Politik
Fliegen wird teurer: Was im Koalitionsprogramm steht
Das türkis-grüne Regierungsabkommen ist fertig. "Heute" verrät die wichtigsten Punkte von Migrationspolitik bis Klimaschutz.
Rund 100 Tage verhandelten ÖVP und die Grünen über ein gemeinsames Regierungsprogramm, nun ist es fertig. Am Donnerstag präsentierten die Parteichefs Sebastian Kurz und Werner Kogler das Abkommen – "Heute" kennt die Details. Es ist anzumerken, dass die Parteien in einigen Punkten lediglich Überschriften liefern oder noch nicht auf Spezifika wie die Finanzierung oder die genaue Umsetzung eingehen.
Türkise Asylpolitik mit grünen Akzenten
Die Migrations- und Asylpolitik bleibt türkis. Hier konnte sich die ÖVP klar durchsetzen, auch wenn es ein paar grüne Anmerkungen gibt. So bekennt sich die Regierung zu einer Asylpolitik, die "rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht, die die Mindeststandards der Genfer Konvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und des EU-Rechts achtet und die auf einem geordneten Prozess mit klaren Regeln basiert".
Das Papier besteht auf der Trennung von "Asyl und Arbeitsmigration", zur Erleichterung der letzteren soll eine neue "Rot-Weiß-Rot-Karte" geschaffen werden. Die Maßnahmen sind weitestgehend bekannt: "Hilfe vor Ort" stärken, Grenzschutz, Beschleunigung von Asylverfahren, Abschiebung straffällig gewordener Menschen ohne Schutzstatus und – bitter für die Grünen – die Einführung der Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit. Im Programm findet sich auch der berüchtigte "Bundestrojaner" zur Überwachung von verschlüsselten Messenger-Nachrichten. Diesmal um das Prädikat "verfassungskonform" ergänzt. Der Verfassungsgerichtshof hatte die Überwachungsmaßnahmen von Türkis-Blau erst im Dezember aufgehoben.
Aufstockung der Polizei
Auch die innere Sicherheit trägt die Handschrift der ÖVP, die ihren bisherigen Generalsekretär Karl Nehammer in das Ressort entsendet. Die bereits begonnene Personaloffensive der Polizei soll fortgeführt werden – 2.300 zusätzliche Planstellen und 2.000 Ausbildungsstellen. Auch Grätzelpolizisten sollen aufgestockt werden. Bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizisten (zuletzt bei einer Klimademo geschehen) soll künftig eine eigene Behörde die Aufklärung übernehmen.
Ein bisschen Grün findet sich dann übrigens doch. Die Regierung will nationale Aktionspläne für Menschenrechte und gegen Rechtsextremismus entwickeln. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wird weiter reformiert und soll künftig auch einen Extremismusbericht liefern. Außerdem verschreibt sich die Regierung dem Kampf gegen den politischen Islam (mit eigener Dokumentationsstelle) und "staatsfeindliches Gedankengut" (hier werden explizit die rechtsextremen "Identitären" genannt).
Fliegen wird teurer
Die Steuerreform der gescheiterten türkis-blauen Koalition wird unter Türkis-Grün fortgesetzt. Die ersten drei Stufen des Einkommensteuertarifs werden von 25 % auf 20 %, 35 % auf 30 % und 42 % auf 40 % gesenkt, dazu kommen eine Entlastung der Körperschaftssteuer, die Möglichkeit auf Beteiligung der Belegschaft am Unternehmensgewinn und ein neues, einfacheres Steuergesetz. Neu ist eine ökosoziale Steuerreform, die klimaschädliches Verhalten be- und schonende Maßnahmen entlastet. Teil davon ist eine Abgabe von 12 Euro pro Flugticket.
Grüner Klimaschutz
Durch die vielen Zugeständnisse an die ÖVP in Migrations- und Sicherheitsfragen erkaufen sich die Grünen ein Mega-Ministerium mit den Agenden Umwelt- und Klimaschutz, Verkehr, Infrastruktur und Innovation. Die Regierung will ein "Klimakabinett" bilden und jede Menge Maßnahmen umsetzen, um Österreich zum Klimaschutz-Primus zu machen – neues Klimaschutzgesetz inklusive. Bis 2040 soll das Land klimaneutral sein, bis 2030 soll der Strom zu 100 % aus erneuerbaren Energiequellen kommen.
Alle Öl- und Kohleheizungen sollen bis 2035 verschwunden sein. Zudem plant Türkis-Grün ein "1-Million-Dächer-Photovoltaik"-Programm und will Österreich zur Wasserstoff-Nation machen. Es ist übrigens keine Rede mehr von einer CO2-Steuer auf nationaler Ebene. Man will sich lediglich bei der EU dafür einsetzen. Wohl auch dafür soll es einen "Klimabotschafter" geben. In der "derzeitigen Form" will man auch dem Mercosur-Handelsabkommen nicht zustimmen.
Ein weiteres großes Anliegen der Grünen hat es ebenfalls in das Koalitionspapier geschafft: der Ausbau des öffentlichen Verkehrs mittels eines "Mobilitätsmasterplans 2030". In ganz Österreich soll ein weitgehend stündliches, ganztägiges Angebot sichergestellt werden, dazu kommt ein landesweites Öffi-Ticket. Jeweils eine "Öffi-Milliarde" soll in den Ausbau und die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs in Ballungsräumen und ländlichen Gebieten fließen. Zugfahren soll günstiger werden, möglich macht das eine Senkung der Kosten von Bahnstrom. Und auch an die Radfahrer wird gedacht: Türkis-Grün will den Anteil des Radverkehrs von 6 auf 13 % erhöhen.
Transparenzpaket
Einen "gläsernen Staat statt eines gläsernen Bürgers" hatte Werner Kogler schon im Vorfeld versprochen. Und tatsächlich plant die Regierung ein großes Transparenzpaket. Das Amtsgeheimnis soll endlich abgeschafft, Informationsfreiheit ein einklagbares Recht werden. Ein neues Parteiengesetz dürfte dem Rechnungshof mehr Rechte bei der Einschau und Kontrolle der Parteifinanzen einräumen und ihn ermächtigen, Unternehmen schon ab einer Beteiligung der öffentlichen Hand von 25 % zu kontrollieren.
Im Gesundheitsbereich denkt die kommende Regierung an die Einführung eines Facharztes der Allgemeinmedizin sowie die Ausweitung des Mutter-Kind-Passes bis zum 18. Lebensjahr. Bei der Pflege denkt die Volkspartei weiterhin an eine Pflegeversicherung zur Finanzierung, ein genauer Plan liegt allerdings noch nicht vor.
Werner Kogler hatte im Wahlkampf die Bekämpfung der Kinderarmut versprochen, eine dementsprechende Absichtserklärung findet sich auch im Regierungsprogramm. Zudem wird der bereits unter Türkis-Blau beschlossene Familienbonus aufgestockt: auf der niedrigsten Stufe von 250 auf 350 Euro pro Kind und in der Endstufe von 1.500 auf 1.750 Euro. Dazu kommt ein Unterausschuss zur Armutsbekämpfung.
Und sonst?
Das Bundesheer ist finanziell ausgehöhlt, davor warnte Übergangs-Verteidigungsminister Thomas Starlinger immer wieder. Aus dem Regierungsprogramm lässt sich nicht herauslesen, dass das Heer künftig massiv höhere Budgets zur Verfügung gestellt bekommt. Stattdessen sollen die "Aufgaben, Strukturen und Mittel" der Landesverteidigung weiterentwickelt werden.
Immerhin ist die Rede von einer "ausreichenden personellen und materiellen Ausstattung der Miliz". An der Wehrpflicht wird nicht gerüttelt, mehr noch: Türkis-Grün schafft de facto die Untauglichkeit ab. Künftig gibt es nur noch die Kategorien "volltauglich" und "teiltauglich". Dem Wehr- oder Zivildienst entgehen künftig nur noch Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen.
In den Aufgabenbereich des neuen Integrationsministeriums in Kooperation mit anderen Ressorts dürfte die Umsetzung mehrerer Maßnahmen fallen: Deutschförderung, Ausweitung des Kopftuchverbots bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, eine Schwerpunktinitiative zur Jobintegration von Asylberechtigten und ein nationaler Aktionsplan gegen Rassismus und Diskriminierung.
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Die Pressekonferenz von Sebastian Kurz und Werner Kogler zum Nachsehen >>>