Science

Entdeckt – rätselhafte Hirnaktivität, wenn wir sterben

Menschen, die fast gestorben wären, berichten von ähnlichen Nahtoderfahrungen. Forscher zeigen, dass bei Sterbenden die Gehirnaktivität zunimmt.

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Heute weiß man, dass Nahtoderfahrungen allgemeine Merkmale haben, die bei Menschen in allen Kulturen, egal welchen Alters und Geschlechts auftreten – kombiniert mit ganz individuellen Erfahrungen.
Heute weiß man, dass Nahtoderfahrungen allgemeine Merkmale haben, die bei Menschen in allen Kulturen, egal welchen Alters und Geschlechts auftreten – kombiniert mit ganz individuellen Erfahrungen.
Getty Images/iStockphoto

Schweben über dem eigenen Körper, das Leben läuft wie in einem Film vor einem ab. Gefühle der Schwerelosigkeit, des Friedens, der Glückseligkeit spüre man. So schildern häufig Menschen, die fast gestorben wären, ihre Nahtoderfahrung (NDE). Es handelt sich dabei um subjektive Erfahrungen, dennoch ähneln sich diese Schilderungen unabhängig von der kulturellen Prägung der Betroffenen häufig sehr.

Laut International Association of Near Death Studies (IANDS) weiß man heute, dass Nahtoderfahrungen allgemeine Merkmale haben, die bei Menschen in allen Kulturen, egal welchen Alters und Geschlechts auftreten – kombiniert mit ganz individuellen Erfahrungen. Was genau diese Nahtoderfahrungen verursacht, ist bis heute nicht bekannt. Dabei gibt es verschiedene Erklärungsansätze, wie etwa Sauerstoffmangel, Kohlendioxidüberschuss, Wirkung von Medikamenten und Halluzination.

Gehirne von Koma-Patienten untersucht

"Kein körperliches oder psychologisches Modell allein erklärt alle gemeinsamen Merkmale von NDE", sagt etwa der amerikanische Psychiater Bruce Greyson, einer der führenden Forscher auf diesem Feld. Bereits vor Jahren stießen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University of Michigan in Tierversuchen auf ein eigenartiges Phänomen.

Bei Nagetieren stellten sie fest, dass das Gehirn bis zu 30 Sekunden nach dem Herzstillstand noch aktiv ist. Eine neue Studie veröffentlicht wurde, zeigt nun, dass dies auch bei sterbenden Menschen der Fall ist. Dafür haben die Forscher Gehirnaktivitäten von vier Patienten, die im Koma lagen, untersucht. Sie hatten keine Überlebenschancen und wurden von lebenserhaltenden Geräten in Absprache mit ihren Familien getrennt, während ihre Hirnaktivität kontinuierlich überwacht wurde. So stiegen die neuronalen Aktivitäten bei zwei der Patienten in Form von Gamma-Wellen kurz nach dem Abschalten der Beatmungsgeräte drastisch an. Es handelt sich dabei um die schnellsten Gehirnwellen, die mit hoher geistiger Aktivität und geistigen Spitzenleistungen in Verbindung gebracht werden.

Dreihundertfache Werte

Wie sich gemäß der Studie zeigt, hielt dieser Anstieg noch Sekunden an, auch als das Herz nicht mehr schlug. Bei einem Patienten stieg die Produktion von Gamma-Wellen während des Sterbeprozesses für kurze Zeit sogar auf das Dreihundertfache der vorherigen Werte an. Somit waren die Werte viel höher als bei Menschen, die bei vollem Bewusstsein waren.

Die erhöhte Gamma-Aktivität fand hauptsächlich in der hinteren Region des Gehirns statt, die unter anderem mit Träumen und veränderten Bewusstseinszuständen in Verbindung gebracht wird. Üblicherweise geht der Herzstillstand mit einem Verlust des Bewusstseins einher. Wie sich nun aber zeigt, deutet die erhöhte Hirnaktivität darauf hin, dass während des Sterbeprozesses tatsächlich ein verborgenes Bewusstsein aktiviert werden könnte.

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    privat, iStock

    "Eines der größten Rätsel der Neurowissenschaften"

    "Wir sind nicht in der Lage, die beobachteten neuronalen Signaturen des Bewusstseins mit einer entsprechenden Erfahrung bei denselben Patienten in dieser Studie zu korrelieren", sagt die an der Studie beteiligte Neurologin Nusha Mihaylova der University of Michigan. Gamma-Wellen könnten ein Hinweis sein, dass verschiedene Gehirnregionen zusammenarbeiten, um unterschiedliche Empfindungen in der bewussten Wahrnehmung eines Objekts zu kombinieren – zum Beispiel den Anblick, den Geruch und das Geräusch eines Autos, so die Wissenschaftlerin weiter. Wie das im Gehirn aber genau funktioniere, sei aber "eines der größten Rätsel der Neurowissenschaften".

    Doch es gibt auch Forscher, die die Studie kritisch sehen. So etwa der Nahtodforscher und Psychiater Bruce Greyson sowie der niederländische Kardiologe Pim van Lommel. In einem Papier, das sie auf den Seiten von IANDS veröffentlicht haben, schreiben sie, dass die Patienten in der Studie keinen Herzstillstand gehabt hätten, sondern von der mechanischen Beatmung abgekoppelt wurden. Demnach seien die elektrischen Aktivitäten im Gehirn gemessen worden, als bei den Patienten noch kein kompletter Herzstillstand laut EKG eingetreten war. Es sei somit fraglich, ob die elektrischen Aktivitäten im Gehirn, die in dieser Phase gemessen wurden, tatsächlich mit Bewusstseinsprozessen in Verbindung gebracht werden könnten.