Wien

Finanz-Fiasko – jetzt legt Wien Energie alles offen

Wien Energie will Staatshilfe – und zwar in Milliarden-Höhe! Nun meldet sich der Energieversorger zu Wort und klärt über die Hintergründe auf.

Der Druck auf Wien Energie ist enorm – es geht um zwei Milliarden Euro "Sicherheit".
Der Druck auf Wien Energie ist enorm – es geht um zwei Milliarden Euro "Sicherheit".
Weingartner-Foto / picturedesk.com

Die Gespräche zur Finanz-Notlage der Wien Energie haben laut Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) noch kein Ergebnis gebracht. Allerdings "befinde man sich auf einem guten Weg". Ob noch am heutigen Dienstag mit einer Einigung zu rechnen ist, konnte der Minister aber nicht sagen. Zu möglichen Hilfeleistungen seien jedenfalls noch Detailfragen offen.

Mittlerweile, um exakt 12.44 Uhr – also genau während der Pressekonferenz von Bürgermeister Michael Ludwig, Finanzstadtrat Peter Hanke und Peter Weinelt, dem Generaldirektor der Wiener Stadtwerke, hat Wien Energie schriftlich per Aussendung Stellung zur aktuellen Lage bezogen. Und darin klärt der Energieversorger im Detail über die "Hintergründe und Fakten" auf.

Massive Marktverwerfungen

Wien Energie sei am Freitagabend als Teil der österreichischen Energiebranche an den Bund herangetreten, um aufgrund von massiven Marktverwerfungen eine stabile Gesamtsituation für die Energieversorgung in Wien und ganz Österreich weiterhin langfristig sicherzustellen.

Die zuverlässige Energieversorgung der Wiener habe oberste Priorität. Ein Spekulationsverbot sei in "unseren Risikohandbüchern dezidiert festgehalten, wir tätigen selbstverständlich keine Leerverkäufe. Unsere Geschäftstätigkeit wird jedes Jahr über ein unabhängiges Audit überprüft. Wir müssen zur Versorgung von Wien die dafür notwendige Energie an den europäischen Energiebörsen kaufen und unsere Stromproduktion dort verkaufen, weil das die einzigen Stellen sind, wo man diese großen Mengen handeln und langfristig absichern kann", heißt es in der Mitteilung.

Wien Energie – was bisher bekannt ist
Die Wien Energie schlitterte nach eigenen Angaben durch die immense Teuerung am Strommarkt in Turbulenzen, muss rund 1,7 Milliarden Euro an Sicherheiten hinterlegen – und kann das offenbar nicht. Unklar ist auch, wie hoch der Geldbedarf in Wahrheit ist, von sechs bis zehn Milliarden Euro ist bisher die Rede. Die Begriffe Insolvenz und Pleite vermeidet man, finanzielle Nöte sind aber bestätigt, obwohl man über "beste Bonität" verfüge.
Energiekonzerne können entweder jetzt Energie teuer kaufen oder aber als sogenannte "Futures" günstiger für die Zukunft, wofür es aber die genannten Sicherheiten braucht. Im Raum steht auch der Vorwurf, dass riskante Spekulationsgeschäfte getätigt wurden - hier fordert der Bund rasche Aufklärung als Voraussetzung für eine finanzielle Hilfe. Verhandlungen laufen nun beinahe rund um die Uhr.

Das sei der ausschließliche Grund für diese Geschäfte. Wien Energie habe derzeit 4,48 Terawattstunden Strom bis Ende 2024 im Verkauf an der Börse – "also getätigte, aber noch nicht abgewickelte Positionen offen". Das entspreche nicht einmal einer Jahresproduktion. 2021 habe Wien Energie 6,28 Terawattstunden Strom selbst produziert. Die in den Medien kolportierten Mengen erklären sich wie folgt:

"Die Höhe ist rein bilanziell"

"Diese Daten (16,88 TWh) sind auf Basis des Finanzberichtes der Wiener Stadtwerke aus 2021 zu finden. Die Höhe ist rein bilanziell und zeigt die Handelsbewegungen auch für die Jahre 2022/2023. Diese Zahl beinhaltet z.B. auch konzerninterne Lieferungen. Als Beispiel erwirbt die Wien Energie GmbH für ihre Vertriebsgesellschaft Wien Energie Vertrieb GmbH & Co KG an europäischen Strombörsen Strom, den sie dann an die Wien Energie Vertrieb GmbH & Co KG weiterleitet. Dadurch scheint diese Menge bilanziell doppelt auf, ohne dass dadurch ein Risiko entsteht."

Wien Energie habe mit 29. August 1,75 Milliarden Euro an Sicherheitskautionen für den Energiehandel aufbringen müssen. Diese Sicherheitsleistungen betreffen im Wesentlichen Strom-Verkäufe, die bereits in der Vergangenheit getätigt, aber noch nicht abgewickelt wurden. "Gemeinsam mit der Stadt Wien konnten diese Garantieleistungen aufgebracht werden", heißt es weiter.

800 Millionen Euro

Am heutigen Handelstag – 30. August – brauche Wien Energie gar keine zusätzlichen Garantien. Seit Montag sei der Strompreis wieder um rund 23 Prozent gesunken, der Gaspreis um 13 Prozent gesunken. Wien Energie bekommt am Dienstag Sicherheitsleistungen in der Höhe von rund 800 Millionen Euro wieder zurück.

Aufgrund dieser extremen Schwankungen am Markt seien mehrere Szenarien berechnet und mit "unserem Eigentümer, mit der Stadt Wien und der Bundesregierung" diskutiert worden. Im Worst Case-Szenario – nämlich bei einer weiteren Verdopplung des Strompreises diese Woche – würde Wien Energie fünf Milliarden an Garantien benötigen. Die zehn Milliarden beziehen sich auf eine nochmalige Zuspitzung der Situation im Worst-Worst-Case. Im Best Case benötigt Wien Energie gar keine Sicherheitsgarantien vom Bund.

Seit Wochen und Monaten steigen die Energiepreise an den Börsen an. Wien Energie agiere vorausschauend und habe seine Kreditlinien bereits in der Vergangenheit entsprechend als Vorsorgemaßnahme aufgestockt. Am Freitag, 26.8., habe sich die Marktlage dramatisch entwickelt. "Das war nicht vorhersehbar. Innerhalb eines Tages hat sich der Strompreis fast verdoppelt und das zusätzlich völlig entkoppelt vom Gaspreis".

"Zum Vergleich: Während die Garantien bis Mitte letzter Woche in Schwankungsbreiten von + /- 200 Millionen Euro lagen, sind die erforderlichen täglichen Leistungen am Freitag auf -1,75 Milliarden Euro hochgeschossen. Zu dieser Zeit hatte Wien Energie bereits einen Handelsstopp für Termingeschäfte eingelegt. Wien Energie hat sich noch in der Nacht an den Bund gewandt, um die Versorgungssicherheit von Wien und Österreich in jedem Fall und auch bei weiteren Marktverwerfungen in dieser Woche sicherstellen zu können", stellt der Energieversorger klar.

"Keine unmittelbaren Auswirkungen auf Kunden"

Wien Energie handele sowohl gewisse Mengen direkt mit Handelspartnern, insbesondere die langfristige Absicherung großer Energiemengen und der Stromverkauf seien aber nur über die internationalen Märkte möglich. Wien Energie sei dabei nicht mit kleinen Energielieferanten zu vergleichen. Der Handel an der Börse sei weniger risikobehaftet, weil sich das Ausfallsrisiko eines Geschäftspartners nicht an einem einzelnen Partner festmache, teilt Wien Energie mit.

Und zum Schluss heißt es noch: "Die Erhöhung von Sicherheitsgarantien hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Kunden von Wien Energie. Die Endkunden-Preise werden mit 1.9. wie kommuniziert angepasst, auch die Treueaktion hat weiterhin volle Gültigkeit. Faktum ist aber: Die Märkte spielen verrückt und es kann niemand Interesse daran haben, dass die aktuellen Preise an den internationalen Märkten durch die österreichischen Energieversorger an Endkunden weitergegeben werden müssen. Dafür braucht es raschest ein politisches Eingreifen auf internationaler Ebene."

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