Experte zum Ukraine-Krieg

"Drohung von Trump zeigt bereits Wirkung"

Mit Trumps Sieg ist eine Einfrierung des Kriegs in der Ukraine denkbar geworden. Ein Experte ist vom diplomatischen Weg überzeugt.

"Drohung von Trump zeigt bereits Wirkung"
Dreier-Treffen in Paris: Der französische Präsident Emmanuel Macron als Gastgeber für Donald Trump und Wolodimir Selenski. (7. Dezember 2024)
Michel Euler / AP / picturedesk.com

Wladimir Putin eskaliert im Ukraine-Krieg immer weiter. Ende November ließ er eine völlig neue Hyperschall-Waffe vom Typ "Oreschnik" (dt. "Haselstrauch") auf die ukrainische Stadt Dnipro abfeuern. Dort schlug sie mit konventionellen Sprengköpfen ein, doch Putin machte klar: Die Mittelstreckenrakete mit bis zu 5.000 Kilometern Reichweite könne auch mit einem Atomsprengkopf bestückt werden.

Es war eine Machtdemonstration und gleichzeitig eine nukleare Drohung gegen die westlichen Unterstützer der Ukraine. Die russische Propaganda spielte es als Vergeltung auf die ukrainischen Angriffe auf russisches Kernland mit US-produzierten ATACMS-Kurzstreckenraketen (etwa 300 km Reichweite) und britisch-französischen Marschflugkörper (Storm Shadow/SCALP,  mehr als 250 km Reichweite) hoch.

Laut "New York Times" soll Putins Generalstabschef Waleri Gerasimov in einem Telefongespräch mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen, Charles Q. Brown Jr., aber zugegeben haben, dass der Waffentest bereits lange vor der US-Zusage für den ATACMS-Einsatz in der Region Kursk geplant gewesen sei.

"Von nun an weiß niemand, wie es weitergehen wird. Es gibt nur Empfehlungen dafür, keine Regeln", konstatierte Bundesheer-Oberst Markus Reisner in Folge. Er ist sicher, dass die derzeit zu beobachtende Eskalation einer rationalen und wohlüberlegten Logik folgt: "Der Ansatz ist unter Kontrolle und zeigt, dass sich beide Seiten an die Regeln halten." Er fügt an: "Im Moment sind die USA wieder am Zug. Der nächste Schritt Russlands wird von ihrem Verhalten abhängen."

Dort könnte es mit dem Amtsantritt von Donald Trump am 20. Jänner 2025 zu einem radikalen Umbruch in der bisherigen Vorgehensweise im Ukraine-Krieg geben. Aus dem Umfeld des künftigen US-Präsidenten wurden in den letzten Wochen Pläne laut, den Konflikt einzufrieren und eine entmilitarisierte, von EU-Truppen überwachte Zone zu schaffen.

"Weg, um weitere Eskalation zu verhindern"

Yannick Scheidegger glaubt, dass die Schweiz helfen kann, den Ukraine-Krieg durch diplomatische Mittel zu beenden. Er arbeitet beim Geneva Centre for Security Policy (GCSP) im Bereich Diplomatische Dialoge und ist überzeugt: Das Einfrieren des Konflikts könnte ein Weg sein, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Und die Schweiz könnte dabei eine Rolle spielen, sagt er in einem Interview mit dem Nachrichtenportal "20 Minuten":

Was ist unter einem "eingefrorenen Krieg" zu verstehen?

Yannick Scheidegger: Der Plan, den Trumps Sondergesandter für die Ukraine und Russland, Keith Kellogg, skizziert hat, sieht so aus: Die USA unterstützen die Ukraine weiterhin militärisch, um aus einer Position der Stärke heraus verhandeln zu können. Die Ukraine erhält Sicherheitsgarantien, dafür wird die NATO-Mitgliedschaft aufgeschoben und die Ukraine verzichtet vorläufig auf die Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete. Dann wird über einen Waffenstillstand und eine entmilitarisierte Zone verhandelt.

Wieso sollte die Ukraine dem zustimmen?

Weil sie auf die Unterstützung der USA angewiesen ist und der Krieg das Land extrem viel kostet – menschlich, aber auch wirtschaftlich.

Und Russland?

Weil auch Russland unter dem Krieg leidet. Die Kriegswirtschaft kommt ins Wanken, die Inflation liegt bei acht Prozent, die Zinsrate bei 21 Prozent. Russland kann diesen Krieg länger durchhalten, leidet jedoch ebenfalls darunter.

"Heute" berichtete bereits ausführlich:

Ist es realistisch, dass Russland plötzlich auf seine Kriegsziele wie die "Entnazifizierung" verzichtet?

Das Einfrieren des Krieges müsste wohl so gestaltet werden, dass Putin dies innenpolitisch als Erfolg verkaufen und sein Gesicht wahren kann. Dazu gehört, dass die Ukraine vorerst auf die Rückeroberung verzichtet. Diese Verhandlungen werden zwischen den USA, Russland und der Ukraine geführt.

Würde Putin den Waffenstillstand nicht einfach nutzen, um weitere Pläne gegen Europa zu schmieden? Erst am Donnerstag warnte Nato-Generalsekretär Mark Rutte, Putin könnte nach dem Rest Europas greifen.

Dieses Risiko besteht. Russland hat im November die größten Gebietsgewinne seit Beginn des Krieges verzeichnen können. Mit Trump bietet sich die Chance, das zu beenden.

Welche Rolle könnte die Schweiz dabei spielen?

Die Schweiz hat jahrzehntelange Erfahrung beim Überwachen von Demarkationslinien, wir tun das etwa seit 1953 zwischen Nord- und Südkorea. Und sie ist politisch und militärisch neutral und genießt für ihre guten Dienste viel Vertrauen.

Putin hat die Schweiz aber auf die Liste unfreundlicher Länder gesetzt. Würde er die Schweiz als Überwacherin des Waffenstillstandes akzeptieren?

Davon gehe ich aus. Wichtig ist zu sagen: Die Schweiz säße nicht am Verhandlungstisch für ein Friedensabkommen, der auf ein solches Einfrieren des Krieges folgen müsste. Unsere Aufgabe wäre, an der Demarkationslinie mit unserer Expertise im Bereich Konfliktmanagement dafür zu sorgen, dass der Waffenstillstand hält. Beispielsweise in Zusammenarbeit mit der OSZE. Dafür stellten wir auch keine Truppen, das müsste die EU tun.

Bilder: Putin setzt neue Superwaffe "Oreschnik" erstmals gegen Ukraine ein

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    Diese Videoaufnahmen sollen den ersten Einsatz von Russlands neuer Superwaffe, einer Hyperschallrakete namens "<a data-li-document-ref="120073921" href="https://www.heute.at/s/putin-prahlt-und-droht-mit-neuer-superwaffe-oreschnik-120073921">Oreschnik</a>" (dt. "Haselnuss"), in der Ukraine zeigen.
    Diese Videoaufnahmen sollen den ersten Einsatz von Russlands neuer Superwaffe, einer Hyperschallrakete namens "Oreschnik" (dt. "Haselnuss"), in der Ukraine zeigen.
    COME BACK ALIVE / AFP / picturedesk.com

    Die EU ist derzeit kaum in der Lage, die Ukraine ausreichend zu unterstützen, Deutschland und Frankreich kämpfen außerdem mit großen innenpolitischen Problemen. Wäre die EU dazu überhaupt in der Lage?

    Das müssen Militärexperten beurteilen, doch ich gehe davon aus. Hier zeigt die Drohung von Trump, sich aus diesem Konflikt zurückzuziehen, wenn das Einfrieren nicht gelingt, bereits Wirkung: Die europäischen Länder sind dabei, ihre Rüstungsindustrie auf Vordermann zu bringen, und erhöhen die Budgets. Das selbe ist während Trumps erster Amtszeit passiert.

    Was also müssen die Schweiz und Europa jetzt konkret tun?

    Die EU muss sich Gedanken machen, wie eine solche Friedenstruppe aussehen könnte. Es braucht ein entschlossenes und koordiniertes Vorgehen. Und die Schweiz muss sich darauf vorbereiten, die Überwachung des Waffenstillstandes in Zusammenarbeit mit anderen Staaten zu gewährleisten.

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      Andreas Tischler / Vienna Press, Denise Auer

      Auf den Punkt gebracht

      • Der Artikel diskutiert die Möglichkeit, dass die Schweiz eine wichtige Rolle bei der Beendigung des Ukraine-Kriegs durch diplomatische Mittel spielen könnte.
      • Yannick Scheidegger vom Geneva Centre for Security Policy betont, dass ein Einfrieren des Konflikts eine Eskalation verhindern könnte und die Schweiz aufgrund ihrer Neutralität und Erfahrung im Konfliktmanagement als Überwacherin eines Waffenstillstands fungieren könnte.
      20 Minuten, red
      Akt.