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Gasleck – So zieht die Methanwolke über Europa
Durch die Lecks in den Ostseepipelines sind Hunderttausende Tonnen Methan in die Atmosphäre gelangt. Nun zieht die schädliche Wolke über Europa.
Seit der Nacht zum Montag sprudelt aus insgesamt vier Lecks an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 ununterbrochen Gas an die Wasseroberfläche. Am Freitag zeigte eine Auswertung der Forschungsgruppe Integrated Carbon Observation System (kurz ICOS) einen starken Anstieg der Methanwerte in der Atmosphäre. An verschiedenen Messstationen in Schweden, Norwegen und Finnland habe man nach den Beschädigungen der Pipelines erhöhte Methanwerte beobachten können.
"Wir gehen davon aus, dass der Wind das Methan zunächst Richtung Norden bis zum finnischen Archipel getragen hat und dann Richtung Schweden und Norwegen abgebogen ist", sagt Stephen Platt vom Norwegian Institute for Air Research (NILU). Laut der Daten teilt sich die Wolke über Europa in zwei Teile. Einer davon wird bis zum Ende des Tages nach Angaben von "Corriere della Sera" über Italien eintreffen.
Die Wolke in der Atmosphäre sei dann jedoch so stark verdünnt, dass weder eine Gefahr für die Umwelt noch für die Gesundheit der Menschen bestehe, versichert Bernardo Gozzini, Direktor des Konsortiums Lamma-Cnr.
Starken Sprengsätze vermutet
Wie viel Gas aus den Lecks derzeit austritt, ist ein großes Rätsel. Viele Experten bemühen sich, das auszurechnen. Klimaforscher Lauri Myllvirta befürchtet, dass zwischen 180.000 und 270.000 Tonnen Erdgas durch die Lecks entweichen werden. Das deutsche Umweltbundesamt (UBA) schätzte die reinen Methanemissionen auf 300.000 Tonnen, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nannte 350.000 Tonnen.
Worüber sich doch die meisten Forschenden einig sind, ist, dass es sich bei den Explosionen in den Pipelines um einen Sabotageakt handelt. Mindestens zwei vorsätzliche Detonationen mit der Wucht einer wohl mehrere Hundert Kilogramm kräftigen Sprengladung sind nach Ansicht Dänemarks und Schwedens für die Lecks in der Ostsee verantwortlich.
Wer steckt dahinter?
Seismologische Institute hätten eine Stärke von 2,3 und 2,1 gemessen, was "vermutlich einer Sprengladung von mehreren Hundert Kilogramm" entspreche, hieß es in dem auf Donnerstag datierten Brief. Auch deutsche Sicherheitsbehörden gehen laut einem Bericht des "Spiegel" davon aus, dass bei der Beschädigung der Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee hochwirksame Sprengsätze zum Einsatz kamen. Berechnungen haben ergeben, dass für die Zerstörung der Röhren Sprengsätze eingesetzt werden mussten, deren Wirkung mit der von 500 Kilo TNT vergleichbar ist.
Und selbst Russland spricht von einem Anschlag. Der Kreml versuchte zunächst, die USA als Hauptverdächtigen darzustellen. Es sei "offensichtlich, dass der Hauptnutznießer der Lecks, vor allem wirtschaftlich, die USA sind", sagte der Sekretär des nationalen Sicherheitsrats in Russland, Nikolai Patruschew, der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.
Am Freitag machte Wladimir Putin "die Angelsachsen" für die Explosionen verantwortlich. Sanktionen gegen Russland reichten den "Angelsachsen" nicht, diese hätten nun zum Mittel der "Sabotage" gegriffen, sagte der russische Präsident. Die Saboteure hätten durch die "Organisation von Explosionen an den internationalen Gas-Pipelines (...) damit begonnen, die europäische Energieinfrastruktur zu zerstören".