Politik
Doskozil sagt jetzt, wer SPÖ in die Wahl führen soll
Hans Peter Doskozil spricht im "Heute"-Weihnachtsinterview über SPÖ-Führungsdebatte, Asylkrise – und erklärt, warum er sein Gehalt kürzen will.
"Heute": Was ist ein Sozialdemokrat?
Hans Peter Doskozil: Was oder wer?
Beides.
Doskozil: Ich antworte mit einem Beispiel. Meine Eltern haben Ende der 70er-Jahre ein Haus gebaut, mein Vater war Schichtarbeiter. Sie haben, auf heute umgerechnet, 7.000 Euro Wohnbauförderung erhalten und es geschafft. Heute kann sich eine Familie das niemals leisten. Das geht sich nicht aus. Die Aufgabe der Sozialdemokratie ist es, dass die Grundbedürfnisse der Menschen, Gesundheitsversorgung, Bildung, Sicherheit, Erreichen von Wohlstand für alle, erreichbar sind, vor allem für jene, die arbeiten.
Was ist also ein moderner Sozialdemokrat?
Doskozil: Ein Partner der Bevölkerung.
Ist das die SPÖ derzeit?
Doskozil: Da haben wir Defizite.
Sind Sie ein Sozialdemokrat?
Doskozil: Ja, und unsere Landesorganisation hat im Verhältnis zur Bevölkerung die meisten Parteimitglieder, was auch bestätigt, dass wir auf die richtigen Themen setzen.
„Hans Peter Doskozil: "Leider ist die Flüchtlingssituation eine dramatische."“
Gerhard Zeiler, früher ORF-Chef und SPÖ-Mitglied, hat ihnen abgesprochen, ein Sozialdemokrat zu sein …
Doskozil: Es gibt in jeder Partei Menschen, die anderer Ansicht sind.
Aber er wäre fast SPÖ-Parteivorsitzender geworden.
Doskozil: Vielleicht hat es Gründe, dass er es nicht geworden ist.
Wollen Sie die SPÖ in die nächste Nationalratswahl führen?
Doskozil: Momentan ist es so, dass die FPÖ Wähler gewinnt. Sie muss nichts tun, sie kann zuschauen. In Wirklichkeit hat die Sozialdemokratie derzeit eine Riesenchance.
Mit Ihnen als Spitzenkandidaten?
Doskozil: Darum geht es gar nicht. Es muss zunächst eine Einigung über die Themen erzielt werden. Wer antritt, kommt erst danach.
Wie soll das gehen?
Doskozil: Wir brauchen ein gemeinsames Grundverständnis. Wie stehen wir zur Pflege? Wie zum Mindestlohn? Zum Asyl? Wie finanzieren wir die Spitäler? Wir müssen einen gemeinsamen Nenner finden.
„"Im Burgenland haben wir keine Alleinregierung. Wir sind in einer Koalition mit der Bevölkerung."“
Überraschend! Sie rufen zu Geschlossenheit auf?
Doskozil: Ja, ohne eine klare Einigung auf die Themen werden wir keinen Erfolg haben.
Wer ist wir?
Doskozil: Die Landesorganisationen. Ich habe der Parteivorsitzenden in Kärnten vorgeschlagen: Setzen wir uns doch zusammen! Das war vor eineinhalb Jahren.
Und?
Doskozil: Es gibt in der Partei immer wieder Gespräche.
Aber wann hatten Sie zuletzt mit Pamela Rendi-Wagner Kontakt?
Doskozil: Gesehen haben wir uns im Sommer in Mörbisch, geredet haben wir zuletzt in Kärnten vor eineinhalb Jahren.
Gehen Sie jetzt auf Rendi-Wagner zu und sagen noch einmal: Setzen wir uns doch zusammen!
Doskozil: Das kann ich tun, aber das habe ich schon in Kärnten gemacht.
Sie könnte das Angebot ja erneuern.
Doskozil: Ich glaube, sie hat es nicht vergessen.
Soll die Spitzenkandidatur in einer Kampfabstimmung entschieden werden?
Doskozil: Nein, die Partei braucht Geschlossenheit. Sonst wird man die Wahl nicht gewinnen.
Eines der Themen, das Ihre Partei regelmäßig spaltet, ist die Migrationsfrage. Gibt es ein Asylproblem?
Doskozil: Die Asylproblematik ist real, sonst hätten wir keine Zelte gebraucht, weil keine Quartiere mehr vorhanden sind. Es gibt mehr Aufgriffe als 2015. Und: Damals kamen quer durch alle Bevölkerungsschichten – also Kinder, Frauen, Familien oder ältere Menschen – die aus Syrien geflüchtet sind. Ohne werten zu wollen: Heute sind es zu einem sehr hohen Prozentsatz junge Männer. Das ist das Bild, das sich der Bevölkerung bietet, und daher ist die Flüchtlingssituation eine dramatische. Was die ÖVP daraus macht, ist leider das gleiche Muster wie 2015.
Was meinen Sie damit?
Doskozil: Die ÖVP schwächelt, dazu kommt ein ganz wichtiges Momentum: die Reaktivierung des ehemaligen Kanzlersprechers Fleischmann. Er hat 2015 schon die "Schließung der Balkanroute" für Sebastian Kurz erfunden und gepusht. Jetzt sitzt er plötzlich wieder an den Schalthebeln der Macht. Obwohl die österreichischen Beamten schon vor Wochen auf europäischer Ebene "Ja" zur Schengen-Erweiterung gesagt haben, stellt man sich dann aus politischen Gründen dagegen. Das ist auf jeden Fall ein Werk Fleischmanns, der die Thematik wieder in den Fokus rückt. Ich hoffe, dass ihm die Bevölkerung dabei nicht auf den Leim geht.
Sie meinen: Das Schengen-Veto ist Unsinn?
Doskozil: Man hätte Verfahrenszentren außerhalb von Europa zur Bedingung machen müssen. Richtung Türkei wäre das ideal gewesen. Dorthin zahlen wir ohnehin schon Milliarden. So hätten wir den Beginn der Verfahrenszentren gehabt, wo über Asyl entschieden wird. Ungarn wäre dabei.
Braucht es weiter Grenzkontrollen?
Doskozil: Ja, sonst würden wir gar nicht wissen, wer nach Österreich kommt.
Themenwechsel: Sie verdienen 18.800 Euro brutto, ihr steirischer Amtskollege Christopher Drexler sagt: Das ist Mittelstand.
Doskozil: Das ist ein Scherz, oder?
„"Ich kann die Untätigkeit der Bundesregierung nicht nachvollziehen."“
Leider nein, er hat das dem "profil" gesagt. Fakt ist: Politiker bekommen 2023 eine fette Gehaltserhöhung. Haben Sie die verdient? Das Vertrauen der Bevölkerung ist so niedrig wie noch nie.
Doskozil: Die Gehaltserhöhung wird im Burgenland nicht umgesetzt. Die Bundeslösung würde bei uns bedeuten, dass Mindestlohnbezieher im Landesdienst 183 Euro mehr bekommen und die höchsten Beamten rund 680 Euro. Die Lohnschere würde damit noch weiter auseinandergehen. Wir wollen alle Gehälter linear um 300 Euro erhöhen. Für Mindestlohnbezieher bedeutet die Erhöhung dann 12 Prozent – auf 2.000 Euro netto. Leider hat die Gewerkschaft noch nicht zugestimmt. Meine ideologische Überzeugung ist aber ganz klar. Denn dass ich in dieser Situation 900 Euro Gehaltserhöhung bekommen soll, der Mindestlohnbezieher aber nur 183 Euro, ist für mich völlig unverständlich.
Was würden Sie sich vom Bund hinsichtlich der massiven Teuerung erwarten?
Doskozil: Einen sozial gestaffelten Wärmepreisdeckel, weil sich der Bund bislang verweigert hat, der Bevölkerung eine Lösung anzubieten, mussten wir das im Burgenland selbst machen. Wir müssen dafür 40 Millionen Euro in die Hand nehmen und haben bislang als einziges Bundesland eine Lösung. Ich kann die Untätigkeit der Bundesregierung nicht nachvollziehen – es ist unverantwortlich gegenüber der Bevölkerung, das einfach auszusitzen und als Politiker dabei zuzusehen, wie die Teuerung Existenzen bedroht.
Eine persönliche Frage: Wie geht es Ihnen nach der fünften Kehlkopf-Operation gesundheitlich?
Doskozil: Ich bin sehr zufrieden, habe zwar eine raue Stimme, das Reden strengt mich aber nicht an. Es gibt viele Menschen, die gesundheitliche Probleme haben – sie alle müssen ihr tägliches Leben bestreiten und ihren Beitrag leisten.
Wie feiern Sie heuer Weihnachten?
Doskozil: Leider sind bis zum letzten Tag wieder Termine eingeplant. Am 23.12. muss ich schauen, dass wir irgendwo einen Christbaum daher kriegen – das ist meine Aufgabe. Zu essen gibt es Raclette, gluten- und laktosefrei – aber das plane nicht ich. Am 24.12. kommen vormittags meine Kinder und die Eltern, den Abend verbringe ich mit meiner Frau. Dann überlegen wir: Welche Verwandte dürfen wir besuchen und welche müssen wir besuchen? (lacht)
Kaufen Sie selbst Geschenke ein?
Doskozil: Nachdem ich jetzt verheiratet bin, kann ich mich in gewissen Punkten auch auf meine Frau verlassen.
Wir stellen die Frage jedes Jahr: Ihre Familienplanung…
Doskozil: … ist auch dieses Jahr bereits abgeschlossen.