Politik

Profi zu VP-Skandal – "Kriegs- oder Bankrotterklärung"

Wieder ein falsch verschicktes Mail, wieder jede Menge Polit-Sprengstoff – jetzt hat auch die ÖVP ihren E-Mail-Skandal. Ein Experte analysiert.

Rene Findenig
Politikwissenschaftler Peter Filzmaier am späten Montagabend in der ORF-"ZIB2".
Politikwissenschaftler Peter Filzmaier am späten Montagabend in der ORF-"ZIB2".
Screenshot ORF

Erst schoss sich die SPÖ mit einer Sora-Panne politisch ins Knie, nun hat es auch die ÖVP erwischt. Aus der ÖVP ging angeblich irrtümlich ein Mail bei den NEOS ein, das politischen Sprengstoff birgt. Zusammengefasst liebäugelt die ÖVP darin mit einem neuen Untersuchungsausschuss, der auch und vor allem den grünen Koalitionspartner als Untersuchungs-Gegebnstand haben soll – und ob "öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden". Als Zeitraum ist der 11. Jänner 2007 bis 2. Oktober 2023 genannt.

Neben SPÖ und FPÖ sollen insbesondere auch grüne Regierungsmitglieder und Staatssekretäre überprüft werden, prominent genannt wird dabei Umweltministerin Leonore Gewessler. Politisch könnte dies einen Skandal und sogar Neuwahlen auslösen. Wohl der Brisanz des Vorfalls geschuldet, winkten am Montag ÖVP-Klubobmann August Wöginger,  ÖVP-Generalsekretär Chrstian Stocker und auch der ÖVP-Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss bei Einladungen in die "ZIB2" ab. Platz nahm deshalb schließlich Politikwissenschaftler Peter Filzmaier im Studio bei Moderator Martin Thür.

"Man setzt nicht einen U-Ausschuss ein, um gegen den eigenen Partner zu ermitteln"

"Streng formal" sei ein Ansinnen auf einen Untersuchungsausschuss ganz normale Parteiarbeit, so der Experte, politisch gesehen aber sicher nicht. Was ebenfalls kurios sei: "Vom Geist des Gesetzes" sei der U-Ausschuss für Oppositionsparteien gedacht, nicht für Regierungspartien, denn Sinn sei es ja, dass man politisches und strafrechtliches Fehlverhalten der Regierung untersuche. Der Vorteil der ÖVP sei aber, dass sie genug Abgeordnete habe, um das Thema bei einem U-Ausschuss bestimmen zu können. 

In den Raum stellte Filzmaier, dass sich der grüne Koalitionspartner von der ÖVP vor den Kopf gestoßen fühlen könnte – bis hin zu Neuwahlen. "Beim aktuellen Koalitionspartner ist es sicher nicht üblich", so Filzmaier, "man setzt nicht einen U-Ausschuss ein, um gegen den eigenen Partner zu ermitteln". Die Grünen könnten das entweder als "Kriegserklärung" oder als "Bankrotterklärung" verstehen, so der Experte – denn eigentlich sei die Vorgangsweise in einer Regierung ja, dass man den Koalitionspartner einfach frage, wenn man etwas wissen wolle.

Politik brauche neben Excel-Kursen auch Mail-Kurse

Einwerfen könne man auch, so Filzmaier, dass man sich mit einem immer noch nicht beschlossenen Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetz viel hätte ersparen können, und man könne der ÖVP auch vorwerfen, dass ihr das Ansinnen "extrem spät einfällt", denn der Untersuchungszeitraum liege sehr weit zurück. Und sei ein solcher U-Ausschuss überhaupt realistisch? Gesetzliche Vorgabe sei, dass ein klar abgegrenzter Untersuchungsgegenstand bestehen müsse, es gebe aber auch ein zeitliches Problem. Ein U-Ausschuss könne 14 Monate dauern und könne zweimal um je drei Monate verlängert werden, das gehe sich nicht einmal mit dem geplanten Wahltermin im Herbst 2024 aus, wenn es nicht vorher zu Neuwahlen komme, so Filzmaier.

Apropos Wahlen: An einem bis dahin vielleicht noch umgesetzten Klimaschutzgesetz und Informationsfreiheitsgesetz könne man die Regierung nun messen, ob man nur Dauerwahlkampf mache oder noch politisch gearbeitet werde. Bei zahlreichen unbesetzten Spitzenpositionen sei man sei geneigt zu glauben, dass man sich gegenseitig blockiere, weil kein Tauschgeschäft zustande komme, so Filzmaier. Brisante Nachsätze: Jetzt brauche die Politik anscheinend neben Excel-Kursen auch Mail-Kurse und das politische Image sei ruiniert worden, denn viele Menschen würden bereits mit "ein bisschen Diktatur" liebäugeln, das sei jedenfalls ein Alarmsignal.

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    Nach der peinlichen Sora-Blamage der SPÖ hat nun auch die ÖVP ihr E-Mail-Gate.
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    Helmut Graf