Vorbild für andere Städte?

Erste deutsche Stadt legalisiert das Schwarzfahren

Wer in Potsdam bei Berlin ohne Ticket Bus oder Bim fährt, hat künftig keine Anzeige mehr zu befürchten. Das sorgt im nahen Berlin für Aufregung.

Nick Wolfinger
Erste deutsche Stadt legalisiert das Schwarzfahren
In Potsdam haben Schwarzfahrer künftig keine Anzeige mehr zu befürchten
Getty Images/iStockphoto

Auf Antrag der "Linken" hat das Stadtparlament von Potsdam bei Berlin jetzt das Schwarzfahren entkriminalisiert. Zwar müssen Schwarzfahrer auch in Zukunft 60 Euro Strafe zahlen. Eine Anzeige bei der Polizei entfällt aber. Das Argument: Die Strafverfolgung von Schwarzfahrern treffe besonders arme Menschen. Es sei eine unnötige Belastung der Justiz, Menschen wegen einem fehlenden Fahrschein ins Gefängnis zu stecken.

Haft für Staat teurer als für Schwarzfahrer

Der Beschluss schlägt große Wellen in der nur 40 Kilometer entfernt liegenden, von einer schwarz-roten Koalition regierten Bundeshauptstadt Berlin. Dort sitzen zur Zeit 282 Menschen im Gefängnis, weil sie ihr Öffi-Ticket nicht bezahlt hatten. Deutschlandweit sind es sogar 7.000. Ein Häftling kostet den Staat 230 Euro am Tag, rechnet der Berliner SPD-Politiker Tino Schopf in der "taz" vor. Die "Strafe" kommt also die Steuerzahler teurer zu stehen als die Schwarzfahrer selbst.

Berlin verweist auf den Bund

Schopf findet es zwar gut, öffentlich darüber zu diskutieren, "ob es noch zeitgemäß ist, das Erschleichen von Leistungen als Straftat und nicht als Ordnungswidrigkeit zu verfolgen". Doch letztlich handle es sich beim "Erschleichungsparagrafen" um ein Bundesgesetz. Dieses zu "entschärfen" sei seiner Ansicht nach ausreichend. Von "kommunal begrenzten Einzellösungen" hält er wenig.

SPD und CDU warnen vor "Gerechtigkeitslücke"

Für die große Koalition (SPD und CDU) in Berlin ist das Vorgehen der brandenburgischen Hauptstadt daher keine Lösung. Der Berliner Justizsenat warnt vor einer "Gerechtigkeitslücke zwischen den zahlenden und nichtzahlenden Nutzern des Nahverkehrs." "Es würde eine falsche Signalwirkung entfalten, wenn diejenigen, die sich unsolidarisch verhalten, indem sie kein Ticket kaufen, künftig kaum Konsequenzen fürchten müssten", teilte der Senat der Deutschen Presse-Agentur mit.

Linksfraktion: Eine Frage der Gleichbehandlung

Der rechtspolitische Sprecher der Berliner Linksfraktion sieht das anders: „Es kann nicht sein, dass man für das Parken ohne Parkschein nur ein Knöllchen bekommt und für das Fahren ohne Fahrschein im Zweifel in den Knast muss, nur weil man arm, krank oder obdachlos ist." Schwarzfahren habe im Strafrecht genau so wenig zu suchen wie das Falschparken. Beides als Verwaltungsübertretung (bundesdeutsch: Ordnungswidrigkeit) zu behandeln, sei komplett ausreichend.

1/52
Gehe zur Galerie
    <strong>23.11.2024: Verschwunden! Rätsel um Goldschatz aus Wiener Villa</strong>. In einer alten Villa in Wien-Penzing sollen 30 Kilo Gold gefunden worden sein. <a data-li-document-ref="120073714" href="https://www.heute.at/s/verschwunden-raetsel-um-goldschatz-aus-wiener-villa-120073714">Plötzlich will niemand mehr wissen, wo das Edelmetall ist.</a>
    23.11.2024: Verschwunden! Rätsel um Goldschatz aus Wiener Villa. In einer alten Villa in Wien-Penzing sollen 30 Kilo Gold gefunden worden sein. Plötzlich will niemand mehr wissen, wo das Edelmetall ist.
    Leserreporter

    Auf den Punkt gebracht

    • Potsdam bei Berlin hat als erste deutsche Stadt das Schwarzfahren entkriminalisiert, was in Berlin für Aufregung sorgt
    • Obwohl Schwarzfahrer weiterhin 60 Euro Strafe zahlen müssen, entfällt die Anzeige bei der Polizei, da die Strafverfolgung arme Menschen besonders belastet
    • In Berlin wird jedoch vor einer "Gerechtigkeitslücke" gewarnt und die große Koalition sieht das Vorgehen der brandenburgischen Hauptstadt nicht als Lösung
    NW
    Akt.
    An der Unterhaltung teilnehmen