Österreich
Experte: "Länder schüren Angst, um zu sparen"
Der "Heute"-Bericht über Herbert Velas (33), der keine Mindestsicherung bekommt, weil die Eltern Unterhalt für den Mann mit Behinderung zahlen sollen, sorgte für Wirbel.
Dieser Fall wurde von der "Heute"-Community heftig diskutiert: Herbert Velas (33) aus Kaltenleutgeben (Mödling) wartet seit über einem halben Jahr vergeblich auf den positiven Bescheid zum Erhalt seiner Mindestsicherung. Der Grund laut Behörde: Die Eltern seien unterhaltspflichtig – mehr dazu hier.
Diakonie-Vize: "Hier wird mehr behauptet, als geprüft"
Von solchen Fällen kann Martin Schenk, Vize-Direktor der Diakonie Österreich und Mitbegründer der Armutskonferenz, ein Lied singen. Er spricht von einem "Riesenproblem".
"Sozialämter fordern Antragsteller pauschal dazu auf, ihre Eltern bzw. volljährigen Kinder auf Unterhalt zu klagen. Auch dann, wenn es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit (noch) nicht erlangt worden bzw. verloren gegangen wäre. Was viele Betroffene nicht wissen: Zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern bestehen nur im Ausnahmefall tatsächlich auch Unterhaltspflichten", so der Sozial-Experte und FH-Lektor.
Manche Bundesländer verzichten auf Klagsforderung
Laut Schenk das Grundproblem: Der uneinheitliche Vollzug von Bezirk zu Bezirk (Anm.: Die Bezirksbehörde ist für positive bzw. negative Bescheide zur Mindestsicherung zuständig). Während die Bundesländer Wien, Vorarlberg oder Salzburg die Praxis, Unterhalt einzuklagen, nicht durchführen, ist das in Niederösterreich – wie der Fall von Familie Velas zeigt – sehr wohl so.
Angst schüren, um Geld zu sparen?
"Aus Angst, dass ihre Angehörigen belangt werden könnten, bringen viele Anspruchsberechtigten keinen Antrag ein. Die Sorge vor familiären Konflikten hilft den Bundesländern in einem Bereich zu sparen, in dem es für die Betroffenen um das bloße Überleben geht", ärgert sich Schenk über die mittlerweile gängige Praxis.
Die aus diesem Grund bei der letzten Armutskonferenz ausgearbeitete Forderung: Die massive Einschränkung der Unterhaltspflichten. Laut Armutskonferenz sei das Gesetz mit einem "modernen Sozialstaats-Verständnis" nicht vereinbar.
I. Nittner (nit)