Politik
Experte sagt Regierung im ORF,wie ORF zu reparieren ist
Das ORF-Gesetz muss bis Frühling 2025 repariert werden, um politische Einflussnahme einzudämmen. ZDF-Rat Leonhard Dobusch nennt 3 wichtige Baustellen.
Der ORF-Pannen-Dschungel ist am Dienstag noch dichter gewuchert. Der Verfassungsgerichtshof hat Teile des ORF-Gesetzes als verfassungswidrig erklärt, nachdem Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil die politische Besetzung des Stiftungsrats kritisiert hatte. "Heute" berichtete:
Von dessen 35 Mitgliedern werden unter anderem neun von der Bundesregierung und neun von den Landesregierungen entsandt, dieser entscheidet wiederum über wichtige Posten wie den Generaldirektor, das Budget und den ORF-Beitrag. Die ÖVP hat deswegen derzeit mit ihrem "Freundeskreis" dort eine absolute Mehrheit.
„Die Bundesregierung nominiert derzeit neun Mitglieder des Stiftungsrats, während der Publikumsrat nur sechs Mitglieder bestellt. Es verstößt gegen das Pluralismusgebot des Rundfunk-BVG, wenn die Bundesregierung mehr Mitglieder bestellen kann als der Publikumsrat.“
Die Regierung stehe nun vor einer echten Reform-Chance, wenn sie sich denn darauf einlässt, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch am Mittwoch im ORF-Radio Ö1. Der gebürtige Linzer, der selbst viele Jahre Erfahrung als Fernseh- bzw. Verwaltungsrat des ZDF hat, ist der Meinung, dass sich Österreich in dieser Hinsicht von Deutschland ruhig eine Scheibe abschneiden könne.
Die Botschaft der Verfassungsrichter sei klar: "Die Konzentration des Einflusses in einem politischen Bereich, also im Bereich Bundesregierung und Bundeskanzler, das muss sich ändern." Gleichzeitig werde im Erkenntnis ebenso festgestellt, dass es "durchaus unbedenklich" sei, wenn neun Mitglieder durch die Bundesländer bestellt würden. Das sei aufgrund deren verschiedener politischen Färbung wieder genug Vielfalt.
Dobusch weiter: "Es wird darauf hinauslaufen, dass man weniger Nominierungsrechte des Bundeskanzlers, der Bundesregierung hat, und eben vielleicht mehr direktgesetzlich ermächtigte Entsenderorganisationen." Vielleicht, so hofft er, könne sich die türkis-grüne Koalition aber auch dazu durchringen, neue Wege zu beschreiten.
Drei wichtige Änderungen
Dabei denkt er etwa an eine Los-Auswahl beim Publikumsrat ähnlich jener für Schöffen im Justizbereich. Bei unseren deutschen Nachbarn könnte sich die Regierung laut dem Experten drei Dinge abschauen.
1) Eine klare Arbeitsteilung zwischen Publikumsrat und Stiftungsrat. Während Ersterer größer und mehr auf Repräsentation ausgerichtet werden könnte, könnte Letzterer verkleinert und arbeitsfähig für die "unmittelbare Aufsicht und Kontrolle" zuständig sein. Die Bundesländer wiederum könnten im Publikumsrat Vertreter nominieren, im Gegenzug dafür könne man das viel kritisierte Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der ORF-Landeschefs kübeln.
2) Für wichtige Entscheidungen wie die Wahl des Generaldirektors müsse vor allem im Stiftungsrat eine qualifizierte Mehrheit, also zwei Drittel der Stimmen, vorgesehen werden, "damit nicht eine Seite über die andere drüberfahren kann". Und...
3) Diese Abstimmungen müssten geheim erfolgen, um den politischen Druck auf einzelne Räte, in eine gewisse Richtung abzustimmen, zu reduzieren. Beides wird im ORF seit 20 Jahren nicht mehr so gehandhabt.
Neues Gesetz noch vor Wahl wahrscheinlich
Eine völlig Entpolitisierung der Gremien kann sich Dobusch aber nicht vorstellen. Das sei pragmatisch aussichtslos und auch nicht richtig, weil es Hinterzimmer-Deals und Einflussnahme noch befeuern würde.
Allzu lange kann sich die Regierung mit einer Neuregelung jetzt aber nicht mehr Zeit lassen, denn mit Ablauf des 31. März 2025 treten die verfassungswidrigen Passagen des ORF-Gesetzes außer Kraft. Angesichts der Nationalratswahl im Herbst 2024 und der wohl schwierigen Regierungsbildung könnte das noch interessant werden.
Dass ÖVP und Grüne diese Aufgabe der nächsten Regierung vererben werden, hält der Ökonom für unwahrscheinlich. Dafür sei der ORF und die Besetzung der Gremien zu wichtig. Denn: Keine der beiden Koalitionsparteien könne wissen, ob sie in der nächsten Legislaturperiode nicht (wieder) die Oppositionsbank drücken wird müssen.