Coronavirus

Experte gegen Maßnahmen für alle: "Krisenmodus beenden"

Der Epidemiologe Gerald Gartlehner sieht keine Notwendigkeit für Corona-Maßnahmen für die ganze Bevölkerung. An der Regierung übt der Experte Kritik. 

Tobias Kurakin
Epidemiologe Gerald Gartlehner von der Donau-Uni Krems
Epidemiologe Gerald Gartlehner von der Donau-Uni Krems
apa/picturedesk ("Heute"-Montage)

Die Coronazahlen sind wieder im Steigen und in Wien wurden bereits neue Maßnahmen verkündet, die die Ausbreitung des Virus wieder einschränken sollen. Der Epidemiologe Gerald Gartlehner appelliert dennoch an die Bundesregierung, den Covid-Krisenmodus zu beenden und nicht die gesamte Bevölkerung mit Maßnahmen zu belasten.

Sommerwelle steht vor der Tür 

Im Gespräch mit der "Kleinen Zeitung" stellt der Experte gleich zu Beginn klar, dass sich Österreich derzeit "am Beginn der Sommerwelle befindet". Grund für Panik sei das aber nicht. Es brauche nun eine kontrollierte Vorgangsweise, die nicht zwingend die ganze Bevölkerung treffen muss.

Gartlehner stimmt demnach Gesundheitsminister Johannes Rauch von den Grünen zu und meint, dass "wir mit dem Virus leben lernen müssen". Klar ist jedenfalls für ihn, dass das Virus uns weiter beschäftigen wird: "Es wird nicht weggehen, es wird uns immer wieder plagen". 

Man dürfe nun nicht den Fehler machen und nichts unternehmen, meint Gartlehner, der vorrangig appelliert, die Risikogruppen zu schützen. Dies würde zum einen mit Auffrischungsimpfungen funktionieren. Daten aus Israel würden zeigen, dass der vierte Stich bei der älteren Bevölkerung wichtig sei.

Medikament soll helfen 

Zum anderen "sollten wir Risikogruppen und Ältere motivieren, sich mit steigender Inzidenz wieder vermehrt zu testen, und zwar regelmäßig", so Gartlehner. Zudem würde das Medikament Paxlovid mittlerweile ebenfalls eine wirksame Waffe gegen das Virus sein, das schwere Verläufe zu verhindern weiß.

Diese Schutzmaßnahmen würden dazu führen, dass wir nicht wieder "Maßnahmen über die gesamte Bevölkerung verhängen müssen", sagt der Experte. Die Akzeptanz bundesweiter Reglementierungen sei ohnehin nicht mehr hoch. Zeitgleich meint Gartlehner jedoch, dass die Maskenpflicht in Öffis, wie sie derzeit in Wien gilt, sinnvoll ist.

Eine Wieder-Einführung der Maskenpflicht im Supermarkt dürfte hingegen einen "geringen Effekt" haben. "Man müsste begleitend ein Bündel an sonstigen, nicht pharmakologischen Maßnahmen, auch für kleinere Veranstaltungen einführen. Aber aufgrund der Lage in den Spitälern ist das eigentlich nicht rechtfertigbar", sagt Gartlehner.

Quarantäne-Aus

Der Experte spricht sich zudem für die Aufhebung der Quarantäne-Bestimmungen aus. Aus seiner Sicht sei diese Maßnahme, im Gegensatz zu Beginn der Pandemie, nun nicht mehr wirkungsvoll genug. Zudem würde derzeit in Österreich eine Variante kursieren, die den Schaden bereits anrichtet, bevor die infizierte Person abgesondert ist.

Eine Aufhebung der Isolation würde zudem viel Druck aus der Bevölkerung herausnehmen. Stattdessen sollen Verkehrsbeschränkungen eingeführt werden, die es den Menschen erlaubt, mit Maske arbeiten und einkaufen zu gehen. Von den Spitälern und Pflegeheimen sollen Infizierte zudem ausgeschlossen werden.

90 Prozent immun

Stetig steigende Infektionszahlen und der Impfschutz innerhalb der Bevölkerung haben die Immunität unter den Bürgerinnen und Bürgern ebenfalls ansteigen lassen. Eine ganz genaue Prognose sei zwar schwierig, Gartlehner geht jedoch davon aus, dass diese nun schon weit über 90 Prozent in Österreich liegt.

In der Verantwortung für künftige Maßnahmen und eine Strategie gegen das Virus sei jedoch nun die Regierung. Gartlehner meint dazu kritisch: "Die Strategie der Regierung ist mir nicht klar. Dass wir mit dem Virus leben lernen müssen, aus dem Krisenmodus rausmüssen, diese Ansicht teile ich. Dennoch bin ich der Meinung, man sollte dieses Virus diesen Sommer nicht einfach durchlaufen lassen und nur zuschauen, was passiert. Die vulnerablen Gruppen gehören geschützt, ansonsten laufen wir wirklich wieder Gefahr, sehenden Auges in überfüllte Stationen zu laufen".

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    ALEX WROBLEWSKI / AFP / picturedesk.com