Politik

Expertin rät – Regierung soll sich bei uns entschuldige

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will Corona-Maßnahmen und Folgen aufarbeiten. Nun wird der Ruf nach einer Entschuldigung an die Bürger laut.

Rene Findenig
Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle und der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Armin Wolf.
Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle und der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Armin Wolf.
Screenshot ORF

"Nennen wir es beim Namen: Corona war für unsere Gesellschaft eine Art Trauma, das wir nun gemeinsam aufarbeiten sollten", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei seinem ungewöhnlichen Auftritt am Mittwoch. Dabei kündigte er einen "Dialogprozess", der die Parteien und die Gesellschaft wieder einen soll. Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle und der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka nahmen zu dieser Causa am späten Mittwochabend in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Armin Wolf Stellung. Tenor: Ein Aufarbeiten alleine werde nicht reichen.

Sollte die Regierung die Bevölkerung um Entschuldigung bitten? "Das würde ich empfehlen", so Stainer-Hämmerle, vor allem bei jenen, die heute noch an den Folgen der Pandemie leiden würden. Sie sagte aber auch: Eine Entschuldigung alleine sei nicht genug, es müsse auch deutliche Zeichen wie Verbesserungen im Gesundheitssystem und bessere Löhne geben. Wichtig sei, alles umfassend aufzuarbeiten, denn es "war eine Ausnahmesituation für alle Beteiligten", so Czypionka. Das Gesundheitssystem müsse auf mögliche künftige Krisen besser vorbereitet werden.

"Spaltung und Polarisierung", aber kein Bürgerkrieg

Der Gesundheitsökonom stellte der Regierung mit der Schulnote "3 bis 4" ein eher schlechtes Zeugnis aus. Man habe in der ersten Virus-Welle "stark begonnen", nachfolgende Maßnahmen seien aber entweder zu spät gekommen oder zu lange hingehalten worden, da sich viele Bürger einfach nicht mehr daran gehalten haben. Schwere Schnitzer seien zudem die generelle Impfpflicht und der Lockdown für Ungeimpfte gewesen, so Czypionka. Beim Ungeimpften-Lockdown müsse man sich fragen, ob nicht die bestehenden 3G-Regeln ausgereicht hätten.

Dass Corona Spuren hinterlassen habe, würden auch die deutlich schlechteren Bewertungen der Regierung durch die Bevölkerung und die katastrophalen Vertrauenswerte zeigen, so die Politologin. Ein "Trauma", wie es der Kanzler ortete, sah Stainer-Hämmerle jedoch nicht: Es gebe "Spaltung und Polarisierung", aber von "bürgerkriegsähnlichen Zuständen" seien wir weit entfernt. Und: Die Ansage, dass man die "Zügel" für Ungeimpfte "straffer" ziehen wolle, sei "nicht klug" gewesen. Auch deswegen, weil einerseits die Maßnahmen nicht mehr eingehalten wurden und andererseits Bund und Länder andere Regeln umsetzten.

"Angenehmer, selber das Heft in die Hand zu nehmen"

Dass der Kanzler eine Aufarbeitung ankündigte, sei aber ein schlauer Schritt: Wenn man die Wahl habe, "entweder selbst zu evaluieren oder evaluiert zu werden", dann sei es natürlich "angenehmer, selber das Heft in die Hand zu nehmen". Die Frage sei, wie ernsthaft es nun vorangetrieben werde, so die Politologin. Meine man es ernst, brauche es zahlreiche Maßnahmen wie ein neues Pandemiegesetz und eine künftig transparentere Kommunikation, aber auch ein Fehler-Eingeständnis. Das dürfe aber nicht darauf hinauslaufen, "Fehler auf andere abzuschieben oder zu relativieren".

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    Bundeskanzler Karl Nehammer rechnete am 15. Februar 2023 mit den Corona-Maßnahmen der letzten Jahre ab.
    Bundeskanzler Karl Nehammer rechnete am 15. Februar 2023 mit den Corona-Maßnahmen der letzten Jahre ab.
    Martin Juen / SEPA.Media / picturedesk.com
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