Österreich
Ex-Ortschef in Affäre um Scheinwohnsitzer vor Gericht
Der ehemalige Bürgermeister von Ramsau (Lilienfeld) musste sich jetzt wegen Amtsmissbrauchs am Landesgericht St. Pölten verantworten.
Knapp vor dem Stichtag der Gemeinderatswahl 2015 (Anm.: 20. Oktober 2014) soll der damals amtierende Bürgermeister von Ramsau (Bezirk Lilienfeld), Raimund Reichel, um sich bei den Wahlen einen Stimmenvorteil zu erschwindeln, insgesamt zwölf Personen als Nebenwohnsitzer in der Gemeinde angemeldet haben – darunter seine erwachsenen Kinder, seine Mutter, aber auch Firmenbesitzer, die zwar ein Unternehmen, aber zu keinem Zeitpunkt einen Wohnsitz in dem 800-Seelen-Dorf hatten sowie deren Lebensgefährten. Weiters soll er in der Vergangenheit in Ramsau wohnhafte Bürger, die aber keinen aufrechten Wohnsitz mehr im Ort hatten, nicht aus der Wählerevidenz gestrichen haben.
Landes-VwGh ordnete bereits Streichung an
Auch das Landesverwaltungsgericht beschäftigte sich nach zahlreichen Anzeigen durch die örtliche Bürgerliste ("Heute" berichtete) mit der Causa, veranlasste die Streichung der betreffenden Personen, was aber nicht passiert sein soll.
Jetzt kam es zum Prozess am Landesgericht St. Pölten, wo Richter Slawomir Wiaderek dem 57-jährigen, hauptberuflichen Landwirt und Tischler, der jegliche Schuld bestritt, auf den Zahn fühlte.
Für seine Kinder und seine Mutter habe er ein Gästezimmer in seinem Haus, im Schnitt ein Mal pro Monat sei der bereits erwachsene Nachwuchs am Familien-Anwesen, was für ihn eine Nebenwohnsitz-Meldung rechtfertige, erklärte der Angeklagte. Dass die Meldungen kurz vor dem Wahl-Stichtag am Gemeindeamt eingingen, sei "Zufall".
Dass er den Betroffenen bereits vorausgefüllte Meldezettel auf den Tisch legte, wie es zwei der Unternehmer zu Protokoll gaben, bestreitet der Alt-Ortschef. Lediglich bei seinen Kindern und seiner Mutter habe er nach Absprache und Zustimmung für die Familie unterschrieben. Weitere Meldungen habe er aber nicht angeordnet.
Richter: "Optik nicht gut!"
"Es waren vier Unternehmer gemeinsam mit sieben Rumänen in einem Haus gemeldet. Wenn das so stimmt, wie es die Anklage sagt, ist die Optik nicht gut", so der Richter. Denn: Spätestens nach dem Spruch des Landesverwaltungsgerichtes hätte der Bürgermeister tätig werden müssen.
Der Angeklagte beteuert indes, an eine politische Verschwörung geglaubt und die Causa deshalb nicht Ernst genommen zu haben: "Die Bürgerliste hat so viele Anzeigen gemacht, die alle im Sand verlaufen sind."
Bei Vorlage der teils händisch ausgefüllten Meldezettel vor Gericht beteuert der Angeklagte: "Das ist nicht meine Schrift. Ich habe mit diesen Zetteln nichts zu tun!"
Seine Kinder, die beide als Zeugen geladen waren, stützten die Aussagen ihres Vaters, da sich am Montag aber drei weitere Zeugen entschuldigen ließen, wurde der Prozess vertagt.
Der Strafrahmen im Falle einer Verurteilung liegt bei ein bis zehn Jahren Haft. Es gilt die Unschuldsvermutung. (nit)