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Flat Earther beklagen sich – "Wir sind keine Spinner"

Auf einen Artikel zu andersdenkenden Menschen reagierten zahlreiche Flat Earther. Was ist an ihren Aussagen dran?

Leo Stempfl
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Experten kontern den zweifeln der Flat Earther.
Experten kontern den zweifeln der Flat Earther.
Getty Images/iStockphoto

Der Leiter der schweizerischen Impfkommission, Christoph Berger, wurde vor wenigen Wochen vorübergehend entführt. Beim Entführer handelte es sich um einen 38-jährigen Mann mit Kontakten zu Flat Earther-Kreisen. Der anschließende Artikel in "20 Minuten" rund um das Gefahrenpotential solcher "Andersdenkenden" wurde von diesen Kreisen harsch kritisiert. "Menschen, die skeptisch sind und hinterfragen, werden nur als Spinner, Leugner und Verschwörer dargestellt", schrieb J.W.*

Verschiedene Modelle einer Scheibenerde sind schon in frühgriechischen Mythen zu finden. Dieser Glaube wurde aber durch zunehmende wissenschaftliche Erkenntnisse als Irrtum entlarvt. Für ein Revival der flachen Erde führte die Gründung der Bewegung Flat Earth Society im Jahr 1956. Über Internetforen zählt diese aktuell rund 200.000 Mitglieder.

Vor der Kamera wollte niemand Stellung nehmen, doch anonym lässt "20 Minuten" drei Flat Earther zu Wort kommen. Experten beurteilen ihre Ausführungen.

Eigenes Bild machen

"Ich wollte schon als kleines Kind die Welt, die Erde, das Leben und den Menschen verstehen", schreibt L.G. "Ich wollte immer herausfinden, warum die Welt ist, wie sie ist und warum Menschen so handeln, wie sie handeln." Die 24-jährige Biologiestudentin bezeichnet sich selbst als "Andersdenkende". Sie beschäftige sich in ihrer Freizeit mit dem Recherchieren unterschiedlichster Themen, hinterfrage diese kritisch und versuche, sich ein eigenes Bild zu machen.

"Ich gehöre keiner Flat-Earth-Community an", sagt L.G. "Ich finde es wichtig, vielseitig zu recherchieren und sich sein eigenes Bild zu machen." Dies würde bei Communities zu kurz kommen.

"Ich zweifle an sehr vielen Fakten und vor allem an der Menschheit selbst", sagt G. Allen voran kritisiert sie das Schulsystem. Man werde nicht ausgebildet, ein selbstdenkendes Individuum zu werden, sondern bekomme die besten Noten, "wenn man die Haltung der Ausbilder einnimmt". Im Grunde werde einem beigebracht, alles einfach nur anzunehmen.

Professorin kontert

Anna-Katharina Praetorius, Professorin für pädagogisch-psychologische Lehr- und Lernforschung an der Universität Zürich, entgegnet: "Es stimmt, dass wir lernen, bestimmte Dinge anzunehmen. Das betrifft vor allem das grundlegende Faktenwissen. Würde man beispielsweise bereits das mathematische 1x1 hinterfragen, könnte man nie darauf aufbauende, komplexere Aufgaben angehen. Grundsätzlich setzt das Schulsystem aber auch auf Reflexion und eigenes Denken. Schülerinnen und Schüler sowie Studierende werden dazu animiert, sich ihre eigene Meinung zu bilden, diese zu belegen, mit anderen zu diskutieren und sie dann gegebenenfalls zu überarbeiten. Gerade solche Kompetenzen braucht es in der heutigen, sehr komplexen Welt sowohl im Alltag als auch im Beruf."

Schwerkraft-Skeptiker

J.W. sieht das anders: "Viele Dinge sind für mich ungeklärt und beruhen nur auf Hypothesen, Berechnungen und Computermodellen." Dem bekennenden Flat Earther fehlen "die aussagekräftigen Beweise", was ihn am Herkömmlichen der Kugelerde zweifeln lässt.

W. stellt sich in diesem Zusammenhang diverse Fragen: "Wie kommt es, dass wir nicht merken, dass sich die Erde um sich selber dreht, die Sonne umkreist und wir durch die Galaxie rasen? Gleichzeitig merken wir aber, dass wir uns in einem Auto oder Zug bewegen."

Auch die Schwerkraft gibt W. Rätsel auf: "Wie kann es sein, dass die Schwerkraft so stark ist, dass sie alle Ozeane fest an die Erde bindet und die Kraft hat, sie über unseren drehenden Planeten zu krümmen, aber gleichzeitig können Vögel durch die Luft gleiten? Ist die Schwerkraft wählerisch?"

Theorien und Hypothesen

Michael Ebersold, Experte für Gravitation und Astrophysik der Universität Zürich, sagt darauf: "Die Wissenschaft stellt Theorien auf, leitet daraus Hypothesen ab und testet diese mit Experimenten. Unzählige Effekte können mit der Kugelerde ganz einfach und schlüssig erklärt werden. Eine Theorie der flachen Erde liefert keine konsistente Erklärung dafür.

Zur Erdbewegung: Geschwindigkeit können wir an sich nicht fühlen. Was wir spüren, ist Beschleunigung, das heißt, eine Änderung der Geschwindigkeit, da dabei eine Kraft auf den Körper wirkt. Da die Beschleunigung auf die Erde aber trotz der hohen Geschwindigkeit im Vergleich zu unserer Schwerkraft sehr gering ist, spüren wir nichts. Man könnte Geschwindigkeit auch fühlen, indem man eine Art "Fahrtwind" wahrnimmt. Das ist aber nicht möglich, denn die Erde bewegt sich im luftleeren Raum durch die Galaxie.

Zur Gravitation: Die Erde zieht alle Objekte gleich stark an. Die Kraft ist dabei aber proportional zur Masse des angezogenen Objekts. Ein Vogel kann fliegen, weil seine Flügel so aufgebaut sind, dass ihm die vorbeiströmende Luft einen Auftrieb gibt. Dieser wirkt der Schwerkraft entgegen. Darum kann ein Vogel oder ein Flugzeug auch nicht beliebig schwer sein."

Diskussionen nicht mehr möglich?

L.G. ist überzeugt, dass sich die Gesellschaft zu wenig kritisch mit unterschiedlichsten Themen auseinandersetzt. "Es wird viel zu einseitig diskutiert. Ich wünschte mir, dass Diskussionen mit Vertretern unterschiedlichster Ansichten und Weltbilder stattfinden könnten." Laut J.W. würden "Andersdenkende" nur als "Spinner" abgestempelt werden. Man könne sie doch auch einfach ausreden lassen und dann ihre Behauptungen mit Argumenten widerlegen.

Daniela Mahl, Kommunikationswissenschaftlerin der Universität Zürich: "Für eine funktionierende, demokratische Gesellschaft ist es wichtig, die unterschiedlichsten Perspektiven im öffentlichen Diskurs abzubilden. Gleichzeitig müssen aber auch die Mehrheitsverhältnisse berücksichtigt werden. Wird eine These von 99 Prozent der Forschenden vertreten und nur von einem Prozent verworfen, ist das auch so darzustellen. Würde man also alle Meinungen als gleichwertig darstellen, käme es zu einem verzerrten Bild. Verschwörungsnarrative sollten nicht vollständig aus der gesellschaftlichen Diskussion ausgeschlossen werden. Für einen erfolgreichen Dialog müssen diese aber faktisch beurteilt und kommentiert werden."

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