohnt. Die heimische Geflügelwirtschaft könnte daran zerbrechen.

Glückliche Hühner, am besten aus regionaler Bio-Landwirtschaft – das wünschen sich viele Hendl-Liebhaber am Teller. Doch das Geflügel, das vermeintlich von Bauern "aus der Europäischen Union" großgezogen wurde, stammt immer häufiger von ukrainischen Großbetrieben. Diese müssen sich nicht an unsere strengen Tierschutzrichtlinien halten, umgehen Einfuhrbestimmungen mit einem simplen Trick und bekommen dafür noch großzügige Kredite aus EU-Mitteln.

Treibende Kraft ist der Konzern Mironivsky Hliboproduct (MHP). Alleine 2015 wurden nach eigenen Angaben 566.600 Tonnen Geflügelfleisch produziert – Tendenz stark steigend. Im ukrainischen Handel stammt fast jedes zweite Hendl von MHP. Zum Vergleich: Alle österreichischen Betriebe zusammen schafften laut Agrarmarkt Austria (AMA) auch zwei Jahre später nicht einmal ein Fünftel (108.400 Tonnen, 2017) dieser Menge.

"Minderwertige Ware" zum vollen Preis

Die Exporte in die EU nehmen ebenfalls rasant zu. Das im Rahmen des Freihandelsabkommens geltende Einfuhrlimit von 20.000 Tonnen für Hühnerbrüste, dem teuersten Stück des Hendls, umgeht der Konzern mit einem simplen Trick. Anstatt sie komplett auszulösen, wird ein Knochen am Brustfleisch belassen, wodurch dieses als "minderwertige Ware" zählt – und darauf gibt es weder Zoll noch Einfuhrbeschränkungen.

Wie aus einem Bericht des "Kurier" hervorgeht, besitzt MHP aber mittlerweile auch innerhalb des EU-Binnenmarkts Betriebe – etwa in der Slowakei und den Niederlanden – die genau jenen letzten Knochen entfernen. Dadurch gelten die Hühnerbrüste dann plötzlich als EU-Produkt, das zollfrei und zum vollen Preis weiterverkauft werden kann.

Konzern eng mit Politik verbandelt

Kein Wunder also, dass der Import von Hühnerbrüsten aus der Ukraine von 3.700 Tonnen im Jahr 2016 auf 50.000 Tonnen im Jahr 2018 explosionsartig anwachsen konnte. Zahlen, die laut dem polnischen EU-Abgeordneten Jaroslaw Walesa dem Landwirtschaftsausschuss vorgelegt wurden. Walesa fordert das ukrainische Parlament auf, eine Lösung des Problems zu erarbeiten.

Ein düsteres Bild zeichnet der Grünen-Europaparlamentarier Thomas Waitz: im Falle von MHP sei die ukrainische Politik machtlos, da der Konzern mit seinem Firmensitz mittlerweile in der Steueroase Zypern registriert ist. Zudem gehört der Geflügel-Gigant dem Milliardär Yuriy Kosjuk, der nicht nur ein gutes persönliches Verhältnis zu Präsident Petro Poroschenko unterhält, sondern auch schon als dessen offizieller Berater in Regierungsfragen tätig war.

EU will "legalisieren, was illegal ist"

Und was tut die EU gegen diese massive Ausnutzung eines Schlupflochs im erst 2016 ausgehandelten Abkommen? "Die Europäische Gemeinschaft schlägt vor, eine Situation zu legalisieren, die illegal ist", klagt Beobachter Waitz. Denn: anstatt die Lücke zu schließen, soll das Limit einfach auf die bisher importierten 50.000 Tonnen angehoben werden.

Besonders ärgert den Grünen laut "Kurier"-Bericht, dass sowohl EU-Investitionsbank EIB als auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EBRD großzügig Kredite an MHP vergeben würden. Die ukrainische Landwirtschaft würde von solchen Förderungen an einen Großkonzern überhaupt nicht profitieren, so der Abgeordnete, der auch katastrophale Folgen für die Bauern innerhalb der EU sieht: "Wir investieren Milliarden in unsere Landwirtschaft – und dann geben wir einem ins Unglaubliche gewachsenen Monopolisten, Milliarden, um diese kaputtzumachen", wird Waitz zitiert.

Gefahr für heimische Geflügelwirtschaft

Auch Michael Wurzer, Geschäftsführer der Zentralen Arbeitsgemeinschaft heimischer Geflügelzüchter (ZAG), klagt, dass man unter diesen Bedingungen Konzernen wie MHP nicht lange standhalten könne: "Wir haben in Österreich die strengsten Tierschutz-Bedingungen Europas – und kämpfen mit einer Konkurrenz, die sich an all das nicht halten muss." (rcp)