Coronavirus

"Keine Planbarkeit" Bund hält neue Corona-Regeln geheim

"Mit uns wurde nicht gesprochen", sagt Hans Peter Doskozil über die neuen Corona-Maßnahmen. In "Heute" spricht er auch über die Flüchtlingssituation.

Heute Redaktion
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Hans Peter Doskozil im Interview mit <em>Heute.at</em>-Chef Clemens Oistric
Hans Peter Doskozil im Interview mit Heute.at-Chef Clemens Oistric
"Heute" (Archiv)

Exakt 453.267 Österreicher laborierten – Stand Montag – an einer Corona-Infektion. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz ruderte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Freitag nach den Öffnungen vom 5. März zurück und kündigte ein Comeback der Indoor-Maskenpflicht an. In "Heute" sagt nun Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil, dass das Burgenland – entgegen medialer Beteuerungen – in die Gespräche nicht eingebunden war. Auch eine entsprechende Verordnung kennt er noch nicht. Der SP-Grande spricht darüber hinaus über die Flüchtlingssituation, mangelnde Unterstützung vom Bund und die Teuerung. Der Talk:

"Heute": Herr Landeshauptmann, fast eine halbe Million Österreicher hat derzeit Corona. Einen Gipfel zwischen Bund und Ländern hat es seit Wochen nicht gegeben. Besteht kein Gesprächsbedarf?
Hans Peter Doskozil: Es gibt auf jeden Fall Gesprächsbedarf. Die Bundesregierung kommt aus der Spirale der unschlüssigen Covid-Regelungen nicht heraus, was dazu führt, dass das Vertrauen der Bevölkerung immer mehr verloren geht. Die Bundesregierung schafft es nach zwei Jahren Pandemie noch immer nicht, einen Fahrplan für die kommenden Monate festzulegen. Auch die Kommunikation mit den Bundesländern hat sich nicht gebessert, diese werden hauptsächlich dann einbezogen, wenn der Bund unpopuläre Entscheidungen nicht alleine treffen will.

"Mit dem Burgenland wurde nicht gesprochen. Uns liegt bis dato auch keine Verordnung vor."

Hat der Gesundheitsminister seine neuen Maßnahmen – Maskenpflicht und neue Quarantäneregeln – mit Ihnen abgestimmt?
Nein, der Gesundheitsminister sagte zwar bei der Pressekonferenz, dass es dazu eine Absprache mit den Ländern gab, mit dem Burgenland wurde aber nicht gesprochen.

Schon am Mittwoch soll die Indoor-Maskenpflicht in Kraft treten. 48 Stunden vorher weiß niemand, wie sie ausgestaltet sein soll. Man darf dann zum Beispiel weiter in Clubs feiern, wird dabei aber wohl Maske tragen müssen. Kennen Sie die Details, liegt Ihnen diese Verordnung vor?
Nein, sie liegt uns bis dato nicht vor. Wir lassen uns überraschen, leider gibt es aber auch im dritten Jahr der Pandemie keine Planbarkeit für die Bevölkerung.

Sie haben im Burgenland die höchste Impfquote Österreichs, andere Bundesländer stehen weit schlechter da. Am Sonntag gab es gerade einmal 53 Erststiche österreichweit. Taumeln wir in die nächste Welle im Herbst und was müsste dagegen unternommen werden?
Da der Bund, wie bereits angesprochen, hier keine Schritte gesetzt hat, erarbeiten wir im Burgenland aktuell eine transparente und nachvollziehbare Strategie. Mir ist wichtig, dass wir einerseits gut gerüstet in den Herbst kommen und andererseits nicht wieder alles über das Knie gebrochen wird. Die Burgenländerinnen und Burgenländer sollen jetzt schon wissen, welche Schritte nötig sind, um im Herbst nicht wieder unvorbereitet in die nächste Welle zu stolpern.

"Wenn akut Hilfe benötigt wird, waren die Burgenländer immer da."

Sie sind in der Vergangenheit mit einer harten Migrationslinie aufgefallen, nun holen Sie Kriegsflüchtlinge selbst aus der Ukraine ab. Wie kommt der Schwenk?
Das Burgenland hat in der Ungarn-Krise 1956, beim Fall des Eisernen Vorhangs 1991, bei den Jugoslawienkriegen in den 90er-Jahren und auch 2015 einen außerordentlichen Beitrag geleistet. Wenn es um die Flüchtlingsquote geht, gehören wir immer zu jenen Bundesländern mit den höchsten Anteilen. Ich sehe hier also keinen Schwenk, im Gegenteil, wenn akut Hilfe benötigt wird, waren die Burgenländerinnen und Burgenländer immer da.

Aber Herr Landeshauptmann, ich erinnere mich an mehrere "Heute"-Interviews, in denen Sie die Zuwanderungspolitik hart kritisiert haben.
Was ich kritisiert habe ist, dass von den ÖVP-geführten Bundesregierungen keine ernsthaften Bemühungen ausgingen, um die Situation nachhaltig zu verbessern, auch wenn das auf populistische Art immer wieder behauptet wurde, die Balkanroute sei geschlossen.

"Ich trete nach wie vor für Abwicklung der Asylverfahren außerhalb der EU ein."

Wo liegen denn die Probleme?
Die Verfahren dauern viel zu lange, das steht auch einer Integration im Wege. Ebenso wurde nichts getan, um das Geschäft der illegalen Schlepper endlich zu stoppen. Alleine in den letzten Monaten kam es an der burgenländischen Grenze immer wieder zu gefährlichen Zwischenfällen mit Schleppern, bei einem Fall wurde sogar das Feuer auf österreichische Soldaten eröffnet. Deshalb trete ich nach wie vor dafür ein, durch Abwicklung der Asylverfahren außerhalb der EU einerseits ein rascheres Asylverfahren zu gewährleisten und andererseits Schleppern endlich das Handwerk zu legen.

Wie viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind aktuell im Burgenland untergebracht?
Alleine durch die vom Land Burgenland organisierte Aktion "Burgenland hilft" konnten innerhalb einer Woche 625 Menschen in Sicherheit gebracht werden. Wir organisieren auch die Unterbringung jener Vertriebenen, die selbstständig ins Burgenland geflüchtet sind und eine Unterkunft suchen.

"Wir haben sichergestellt, dass einer sofortigen Aufnahme in Kindergarten und Schule nichts im Wege steht."

Wie klappt hier die Integration – etwa in Schulen?
Wir organisieren momentan sowohl für Kinder als auch für Erwachsene Sprachkurse, um die sprachliche Integration zu erleichtern. Wir haben außerdem sichergestellt, dass einer sofortigen Aufnahme in Kindergarten und Schule nichts im Wege steht. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der die Integration erleichtert, ist, dass wir die Vertriebenen hauptsächlich in privaten Unterkünften unterbringen, wodurch der Kontakt zu der burgenländischen Bevölkerung ständig aufrecht ist und eine Integration in die kommunale Gemeinschaft um ein Vielfaches erleichtert wird.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung?
Derzeit bewältigen wir gemeinsam mit den burgenländischen Gemeinden, Hilfsorganisationen, Betrieben und Erwachsenenbildungseinrichtungen den Großteil der Aufgaben. Die Burgenländerinnen und Burgenländer haben jedoch durch ihre Hilfsbereitschaft den allergrößten Beitrag geleistet – sowohl was die Zurverfügungstellung von Unterkünften als auch die Bereitschaft zum Spenden betrifft. Mit dem Bund gab es auf Ministerebene dazu lediglich eine Sitzung vor mehreren Wochen.

Ein anderes Thema noch: Die Menschen leiden unter der massiven Teuerung. Die Regierung stellte am Wochenende ein Entlastungspaket vor. Ist es vorstellbar, dass Sie im Burgenland besonders belastete Menschen darüber hinaus unterstützen?
Wir werden am Mittwoch einen Sozialfonds vorstellen, der für einen Lastenausgleich zwischen den großen Alternativstromproduzenten und den von der Preisexplosion besonders betroffenen Menschen herstellen soll.

Sie haben zuletzt eine Verfassungsklage gegen Vollspaltböden angekündigt. Warum braucht es eine derart drastische Maßnahme?
Es hat sich gezeigt, dass auch trotz der Regierungsbeteiligung der Grünen noch immer keine Maßnahmen gegen diese von vielen Tierschützern zurecht kritisierte Form der Tierhaltung absehbar waren. Wir sehen hier einen klaren Widerspruch zu dem in der Verfassung verankerten Tierschutz. Mittlerweile zeigt sich, dass schon alleine das Einbringen dieser Klage zu viel Bewegung auf Bundesebene gesorgt hat.

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