Science
Forscher bekämpfen Food Waste mit digitalen Orangen
Mit digitalen Fruchtzwillingen und Temperaturdaten aus Transporten ermitteln Forscher ideale Bedingungen, damit möglichst wenig in der Tonne landet.
Rund ein Drittel aller Lebensmittel weltweit landet im Abfall anstatt auf dem Teller. Mit Hilfe von digitalen Zwillingen möchten Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in der Schweiz und der südafrikanischen "Stellenbosch University" nun Lebensmittelabfälle etwa bei Zitrusfrüchten entlang der Produktions- und Lieferketten verringern. Die nötigen Temperaturdaten für eine bessere Haltbarkeit von Orangen & Co. wären eigentlich bereits verfügbar. Bisher würden sie jedoch zu wenig genutzt, schreiben die Forscher in einer aktuellen Studie im Fachmagazin "Nature Food".
Auf dem Weg vom Produktionsort auf den Teller der Konsumenten verdirbt etwa ein Drittel aller Lebensmittel weltweit. Ein Grund sind ungünstige Lagerungsbedingungen entlang von Produktions- und Lieferketten bis hin zur suboptimalen Aufbewahrung zuhause. Forschende der "Biomimetical Membranes and Textiles"- Labors der Empa in St. Gallen (Schweiz) arbeiten seit längerem an digitalen Lösungen, mit denen diese Lebensmittelverschwendung reduziert werden könnte.
Empa-Forscher arbeiten an biophysikalischen Zwillingen von Früchten und Gemüse, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Die Eigenschaften der Feldfrüchte werden von den Polymer-Modellen perfekt simuliert. Zudem sind die biophysikalischen Zwillinge mit Sensoren ausgestattet, die die Temperatur und den Feuchtegehalt messen, wie sie an der Schale und im Fruchtfleisch der echten Nahrungsmittel herrschen. So meldet der "Spion" unter den Produkten präzise Daten um die Bedingungen bei Lagerung und Transport zu optimieren – anders als herkömmliche Messmethoden.
Digitaler Zwilling simulierten Einflüssen ausgesetzt
Dazu entwickelten sie einen digitalen Zwilling von Zitrusfrüchten, um herauszufinden, wann, warum und in welchem Ausmaß die Qualität der Früchte beim Transport leidet. Sie verfolgten die Temperaturentwicklung in 47 Containerladungen mit Zitrusfrüchten über den gesamten Transportweg hinweg und ermittelten bei den digitalen Zwillingen die Wahrscheinlichkeit von entsprechenden Schäden wie Austrocknung, Verschimmeln oder Verrotten oder erwünschte Veränderungen wie die Sterberate von Fruchtfliegen-Larven.
Das Resultat: Heraus kam eine große Bandbreite an Transportbedingungen und entsprechenden Qualitätseinbußen. In der Studie lagen die Hälfte aller Lieferungen außerhalb der idealen Bedingungen für den Transport. Die Folgen: Fäulnis, Kälteschäden, verdorbene Ware. Am Ende ihrer rund 30-tägigen Reise waren die verbliebenen Zitrusfrüchte im Haushalt schließlich teilweise nur noch wenige Tage haltbar.
Temperatur beim Transport entscheidend
Um die Qualität von frischem Obst zu erhalten, ist es laut den Forschenden nötig, ein sehr enges Fenster an Temperaturbedingungen einzuhalten. So hoffen sie, dass Unternehmen die virtuellen Früchte einst in ihre Prozesse einbinden können. Zwar seien bis dahin noch weitere Entwicklungen nötig. Aber immerhin die Temperaturdaten wären bereits vorhanden: Jeder Container auf der Welt ist mittlerweile mit einem oder mehreren Temperatursensoren ausgestattet. Die Messwerte blieben bisher einfach ungenutzt.