Österreich
"Hochwasser könnte den Ausgang der Wahlen kippen"
Mitten in der Hochwasserkatastrophe stehen Nationalratswahlen in Österreich an. Die Krisensituation könnte das Wahlergebnis entscheidend verändern.
In Österreich hält man angesichts des Hochwassers seit mehreren Tagen den Atem an. Gefordert hat der Dauerregen sechs Todesfälle, Dutzende Evakuierungen und Sachschäden in Milliarden Höhe.
FPÖ bisheriger Favorit
Die Hochwasserkatastrophe rückt die Tatsache in den Schatten, dass Österreich mitten im Wahlkampf steckt. Am 29. September, finden die Nationalratswahlen statt. Bisher galt die FPÖ als Favorit. Laut einer "Heute"-Umfrage vom 11. September, also noch vor dem Hochwasser, lag die Partei mit 28 Prozent auf Platz eins, gefolgt von der ÖVP.
Die Ereignisse haben den Politkampf beeinflusst. TV-Duelle und Wahlkampfveranstaltungen wurden abgesagt oder verschoben, um stattdessen Sondersendungen zur Hochwasserkrise zu schalten. "Der Wahlkampf hat jetzt Pause! All unsere Energie und Aufmerksamkeit gehören dem Katastrophenmanagement und der Hilfe für die Betroffenen der Unwetter!", schrieb Bundeskanzler Karl Nehammer am Sonntag auf X.
"Politiker versuchen sich, als nahbar darzustellen"
Politiker und Politikerinnen verschiedener Parteien schmissen sich also in ihre Gummistiefel und präsentierten sich als Helfer vor Ort. Der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler, filmte sich bei Sturm und Regen in Feuerwehrmontur.
FPÖ-Chef Herbert Kickl bedankte sich bei den Einsatzkräften und postete ein entsprechendes Video aus dem Wald in Regenjacke. Wie sich dies auf die Wählerschaft auswirkt, weiß Politikwissenschaftlerin Julia Partheymüller von der Universität Wien. "Alle öffentlichen Auftritte werden in diesem Kontext politisch wahrgenommen – alle versuchen, sich als tatkräftig und nahbar darzustellen." Das sei verständlich, da die Kandidatensympathie eine wichtige kurzfristige Einflussgröße auf das Wahlverhalten darstelle.
"Politiker können für gutes Krisenmanagement belohnt werden: Wird es als effektiv wahrgenommen, führt das oft zu mehr Vertrauen und Zustimmung", erklärt Partheymüller. Allerdings könne der Versuch, politisches Kapital aus der Krise zu schlagen, schnell als unangemessen empfunden werden. Ein verfehltes Krisenmanagement kann zudem leicht zu Vertrauensverlust und Kritik führen.
So reagiert der Kanzler
Österreich stellt laut Kanzler Nehammer 300 Millionen Euro zur Bewältigung der Hochwasserschäden bereit, mit der Möglichkeit, die Mittel aus dem Katastrophenfonds bei Bedarf aufzustocken. Auch Privatpersonen, die durch die Naturkatastrophe Schäden erlitten haben, können finanzielle Unterstützung beantragen. Das genaue Ausmaß der Schäden ist noch nicht bekannt.
"Werde aus Protest die FPÖ wählen"
Gesprächen mit Betroffenen in St. Pölten zeigen, dass die Ereignisse die Wahlabsichten einiger beeinflussen. "Die Regierung hat zu spät gehandelt", sagt Susanne (63). Die Österreicherin habe das Vertrauen in die Regierung schon länger verloren. "Die Katastrophe der letzten Tage hat dies aber noch weiter verschärft." Aus Protest wolle sie die FPÖ wählen.
Anders sieht dies Luan (49): Die Regierung habe richtig gehandelt. Er plant weiterhin die ÖVP zu wählen: "Wenn die Regierung uns aber nach dem Ende der Krise nicht genug unter die Arme greift, kann sich meine Meinung schnell ändern." Auch auf Social Media trendet das Thema Hochwasser und Wahlen. Viele User machen sich lustig über die Plakate, Programme und Politiker.
"Klimaschutz könnte stärker in den Vordergrund rücken"
"Immer mehr Menschen bringen Extremwetterereignisse mit dem Klimawandel in Verbindung. Parteien, wie die Grünen und die SPÖ, könnten davon profitieren, während Parteien, wie die FPÖ, die das Thema vernachlässigen, an Zustimmung verlieren könnten", so Partheymüller. Dennoch betont sie, dass auch Themen wie zum Beispiel die Migration weiterhin eine große Rolle spielen werden, "der Einfluss begrenzt sich vor allem auf die eher kleine Gruppe der unentschlossenen Wähler."
Was bedeutet das also abschließend? "Viele Menschen legen bereits vor dem Wahlkampf fest, für wen sie ihre Stimme in die Urne werfen." Dieses Mal könnte es jedoch besonders knapp werden, erklärt sie. "In einer solchen Situation könnte das Hochwasser also tatsächlich das Zünglein an der Waage sein."
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- In Österreich wurde durch die Hochwasserkatastrophe ein Ausnahmezustand ausgelöst, der auch die Nationalratswahlen am 29
- September beeinflussen könnte
- Politiker nutzen laut Politikwissenschaftlerin Julia Partheymüller die Krise, um sich als tatkräftige Helfer zu präsentieren
- Themen wie Klimaschutz könnten durch das Hochwasser stärker in den Vordergrund rücken und die Wahlabsichten insbesondere bei unentschlossenen Wählern beeinflussen