Politik

Fußfessel-Wutbrief von Ex-Kanzlerberater an Rauch

Brisant: Ex-Kanzlerberater und -Sektionschef Manfred Matzka geht mit Gesundheitsminister Johannes Rauch jetzt hart ins Gericht.

Rene Findenig
Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) steht wegen seiner Quarantäne-Verordnung in der Kritik.
Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) steht wegen seiner Quarantäne-Verordnung in der Kritik.
ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Das Quarantäne-Aus per Verordnung des Gesundheitsministers wühlt weiter die Wogen in Österreich auf. Nachdem die Stadt Wien am Freitag bekannt gab, städtische Mitarbeiter in vulnerablen Bereichen mit Kundenkontakt infiziert nicht arbeiten zu lassen, meldet sich nun Manfred Matzka mit einem Offenen Brief an Johannes Rauch zu Wort. Der ehemalige Sektionschef im Bundeskanzleramt und frühere Sonderberater der damaligen Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein bedient nun für seine Kritik am Quarantäne-Aus gar das Strafgesetzbuch.

So würden für Rauch vielleicht in den nächsten Monaten die Paragrafen 176 und 177 im Strafgesetzbuch "persönlich von Bedeutung", so Matzka. "Die Delikte heißen 'vorsätzliche' und 'fahrlässige Gemeingefährdung'. Es wurden bereits Personen deswegen verurteilt, die eine Corona-Quarantäne durchbrochen und dadurch andere gefährdet haben", so Matzka in Hinsicht darauf, dass Infizierte ab 1. August nicht nur nicht mehr in Quarantäne müssen, sondern unter Auflagen sogar an ihren Arbeitsplatz zurückkehren dürfen.

Das sind die entsprechenden Paragrafen
"§ 176 Abs 1 StGB: Wer (…) eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) einer größeren Zahl von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen."
"§ 177 Abs 1 StGB: Wer (…) fahrlässig eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) einer größeren Zahl von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen."

"Der Tatbestand ist, wie Sie sehen, sehr allgemein umschrieben, so dass jede Handlung eines Menschen erfasst ist, die eine Gesundheitsgefahr für eine größere Zahl von anderen Menschen herbeiführt"

Pikant: In einem ähnlich gelagerten Fall laufen derzeit Ermittlungen. Gegen eine Kärntnerin (es gilt die Unschuldsvermutung) wird wegen des Verdachts der grob fahrlässigen Tötung und vorsätzlicher Gemeingefährdung durch übertragbare Krankheiten ermittelt. Die Nachbarin soll sich laut Staatsanwaltschaft im Dezember 2021 mit Corona infiziert haben. Doch trotz Absonderungsbescheid dürfte die Frau ihre Wohnung verlassen und einen Nachbarn angesteckt haben, der verstarb.

Dass dies nun auch mit dem Wegfall der Quarantäne möglich sei, bekräftigt Matzka: "Der Tatbestand ist, wie Sie sehen, sehr allgemein umschrieben, so dass jede Handlung eines Menschen erfasst ist, die eine Gesundheitsgefahr für eine größere Zahl von anderen Menschen herbeiführt. Die Erlassung einer Verordnung durch einen Bundesminister ist beispielsweise eine derartige Handlung." Es komme auch nicht darauf an, ob durch diese tatsächlich nachweislich eine größere Zahl von Menschen gesundheitlichen Schaden erlitten habe, es reiche aus, dass die Gefahr eines solchen herbeigeführt werde.

"Jene Personen (...), denen Sie mit Ihrer Entscheidung einen Gefallen getan haben, werden sich wahrscheinlich nicht an der Geldstrafe beteiligen, (...) geschweige denn, dass sie Ihnen in einem etwaigen Fußfesselvollzug helfen werden"

"Sie werden sich in dem gegen Sie einzuleitenden Strafverfahren nur entlasten können, wenn Sie beweisen, dass Sie durch die Aufhebung der Quarantäne und durch den Verzicht auf die Kontrolle der Verkehrsbeschränkungen keine solche Gefahr herbeigeführt haben", so Matzka an den Gesundheitsminister. "Angesichts dieser hohen Anforderungen einerseits und der Kenntnis des Qualitätsniveaus der juristischen Vorarbeiten in Ihrem Ressort und in Ihrem Ministerbüro andererseits wünsche ich Ihnen dabei recht viel Glück. Sie werden es brauchen."

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    "Jene Personen aus Ihrer Klientel der Wirtschaftstreibenden, der Touristiker und der ÖVP-Funktionäre, denen Sie mit Ihrer Entscheidung einen Gefallen getan haben, werden sich wahrscheinlich nicht an der Geldstrafe beteiligen, mit der Sie als Unbescholtener beim ersten Mal vielleicht davonkommen, geschweige denn, dass sie Ihnen in einem etwaigen  Fußfesselvollzug helfen werden", so Matzka weiter – von Schadenersatzforderungen wolle er gar nicht reden. Matzka warnt: "Noch ist es ja nicht zu spät, denn nach meinem Kenntnisstand ist die Verordnung noch nicht in Kraft getreten."

    Der Offene Brief in voller Länge

    Herrn
    Bundesminister Johannes Rauch
    BM Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
    Wien
    Wien, 27.7.2022

    Sehr geehrter Herr Bundesminister,

    als Jurist, der im Corona-Recht zwangsläufig einigermaßen firm geworden ist, darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf folgende Bestimmungen des Strafgesetzbuches lenken, die vielleicht in den nächsten Monaten für Sie persönlich von Bedeutung sein werden. Sie lauten in dem für Sie relevanten Teil wie folgt:

    § 176 Abs 1 StGB: Wer … eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) einer größeren Zahl von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

    § 177 Abs 1 StGB: Wer … fahrlässig eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) einer größeren Zahl von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.

    Die Delikte heißen „vorsätzliche“ und „fahrlässige Gemeingefährdung“. Es wurden bereits Personen deswegen verurteilt, die eine Corona-Quarantäne durchbrochen und dadurch andere gefährdet haben.

    Der Tatbestand ist, wie Sie sehen, sehr allgemein umschrieben, so dass jede Handlung eines Menschen erfasst ist, die eine Gesundheitsgefahr für eine größere Zahl von anderen Menschen herbeiführt. Die Erlassung einer Verordnung durch einen Bundesminister ist beispielsweise eine derartige Handlung. Und es kommt nicht darauf an, ob durch diese tatsächlich nachweislich eine größere Zahl von Menschen gesundheitlichen Schaden erlitten haben, es reicht aus, dass die Gefahr eines solchen herbeigeführt wird. Augenschein und Experten bejahen dies im aktuellen Zusammenhang Ihrer geplanten Verordnung.

    Sie werden sich in dem gegen Sie einzuleitenden Strafverfahren nur entlasten können, wenn Sie beweisen, dass Sie durch die Aufhebung der Quarantäne und durch den Verzicht auf die Kontrolle der Verkehrsbeschränkungen keine solche Gefahr herbeigeführt haben. Das werden Sie angesichts der deutlichen Expertenkritik, dass die Gesundheitsgefährdung durch Ihre Verordnung steigt, nur zustande bringen, wenn Sie nachweislich in den Akten zur Vorbereitung der Verordnung glashart dokumentiert haben, dass

    a) ebenso viele Experten gegensätzlicher Auffassung sind,

    b) Sie sich mit beiden Argumentationen auseinandergesetzt haben, und

    c) ein vernunftbegabter Mensch bei Abwägung beider Argumente zu dem Schluss kommen kann, dass Quarantäne-Ende und Kontrollverzicht keine Risikoerhöhung bedeuten.

    Angesichts dieser hohen Anforderungen einerseits und der Kenntnis des Qualitätsniveaus der juristischen Vorarbeiten in Ihrem Ressort und in Ihrem Ministerbüro andererseits wünsche ich Ihnen dabei recht viel Glück. Sie werden es brauchen.

    Jene Personen aus Ihrer Klientel der Wirtschaftstreibenden, der Touristiker und der ÖVP-Funktionäre, denen Sie mit Ihrer Entscheidung einen Gefallen getan haben, werden sich wahrscheinlich nicht an der Geldstrafe beteiligen, mit der Sie als Unbescholtener beim ersten Mal vielleicht davonkommen, geschweige denn, dass sie Ihnen in einem etwaigen Fußfesselvollzug helfen werden. Und von den Schadenersatzforderungen jener vielen, die tatsächlich nachweisen können, dass sie von einem Kranken angesteckt wurden, von dem sie bei Fortbestand der Quarantäne nicht hätten angesteckt werden können, will ich gar nicht reden. Diese werden an Sie persönlich oder an die Republik gerichtet werden, die im Fall Ihrer Verurteilung allerdings zwangsläufig bei Ihnen Regress nehmen muss. Das kann teuer werden, und auch in einem solchen Fall hat man keine Freunde.

    Noch ist es ja nicht zu spät, denn nach meinem Kenntnisstand ist die Verordnung noch nicht in Kraft getreten. Es ist also noch ein wenig Zeit für die Lektüre des Strafgesetzbuchs und seiner Auslegung. Die Justizministerin wird Ihnen gerne die Expertise ihres Hauses zur Verfügung stellen. Sie sollten ein solches Angebot annehmen, denn es ist eine ziemlich riskante Funktion, die Sie ausüben.

    Wenn man Sie schon als Gesundheitsminister politisch vor sich hertreibt, ist das eine Sache. Aber überlegen Sie sich als pragmatischer Vorarlberger doch einfach auch, ob sie ein derartiges Risiko auch bei einer Entscheidung als Vorstandvorsitzender eines großen Unternehmens eingehen würden.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Dr. Manfred Matzka

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