"Heute"-Interview
Energie-Boss enthüllt: So real ist die Blackout-Gefahr
Strom-Boss Michael Strugl erläutert im "Heute"-Gespräch, warum das Netz anfälliger ist und was jeder daheim haben sollte.
"Man sieht es als immer Selbstverständlichkeit, dass rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche Strom da ist", sagt Michael Strugl, Chef des größten heimischen Stromkonzerns Verbund. Und Österreich ist mit einer Versorgungssicherheit von 99,9 Prozent sehr gut aufgestellt. Trotzdem scheinen Stromausfälle häufiger zu werden, die Sorgen vor einem tatsächlichen Blackout wachsen. 'Im "Heute"-Gespräch erläutert Strugl, was dahinter steckt.
Ist die Gefahr eines Blackouts realer als früher?
Es gibt ein geschärftes Bewusstsein für das Thema Blackout durch die Energiekrise. Und die Tatsache, dass wir immer mehr Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen integrieren müssen – also Wind- und Sonnenkraft – macht es schwieriger, für Stabilität zu sorgen. Netzengpässe kommen hinzu. Also: Es gibt mehr Problembewusstsein, aber auch mehr Potenzial für solche Störfälle.
Wann spricht man von einem Blackout und nicht mehr nur von einem Stromausfall?
Ein Blackout ist ein großflächiger Ausfall, betrifft also nicht nur ein kleines Versorgungsgebiet – sondern ein ganzes Bundesland oder halb Österreich – und dauert länger als einen Tag.
„Ich halte es für vernünftig, dem zu folgen, was Zivilschutzverbände empfehlen – nämlich gewisse Dinge daheim zu haben: allen voran Trinkwasservorräte.“
Sollten die Menschen auf ein Blackout vorbereitet sein, gewisse Dinge daheim horten?
Also ich persönlich halte nichts davon, Vorbereitungen zu treffen, um sich zu verbarrikadieren. Ich halte es für vernünftig, dem zu folgen, was Zivilschutzverbände empfehlen – nämlich gewisse Dinge daheim zu haben: allen voran Trinkwasservorräte. Auch über Kommunikationsmittel sollten wir nachdenken – Handys gehen nicht, wenn Stromversorgung der Masten unterbrochen ist.
Wie würde der Verbund im Falle eines Blackouts reagieren?
Wir haben engmaschige Sicherheitsnetze gegen Störfälle, üben das auch regelmäßig. Wir verfügen über schwarzstart-fähige Kraftwerke und sind in der Lage, das Netz relativ schnell wieder aufzubauen. Szenarien mit wochenlangem Ausfall der Stromversorgung sehen wir nicht. Es gibt einen Rahmen von 48 Stunden, um das Netz hochzufahren – in Übungen machen wir die Erfahrung, dass es deutlich schneller geht. Wir können nicht ausschließen, dass ein Blackout passiert – aber wir tun viel, um das Risiko zu minimieren. Wichtig ist: Versorgungssicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. Es gilt zu investieren in Leitungen sowie Kraftwerkskapazitäten, die auch als Reserve zur Verfügung stehen.
Rekord-Investitionen
Wie viel investieren Sie – in Versorgungssicherheit und in die Energiewende, also den zunehmenden Umstieg auf erneuerbare Energien?
Verbund investiert den nächsten zehn Jahren mehr als 15 Mrd. Euro, also über 1,5 Mrd. Euro pro Jahr. Allein in den nächsten drei Jahren investieren wir insgesamt 4,6 Mrd. – davon 1,7 Mrd. in die Netze, das ist mit Abstand der größte Brocken. An zweiter Stelle kommt mit 1,2 Mrd. Euro die Wasserkraft, der dritte Block mit 1,1 Mrd. Euro betrifft die erneuerbaren Energien. Wir sind diejenigen, die massiv in die Energiewende investieren.
„13,5 Jahre für eine neue Leitung – das geht nicht. Wenn wir die Klimaziele schaffen wollen, brauchen wir schnellere Genehmigungsverfahren.“
Was kann man sich unter Investitionen ins Netz vorstellen?
Wir bauen neue und verstärken bestehende Leitungen. Fast 1.000 Kilometer Netz werden wir ausbauen. Verbund ist mit der Tochter APG ja auch Betreiber des Stromnetzes in Österreich. Bisher sind wir von 3,5 bis 4 Mrd. Euro an Netzinvestitionen ausgegangen, nun werden es 9,1 Mrd. – also mehr als das Doppelte – in den nächsten zehn Jahren.
Infrastruktur-Investitionen sind mit langen Genehmigungsverfahren verbunden…
Ja, sie dauern definitiv zu lange. Die Bauzeit der Salzburg Leitung beträgt etwas mehr als fünf Jahre, die Genehmigungszeit betrug sechseinhalb Jahre. Inklusive Planung waren es 13,5 Jahre für eine neue Leitung. Das geht nicht. Wenn wir die Klimaziele schaffen wollen, brauchen wir schnellere Verfahren. Österreich will bis 2040 klimaneutral werden, in der E-Wirtschaft ist das übermorgen. Für alles, was wir 2030 brauchen, müssen wir die Planung jetzt starten. Bis 2040 ist noch etwas Zeit – aber nicht viel. Ohne Verfahrensbeschleunigung geht es nicht. Und auch nicht ohne die Flächen, die wir für die Erzeugung Erneuerbarer Energien brauchen.
„Es ist schmerzhaft, wenn eine gesamte Branche als Krisengewinner gebasht wird.“
Die Energiekonzerne sind zuletzt ziemlich in Verruf geraten – hohe Preise bescheren ihnen gigantische Gewinne, während die Menschen ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen können. Ist der Verbund ein Krisenprofiteur?
Es ist schmerzhaft, wenn eine gesamte Branche als Krisengewinner gebasht wird. Ja, die Unternehmen profitieren von höheren Preisen, denn dann sind auch die Gewinne höher. Aber alles, was wir erwirtschaften, investieren wir wieder. Das Verbund-Konzernergebnis für 2022 lag bei rund 1,8 Mrd. Euro. Wir zahlen Steuern, dann eine Dividende – von der run 80 % an Bund und Länder fließen. Alles, was danach übrig bleibt, wird reinvestiert. Nur mit diesen Investitionen können wir in absehbarer Zeit wieder zu Preisen kommen, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erhalten bleiben und die Haushalte nicht so belastet werden wie im Jahr 2022.
Werden die Strompreise wieder spürbar sinken?
Das günstige Vorkrisenniveau erreichen wir in absehbarer Zeit nicht mehr.