Niederösterreich
Fall Leonie: "Es ist falsch, keinen Mord anzuklagen"
Die gesamte Anklage im Fall Leonie zeigt die Brutalität der Tat. Anwalt Höllwarth findet es falsch, dass es keine Mordanklage gibt.
Erst wenige Tage ist die Tinte der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien im Fall Leonie (13) trocken, die 16-Seiten-Anklage zeigt die mutmaßliche Brutalität und herabwürdigend-achtlose Vorgangsweise der drei Verdächtigen (es gilt die Unschuldsvermutung) sowie die teils völlig lebensfremden Aussagen bzw. Rechtfertigungen der drei Männer (19, 20, 23) schonungslos auf.
Schreckliche Details
"Heute" hat die gesamte Anklage, den mehr als hundertseitigen Ermittlungsakt sowie ein knapp vierzigseitiges DNA-Gutachten durchleuchtet und bringt einige, teils schockierende Details (jene Details, die das Opfer entwürdigen würden, werden weggelassen) ans Licht.
Zwei Afghanen (23, 19) waren bereits 2015 nach Österreich gekommen, hatten in ihrer Heimat keine oder nur eine Grundschulausbildung. Beide sind bereits mehrfach vorbestraft, nur der jüngere der beiden Männer ging teilweise einer Beschäftigung nach. Beide lernten einander im Jahr 2017 in einer Kampfsportschule kennen. Der Ältere wohnte auch immer wieder in der Mini-Wohnung des 19-Jährigen in Wien-Floridsdorf, zum Beispiel als er aus einer Flüchtlingsunterkunft geworfen worden war.
Der dritte Afghane, der Leonies Freund und erst 16 Jahre alt gewesen sein will, in Wahrheit laut Expertisen mittlerweile 20 Jahre alt sein dürfte, soll erst im April 2021 über Serbien nach Österreich gekommen sein. Der vermeintliche Freund von Leonie lernte die anderen beiden Verdächtigen einige Wochen vor der Tat kennen. Mit Leonie kam er wenige Wochen vor dem gewaltsamen Tod der Schülerin aus Tulln an der Donau zufällig über Instagram in Kontakt.
"Freund" bedrängte Leonie
Leonie, die eine Sturm- und Drangzeit hatte und oft mit ihrer um zwei Jahre älteren Freundin in Wien unterwegs war, soll auf den 20-jährigen Afghanen immer wieder im Prater getroffen sein. Wiederholt soll der erst kürzlich nach Österreich ausgelieferte Afghane zudringlich geworden sein. Verständigt hat er sich laut Anklage mit Leonie auf Englisch oder via Übersetzer-App. Er soll ihr auch Geld geboten haben, sie an Brust und Hüfte berührt haben; sie soll ihn laut Anklage weggestoßen haben.
Den Abend des 25. Juni verbrachte die 13-Jährige mit ihrer besten Freundin (15) in Tulln, schrieb über das Handy der Freundin (Leonies Handy war kaputt bzw. hatte die Mutter es immer wieder einkassiert) einen 27-Jährigen an und bat diesen, sie nach Wien zu chauffieren. Leonie verabschiedete sich von ihrer Freundin und traf den 27-Jährigen kurz vor Mitternacht.
Brutale Vorgehensweise
Der Autoteileverkäufer brachte das Mädchen zum Donaukanal, Leonie verschwand in der Menge, traf auf den 20-Jährigen und 23-Jährigen (damals 18 Jahre und 22 Jahre) und bekam ein XTC. Nur die eine Tablette dürfte bei Leonie kaum eine Wirkung gezeigt haben. Gegen 2 Uhr früh ging Leonie mit zwei jungen Männern mit in die Wohnung nach Wien-Donaustadt; sie soll dort sieben XTC-Tabletten in einem Eistee untergejubelt bekommen haben. Das Mädchen kippte weg, soll mehrmals vergewaltigt worden sein. Wie brutal und herablassend mit Leonie umgegangen worden sein soll, untermauern mehrere Gutachten und das Verletzungsbild der 13-Jährigen.
Kleidung verkehrt
Als das Mädchen das Bewusstsein verloren hatte, stellten es die Männer unter die Dusche, flößten ihm Joghurt ein. Als das Trio schließlich bemerkte, dass Leonie nicht mehr zu retten war, zogen sie ihr hastig die Unterhose verkehrt an, sogar eine Sporthose der Afghanen drüber und legten den leblosen, eilig bekleideten Körper schließlich auf einem Grünstreifen unweit der Wohnung ab. Der 22-Jährige erkannte sofort den Ernst der Lage, packte eilig seine Sachen und bereitete die Flucht vor.
Erst dann riefen laut Anklage die anderen beiden Afghanen die Rettung (mit dem Notfalldisponenten sprach der 19-jährige Wohnungsinhaber, da der 20-Jährige kein Deutsch konnte) und gaben sich anfangs als Finder und Ersthelfer aus, um den Verdacht von sich zu lenken. Der 20-Jährige soll auch noch die Chat-Verläufe mit der Schülerin aus Tulln am Handy gelöscht haben.
"Hand bei Vergewaltigung gehalten"
In der Folge setzte sich der 23-Jährige abenteuerlich, in einem Flüchtlingsboot, nach England ab, die zwei anderen Verdächtigen wurden binnen kurzer Zeit gefasst. Die Verantwortung der Beschuldigten war laut Anklage großteils lebensfremd: Der 20-Jährige gab sich als 16-Jähriger aus und gab an, mit Leonie eine Beziehung geführt zu haben und am Tatabend selbst betäubt worden zu sein und sich nach einer Dusche an nichts mehr erinnern zu können. Der 19-jährige Wohnungsbesitzer gab zu Protokoll, bei der mutmaßlichen Vergewaltigung durch den 23-Jährigen lediglich Leonies Hand gehalten zu haben und Tränen im Gesicht des Opfers bemerkt zu haben.
Nach der Festnahme des 23-Jährigen in England und dessen Auslieferung nach Österreich, meinte der 23-Jährige: Leonie habe sich für 15 Minuten und den Betrag von 50 Euro prostituiert. Er sei danach eingeschlafen und erst wieder durch das Streitgespräch der anderen beiden Beschuldigten und den Wörtern "Du bist Schuld" wach geworden. Das Video habe er dann nur als Beweis gemacht, dass das Kind noch lebte und er mit dem Tod nichts zu tun habe. Das Video hatte der 23-Jährige übrigens über Monate am Smartphone.
Doch die Behörden arbeiteten wirklich ganz genau, die Kripo ermittelte lange, die Staatsanwaltschaft holte zudem ein Obduktionsgutachten, ein molekulargenetisches Gutachten, ein Faserspurengutachten (Anm.: zeigt den äußeren Druck auf Leonie, zahlreiche Textilfasern in Nase des Opfers) ein. Die Expertisen sollen die Angeklagten vor Gericht eindeutig überführen.
Zeugen über Leonie
Dass Leonie mit einer Beziehung noch warten wollte, geht übereinstimmend aus mehreren Zeugenaussagen hervor und führt die Behauptung der Freiwilligkeit ins Absurde. Bis auf die Schwester des 20-Jährigen weiß auch keiner aus Leonies Umfeld etwas davon, dass die 13-Jährige eine Beziehung mit dem Verdächtigen gehabt hätte. Und: Ein Verdächtiger vertraute sich nach der mutmaßlichen Tat einem Kumpel aus Syrien an – dieser packte dann als eine Art Kronzeuge bei der Polizei aus und half somit der Exekutive beträchtlich. Tatsache ist, dass sich die drei Angeklagten die Schuld gegenseitig in die Schuhe schieben.
Laut Anklage sollen die drei Beschuldigten nämlich bereits beim Betreten der kleinen Wohnung in Wien-Donaustadt beschlossen haben, Leonie unter Drogeneinfluss zu setzen und gemeinsam zu vergewaltigen. Den Tod sollen sie jedoch nicht geplant haben, dies bewahrte sie auch vor einer Mordanklage. Dennoch ist das Strafausmaß gleich hoch wie bei Mord: Bis zu lebenslanger Haft erwartet den Erstangeklagten (23). Die anderen beiden Beschuldigten waren bei der mutmaßlichen Tat erst 18 Jahre alt (oder älter, aber unter 21 Jahre, Anm.), sie haben vorm Schwurgericht eine Höchststrafe von bis zu 20 Jahre zu befürchten.
"Keine Mordanklage ist symbolisch falsch" - Opferanwalt Florian Höllwarth
Für Opferanwalt Florian Höllwarth ist keine Mordanklage dennoch falsch: "Es ist symbolisch falsch, da keinen Mord anzuklagen", so der Advokat, der mit Kollege Johannes Öhlböck nächsten Dienstag eine Pressekonferenz zum Fall Leonie geben wird.
Der Prozess wird vermutlich ab September stattfinden. Die Eltern von Leonie werden – wegen des Videos – einen Ausschluss der Öffentlichkeit begrüßen und via Florian Höllwarth beantragen. "Ich weiß noch nicht, ob ich den gesamten Prozess schaffe. Beim Urteil will ich aber dabei sein", so Mama Melanie P. (41) am Wochenende zu "Heute".
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