Österreich
"Ich wäre nach Ischgl-Urlaub fast an Corona gestorben"
Franjo C. infizierte sich in Ischgl mit Corona. Er landete auf der Intensivstation und überlebte nur mit Glück. Nun klagt er auf rund 94.000 Euro.
Eine gesellige Männer-Partie auf Ski-Urlaub wurde zum gesundheitlichen Alptraum für Franjo C. (40): Der Niederösterreicher fuhr von 10. bis 14. März 2020 nach Ischgl (T) und infizierte sich dort mit Corona. "Bevor wir losgefahren sind, hat ein Freund von mir noch beim Tourismusverband angerufen. Dort sagte man ihm, dass wir ohne Bedenken fahren können", erinnert sich Franjo C.
Also machten sich die sechs Freunde gesund und munter auf den Weg nach Tirol: "Wir haben in einem Selbstversorger-Apartment gewohnt, nicht direkt in Ischgl. Zum Essen sind wir aber in den Ort hinein. Es war ein bisschen gespenstisch. Die Après-Ski-Lokale waren schon zu, weil ja ein Kellner angeblich Corona-positiv war. Die Leute sind einfach auf der Straße gesessen, fast keiner hat eine Maske getragen. Sportgeschäfte und Skilifte waren aber geöffnet", erzählt der Niederösterreicher, der mit einem Partner eine Autowerkstatt in Wien betreibt.
„"Bei der Abreise aus Ischgl herrschte absolutes Chaos" - Franjo C. “
"Bei der Abreise aus Ischgl herrschte absolutes Chaos. Beim Zurückfahren habe ich dann Schüttelfrost bekommen. Da wusste ich, dass etwas nicht stimmt", meint Franjo C. Zuhause in Korneuburg angekommen, begab sich der 40-Jährige mit Fieber und Gliederschmerzen sofort selbst in Quarantäne: "Am fünften Tag bin ich dann zusammengebrochen. Die Rettung hat mich ins Krankenhaus Melk gebracht", so Franjo C.
Dort wurde er elf Tage lang auf einer Normalstation betreut. Doch dann verschlechterte sich sein Zustand: Franjo C. musste intubiert werden. Anfang April wurde er schließlich ins Krankenhaus St. Pölten verlegt, dort auf der Intensivstation an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen: "Ich lag 40 Tage im Koma, wäre fast gestorben. Ich hatte Todesangst", berichtet der 40-Jährige.
„"Ich war drei Monate lang teilweise gelähmt, praktisch ein Pflegefall" - Franjo C.“
Erst Anfang Juni – also nach zwei Monaten – konnte Franjo C. von der Intensiv- wieder auf eine Normalstation ins Krankenhaus Melk verlegt werden: "Ich war drei Monate lang teilweise gelähmt, praktisch ein Pflegefall. Erst mit den Therapien ist es besser geworden, sodass ich wieder selbst aus dem Bett aufstehen konnte. Nach eineinhalb Jahren kann ich immer noch nicht normal gehen, ich humple. Und in meiner rechten Hand habe ich viel weniger Kraft", erklärt Franjo C., der seinen Beruf derzeit nicht ausüben kann.
Aufgrund der Long-Covid-Folgen, die noch immer Reha-Aufenthalte sowie Physio- und Ergotherapien bedingen, klagte Franjo C. über den Verbraucherschutzverein (VSV) die Republik Österreich auf exakt 93.667,67 Euro Schadenersatz. Inzwischen wurden über den VSV mehr als 25 Amtshaftungsklagen von Ischgl-Betroffenen beim Landesgericht für Zivilrechtssachen eingebracht. In fünf Fällen, darunter auch jener von Franjo C., fanden bereits Verhandlungen statt, die Urteile sind allerdings noch nicht ergangen. Weitere neun Fälle, in denen der Streitwert zwischen rund 12.000 Euro und rund 95.000 Euro beträgt, sind für Dezember angesetzt.
Behördenversagen als Grundlage für Amtshaftungsklagen
Als Grundlage für die Amtshaftungsklagen dient dem VSV der Vorwurf an die Regierung, darunter Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), versagt zu haben. Demnach soll Kurz den Vorschlag des Tiroler Landeshauptmannes Günther Platter (ÖVP), die Wintersaison am Wochenende des 13. bis 15. März 2020 in Ruhe zu beenden, abgelehnt haben. Stattdessen soll der Ex-Bundeskanzler die sofortige Quarantäne des Paznauntales und von St. Anton gefordert haben. Am 13. März hatte Kurz dann in einer Pressekonferenz erklärt, das Paznauntal und St. Anton seien ab sofort isoliert. Damit soll Kurz laut VSV eine völlig unkontrollierte Abreisewelle ausgelöst haben, bei der sich viele Urlauber infiziert haben sollen.