Wintersport

"Haben uns niedergeprügelt!" Knauß lüftet ÖSV-Geheimnis

Im ÖSV fliegen 25 Tage vor der Ski-WM die Fetzen. ORF-Experte Hans Knauß erklärt im "Heute"-Interview die ÖSV-Krise und lüftet ein Geheimnis.

Martin Huber
ÖSV-Legende Hans Knauß: "Mit Hermann Maier möchte ich heute nicht tauschen."
ÖSV-Legende Hans Knauß: "Mit Hermann Maier möchte ich heute nicht tauschen."
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„Heute“: Herr Knauß, was läuft schief in Ski-Österreich?

Hans Knauß: "Du kannst jetzt Trainer auswechseln, was du willst. Es wird nichts bringen. Für mich ist die Geschichte dieser Krise 15 Jahre alt. Es fehlt der Aufbau von unten. Das Niveau mit dem wir den Nachwuchs an die Spitze heranführen, ist nicht mit den steigenden Anforderungen vorne im Weltcup gestiegen. Im ÖSV hat man viel zu viel vorne auf das Top-Team geschaut."

Was hat darunter gelitten?

"Den Landesverbänden und der Masse hinten nach hat man die Luft abgeschnürt. Wir müssen die Strukturen dringend ändern. Ich habe kein Patentrezept. Ich habe nur bei meiner Tochter gesehen, dass es so wie wir es gemacht haben, nicht mehr funktionieren wird. Da kriegen wir jetzt schon die erste Rechnung präsentiert. Und fehlt hinten der Nachwuchs, dann fehlt vorne der Druck. Diese brutale Konkurrenz im eigenen Team hat mich schnell gemacht und auf einen anderen Level gehoben. Sonst wäre ich vielleicht auch der zu kommode Typ gewesen. Zu meiner Zeit hat es kein Mitfahren gegeben, du hast top sein müssen, sonst hattest du einfach keinen Startplatz."

"Der ÖSV ist zu aufgeblasen"

Was läuft heute falsch?

"Der ÖSV ist zu aufgeblasen. Es gibt zu viele verschiedene Gruppen, jeder hat Einzeltrainer. Das Beste bei uns war: Alle Stars in einem Lauf, die Uhr tickt. Da haben wir uns gegenseitig so was von niedergeprügelt. Der Trainer stand auf der Seite, hat dir die Zeiten gesagt und du hast gewusst: Traumlauf war das keiner, weil der Maier und Eberharter waren eine Sekunde schneller. Das hat mich nach vorne gebracht, nicht irgendein Individualtrainer. Die Stärke des ÖSV war, dass man sich gegenseitig nach oben treibt. Genau diese Stärke haben wir uns genommen und auseinander dividiert. Darum reißen wir weniger."

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    Was machen andere besser?

    "Die Norweger haben das unglaubliches Talent, dass sie es schaffen, von fünf Super-Talenten drei zu Stars zu machen. Das gelingt uns nicht. Bei uns bleiben zu viele am Weg nach oben stecken. Das muss sich ändern."

    "Ortlieb hat mit allem, was er gesagt hat, völlig Recht"

    ÖSV-Finanzchef Ortlieb teilte zuletzt aus: Er klagte über eine zu große Komfortzone im ÖSV. Richtig?

    "Er hat mit allem, was er gesagt hat, völlig Recht. Ich bin froh, dass jemand aus den eigenen Reihen im ÖSV das so klar anspricht. Patrick Ortlieb war als Aktiver schon ein brutaler Umsetzer. Wenn es darauf ankam, hat sich der runter gehaut. Ich bin froh, dass er das so sieht. Seitdem bin ich beruhigt und denke mir, die werden etwas ändern. Ortlieb kennt alle Strukturen und weiß genau, wie es rennt."

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      Wenig Weiß, ganz viel Grün: So sah es bei den Ski-Weltcuprennen zuletzt aus. Wie erleben Sie das als ORF-Experte?

      "Mir geht es nicht gut. Ich gebe es offen zu und sage das auch. Ich habe es in meiner Karriere öfters erlebt auf weißen Schneebändern ins Tal runter zu rasen, aber dieser Winter ist ganz hart. Bild ist das kein gutes, das wir abgeben. Kein Athlet ignoriert das."

      "Ich habe Angst um den Skisport. Wir werden uns ändern müssen."

      Haben Sie Angst um den Skisport?    

      "Ja. Ich höre mir alles an, was Experten über die Zukunft sagen. Die Richtung ist klar: Den Skisport wird es in höhere Gebiete drängen. Wir werden uns ändern müssen - so wie die ganze Gesellschaft."

      Die Ski-WM rückt näher. Was hilft jetzt?

      "Jetzt sind wir Jäger. Und Jäger sein ist leichter wie gejagt zu werden. Das muss unser Motto für die Ski-WM sein. Vor allem bei den Damen. Die haben nichts mehr zu verlieren, nur voller Angriff zählt. Sie sollen zeigen, dass sie besser sind als sie zuletzt zeigten."

      Und bei den Herren?

      "Können Kriechmayr und Hemetsberger jederzeit gewinnen, obwohl Odermatt und Kilde bis jetzt drüber zu stellen sind. Im Technik-Team haben wir pfeilschnelle Burschen. Bitte nicht vergessen auf Johannes Strolz, der richtig schnell ist. Er muss jetzt die Bestätigung liefern, dass die letzte Saison keine Eintagsfliege war. Eine Top-Saison zu bestätigen ist das Schwierigste im Kopf. Genau in dieser Phase ist er jetzt. Und das noch dazu im Slalom, den ich bis heute psychologisch nicht kapiere.“

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        Sie haben den Abgang von Matthias Mayer als ORF-Experte direkt auf der Piste miterlebt. Wie denken Sie darüber mit etwas Abstand?

        "Mir war schnell klar, dass das kein Schmäh ist im Zielraum. Er war so früh oben bei der Besichtigung. Ich habe zu meinen Kollegen Puchner und Büchel im Schmäh gesagt: ,Schauts der Mothl schaut schon 20 Minuten runter ins Tal, was hat der heute vor?' Er hat aber oft schon fast meditiert bei der Besichtigung. Aber im Nachhinein ist mir klar, warum er da oben so lange gestanden ist. Ich glaube, dass er ernsthaft über alles noch einmal nachgedacht hat. Und dann ist er cool runtergerutscht, sagt im Zielraum Servus. Genauso habe ich mir sein Austreten aus dem Weltcup vorgestellt. Eine eingeschobene Pressekonferenz im Rummel von Kitzbühel hätte nicht zu ihm gepasst."

        Die Norweger Braathen und McGrath herzten sich nach dem Slalom-Doppelsieg in Adelboden. Das sieht man bei Österreichern eher seltener. Täuscht das?

        "Ich denke, das Teamgefüge ist gut bei uns. Wir sind das größte Team. Nicht jeder muss mit jedem am Abend auf ein Bier gehen. Das war bei uns nicht anders. Als Cheftrainer wäre mir das auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass du respektvoll mit deinen Kollegen umgehst. Das war bei uns so. Wir haben die Leistung des anderen respektiert. Mehr braucht es nicht. Klar ist auch: Es ist in kleinen Teams viel einfacher, dass ich auch noch Freund bin."

        Hans Knauß gewann als Aktiver sieben Weltcuprennen. Bei Weltmeisterschaften holte er Silber im Riesenslalom (St. Moritz 2003) und Bronze im Super-G (Vail 1999). Bei Olympia 1998 wurde er hinter Hermann Maier im Super-G Zweiter. Knauß arbeitet heute als ORF-Skiexperte und ist Werbefigur für Zgonc und Gösser. 
        Hans Knauß gewann als Aktiver sieben Weltcuprennen. Bei Weltmeisterschaften holte er Silber im Riesenslalom (St. Moritz 2003) und Bronze im Super-G (Vail 1999). Bei Olympia 1998 wurde er hinter Hermann Maier im Super-G Zweiter. Knauß arbeitet heute als ORF-Skiexperte und ist Werbefigur für Zgonc und Gösser. 
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        Julian Schütter ist der einzige Vegetarier im ÖSV-Team. Hat es in Ihrer Zeit auch Typen gegeben, die anders waren?

        "Da gab es keinen Abfahrer, der kein Fleisch aß. Der Julian kommt ja aus meiner Heimat, darum kenne ich ihn gut. Er fährt mit dem Zug zum Training. Er ist wirklich ein völlig anderer Typ wie es wir alle waren. Mir taugen andere Typen. Ich bin froh, wenn solche daher kommen. Julian ist Vegetarier. Der Schweizer Urs Kryenbühl ist sogar Veganer. Das ist mir ein Rätsel, im Ski-Zirkus mit all dem Reisen sich dann noch gesund ernähren zu können. Für mich gehört da Fleisch dazu. Julian liegt aber im Trend von vielen jungen Leuten, die gerade anderes beweisen wollen. Es ist gut, dass sich Junge Gedanken machen, wie es weitergeht. Da bin ich eher rustikal gestrickt. Aber ich verschließe mich der neuen Generationen nicht. Nur die Klebeidioten habe ich satt. Die brauche ich nicht. Das Schöne an der jungen Generation ist aber, dass sie sich Gedanken machen. Früher war das anders, da haben sich Junge nichts geschissen. Ich war so einer."

        Und Hermann Maier?

        "Der Hermann war eine eigene Nummer. Es gab in unserer Zeit wahnsinnig viele gute Skifahrer. Hermann Maier war einer davon. Was ihn wirklich ausgezeichnet hat, war aber seine Willensstärke. Ich habe mir damals oft gedacht, egal ob der Skifahrer oder Motorsportler oder Synchronschwimmer wird, der will und wird gewinnen. Es ist seine Willensstärke, die Berge versetzt hat. Das Skifahren hat mich gar nicht so fasziniert, sondern dieser unbändige Wille. Er hat 24 Stunden am Tag nur gedacht, wie kann ich an den Burschen vorbei. Das hat er geschafft."

        Wie lebt es sich mit diesen Charakterzügen in der Ski-Pension?

        "Da würde ich jetzt nicht tauschen wollen mit ihm." (lacht)

        Marcel Hirscher hat nach seiner Karriere über den enormen Leistungsdruck geklagt. Verstehen Sie, dass er sich heute frei fühlt?

        "Und wie. Den enormen Druck merkst du erst, wenn du aufgehört hast. Ich habe Skifahren immer mit Leidenschaft und Spaß betrieben. Trotzdem habe ich mir zu viel Druck gemacht. Es ist ein unheimlich befreites Leben ohne diesen Druck. Ich darf das aktuellen Läufern gar nicht sagen. Ich rede bewusst darüber nicht. Ich bin keinem Seriensieger einen Sieg neidisch, weil ich weiß, was es dazu braucht. Und es gibt viele bessere Skiläufer, die mehr gewonnen haben als ich. Seriensieger sind eigene Vögel. Das Leben danach ist für jeden schwierig. Schwieriger ist es aber, wenn du mehr gewinnst. Wo holst du dir deine Bestätigung her? Hirscher hat eine Skifirma gegründet – und sehr schnell Erfolg damit. Ich finde es cool."

        Sie scheinen immer gut drauf zu sein. Wann sind Sie grantig? 

        „Es gibt solche Momente, aber da bleibe ich dann daheim. Heißt: Schwer hat es meine Frau mit mir. (lacht) Ich kann schon auch ein aufbrausender Mensch sein, wenn mich etwas ärgert. Was ich gelernt habe: Wichtig ist, dass man immer wieder entspannt. Da dürfte ich mein ganz Leben lang einen guten Zugang gefunden haben. Ich kann mich extrem gut entspannen." 

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          Marcel Hirscher ist der Gesamtweltcup-Rekordsieger. Acht Mal in Folge gewann der Annaberger die große Kristallkugel - öfter als jeder andere. Hier ein Streifzug durch die Karriere des Ski-Superstars.
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          (Bild: GEPA-pictures.com)
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