Niederösterreich
Folter im Pflegeheim? 4 Ex-Mitarbeiter vor Gericht
Heute startete der Mammut-Prozess gegen 4 Pfleger eines Heimes in Kirchstetten. Das Quartett soll abscheuliche Dinge getan haben, streitet alles ab.
Fast genau vor vier Jahren, im Oktober 2016, waren die Vorwürfe gegen vier Pflegekräfte des Heimes Kirchstetten (St. Pölten-Land) aufgekommen und hatten das ganze Land geschockt. Das Quartett soll auf herabwürdigende und abscheuliche Weise demente Bewohner gequält, gefoltert und misshandelt haben ("Heute" berichtete).
In der Folge kamen sogar Mordvorwürfe ins Spiel, Leichen wurden am Baumgartner Friedhof in Wien exhumiert, doch von den Mordvorwürfen bliebt nichts übrig - mehr dazu lesen Sie hier. Auf der anderen Seite gingen die vier Pfleger teils in die Offensive, sprachen ausführlich mit "Heute". Der Grundtenor: Die Vorwürfe stimmen nicht und vor allem "Unser Leben wurde zerstört" - mehr dazu hier.
Staatsanwältin listet Gräueltaten auf
Unter strengen Auflagen und teils unter Ausschluss der Öffentlichkeit ging der Prozessauftakt gegen die vier Pfleger am Landesgericht St. Pölten am heutigen Mittwoch über die Bühne.
Die Staatsanwaltschaft listete die mutmaßlichen Gräueltaten zum Entsetzen der Zuhörer auf: Das Quartett (Mann 30, drei Frauen 34, 52, 55) soll unter anderem demente Senioren geschlagen, heiss oder kalt geduscht, mit Franzbranntwein die Genetalien eingerieben, mit Gewalt gefüttert, die Bewohner zur Belustigung geschminkt und fotografiert sowie sexuell missbraucht (Anm.: z.b. Hoden oder Penis verdreht) haben. Den Fall ins Rollen gebracht hatten laut Staatsanwältin zwei beherzte Kolleginnen.
Die Anklage stützt sich dabei fast ausschließlich auf die internen Chatnachrichten der Pfleger (Anm.: die von den Angeklagten gelöscht worden waren und von IT-Profis wieder hergestellt wurden), die auf den ersten Blick vernichtend aussehen: „Ich hätte ihm die Scheisshände abgebrochen“ oder „Übt bei Negern, die haben keine blauen Flecken“ oder „Die braucht an Dildo“ oder "Ich glaub, wir sind die Außenstelle von Lainz" oder "Das Effektivste wäre eine Massenvergewaltigung."
"Extremer Stress"
Der 30-Jährige, er nannte sich in der Gruppe „Master of Death“ (Meister des Todes, Anm.), vor Gericht: „Es war extremer Stress und Personalmangel. Ich hatte eine Dreifachaufgabe. Ich versuchte immer, allen alles recht zu machen.“ Die Chats bestritt er nicht, aber: Diese seien intern gewesen, aus „psychohygienischen Gründen“. Er warf ein: „Es war zynisch ja, aber für uns war die Situation oft sehr unangenehm.“
Anwalt Stefan Gloß forderte volle Aufklärung, begann seine Verteidigung mit einem abgewandelten Bert Brecht-Zitat: "Die einen stehen im Schatten, die anderen stehen im Licht, die einen sieht man, die anderen nicht." Der Jurist betonte, dass es insgesamt acht Mitglieder in der WhatsApp-Gruppe gab und nur vier angeklagt wären (Anm.: ein fünfter wurde auch aus dem Heim nach Aufkommen der Vorwürfe gekündigt). "Es wurden viele unschöne Dinge geschrieben, aber nur um Ballast abzuwerfen und das ist nicht strafbar", so der Advokat. Außerdem habe es in den Dokumentationen keine Aufzeichnungen über Verletzungen der Bewohner gegeben.
"Anzeige ist dünn"
Weiters führte der Strafverteidiger aus, dass die eingebrachte Anzeige dünn sei und die Staatsanwaltschaft den Angeklagten nie zugehört habe. "Wenn die Angeklagten bereits vor drei Jahren gehört worden wären, hätte sich vieles aufgeklärt."
Die vier Beschuldigten haben derzeit, bis auf die 52-Jährige, keinen Job mehr, wirken ob des Verfahrens auch sehr mitgenommen.
Der Prozess ist für acht Tage bis Mitte November angesetzt. Im Falle einer Verurteilung drohen dem bis dato unbescholtenen Quartett bis zu zehn Jahre Haft. Es gilt die Unschuldsvermutung.