Vom Ukrainekrieg profitiert

"Herz des Regimes": Ex-Gefangener über Putins Spione

Evan Gershkovich und sein Team stoßen bei ihrer Recherche auf eine russische Spionage-Abteilung, die stark vom Ukrainekrieg profitiert hat.

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"Herz des Regimes": Ex-Gefangener über Putins Spione
Evan Gershkovich wurde im August durch einen Gefangenenaustausch freigelassen.
IMAGO/MediaPunch

"Das Herzstück des undurchsichtigen Kriegsregimes des russischen Präsidenten Wladimir Putin", schreibt der US-Journalist Evan Gershkovich. Es ist sein erster veröffentlichter Artikel seit seiner Freilassung aus einem russischen Gefängnis beim Gefangenenaustausch im August.

Das erwähnte "Herzstück" sei die Antwort auf die Frage, die er und seine Kollegen beim "Wall Street Journal" (WSJ) sich während seiner Gefangenschaft gestellt haben: Wer verhaftet in Russland US-Amerikaner? Gemeint damit ist die Abteilung für Spionageabwehr, DKRO.

Auftrag: Gefangenenaustausch

In ihrer Recherche stießen Gershkovich und sein Team auf die relativ kleine Abteilung im Federal Security Service (FSB), die in den letzten Jahren, gerade während des Ukrainekrieges, stark an Bedeutung und Macht gewonnen hat. Trotzdem wird die DKRO fast nirgends erwähnt. Fast niemand außerhalb eines engen Kreises von Russlandexperten und Geheimdienstmitarbeitenden hätte davon gehört, so Gershkovich.

Nach Angaben US-amerikanischer und europäischer Beamter zählt die Abteilung nur rund 2000 Mitarbeiter. Es sei demnach die "elitärste Sicherheitsbehörde des Kremls". Sie ist dafür gedacht, Ausländer und Russen, die mit Ausländern kollaborieren sollen, zu überwachen, einzuschüchtern oder zu verhaften.

Nach den Erkenntnissen der Recherche des WSJ wurde die Abteilung beauftragt, die Freilassung von Wadim Krasikow aus Deutschland sicherzustellen. Der Auftragskiller wurde 2019 für die Ermordung eines Putin-Gegners in einem Berliner Park verurteilt. Daraufhin verstärkte die DKRO eine Kampagne zur Verhaftung US-amerikanischer Bürger auf russischem Boden. Dazu gehörten die Basketballerin Brittney Griner sowie der Ex-Marine Paul Whelan und Gershkovich selbst. Sie dienten, so Gershkovich, als Köder, um über Krasikow verhandeln zu können.

Früher Wirtschaftsverbrecher, heute Verräter

Eigentlich war der FSB verantwortlich für die Planung der Invasion der Ukraine, schreibt Gershkovich. Doch nach deren Versagen zu Beginn, gewann der FSB laut westlichen Beobachtern einen Machtkampf und konnte die Schuld anderen zuschieben. Nach Angaben westlicher Sicherheitsbeamter führte daraufhin die DKRO zusammen mit dem militärischen Geheimdienst des FSB eine Säuberungsaktion im Verteidigungsministerium durch. Dutzende von Verteidigungsbeamten wurden der Korruption beschuldigt.

Der Machtkampf hatte noch weitere, langfristige Auswirkungen auf Putins System. Vor dem Ukrainekrieg sei es für FSB-Beamte üblich gewesen, ihre Karriere auf dem Kampf gegen Wirtschaftsverbrechen aufzubauen. "Die Beamten konnten Verträge oder Geschäftsabschlüsse erpressen, indem sie eine falsche Untersuchung einleiteten", erklärt Gershkovich. Vor dem Krieg soll der FSB jeden sechsten russischen Geschäftsmann überprüft haben.

"Putins Invasion gab der DKRO eine völlig neue Daseinsberechtigung … die Verfolgung von Spionen im eigenen Land und ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem US-Geheimdienst in der Ukraine", so Boris Volodarsky, ein ehemaliger russischer Offizier des Militärgeheimdienstes, der jetzt Fellow an der Royal Historical Society in London ist. Heute seien Spionage- und Verratsfälle die wertvollste Währung für ehrgeizige FSB-Offiziere. Die DKRO hat es geschafft, "die Spionageabwehr zum herausragenden Zweig des FSB zu machen", sagte Andrej Soldatow, der im Exil lebende Gründer der investigativen Website Agentura.ru, "und sie ist für den Schutz des politischen Regimes unerlässlich".

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    Saudi Press Agency/Handout via REUTERS

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    Auf den Punkt gebracht

    • Evan Gershkovich und sein Team vom "Wall Street Journal" haben eine russische Spionage-Abteilung namens DKRO aufgedeckt, die während des Ukrainekriegs erheblich an Bedeutung gewonnen hat.
    • Diese Abteilung, die für die Überwachung und Verhaftung von Ausländern und kollaborierenden Russen zuständig ist, spielt eine zentrale Rolle im Machtgefüge des Kremls und hat durch gezielte Gefangenenaustausche, wie im Fall von Gershkovich selbst, ihre Macht weiter ausgebaut.
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