Tierschützer vor WM entsetzt
Saalbach – DIESE Tiere wurden "für Ski-Spaß geopfert"
Umbauarbeiten an Rennstrecken greifen massiv in Lebensräume von Tieren ein. Für die WM in Saalbach mussten hunderte Amphibien ihre Wohnorte verlassen.
Von 4. bis 16. Februar finden in Saalbach-Hinterglemm die alpinen Skiweltmeisterschaften statt. Für optimale Rennstrecken wurden deshalb im vergangenen Sommer Hänge verändert: Hunderte Frösche, Salamander und andere Tiere mussten dafür aufwendig umgesiedelt werden.
Seltene Amphibien mussten weichen
Wenn der Internationale Skiverband (FIS) für eine WM Rennstrecken abnimmt, muss auf zahlreiche Vorgaben geachtet werden: Am Zwölferkogel etwa musste für die Herrenabfahrt bereits im Sommer die Piste adaptiert werden: Eine Erhebung barg zu viel Sturzrisiko.
Tiere verlieren ihren Lebensraum
Für die Damenabfahrt musste hingegen eine andere Strecke verbreitert werden. Konkret heißt das: Wiesenflächen und Hänge müssen mit schwerem Gerät abgetragen oder aufgeschüttet werden – Tiere verlieren so ihren Lebensraum.
In Bergregionen wie jenen in Salzburg ist dies ohne geeignete Schutzmaßnahmen besonders fatal, da hier mitunter äußerst seltene Amphibienarten leben.
Artenschutz "geopfert" für Ski-Spaß
"Der Artenschutz ist ohnehin schon in einer kritischen Situation und darf nicht für ein paar Stunden Skispaß geopfert werden – das ist unverantwortlich!", so Alexios Wiklund vom Österreichischen Tierschutzverein auf "Heute"-Anfrage.
Amphibien wie Frösche und Salamander seien "nicht nur faszinierende Lebewesen, sondern auch unverzichtbare Bestandteile unseres Ökosystems. Der Österreichische Tierschutzverein fordert ein Umdenken – denn was wir heute zerstören, können wir morgen nicht mehr zurückholen".
EU verlangt Ersatzlebensräume
Seit 1992 ist immerhin die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union in Kraft. Aus dieser geht hervor, dass Ersatzlebensräume geschaffen werden müssen, wenn der natürliche Lebensraum verloren geht – und das im gleichen Ausmaß.
Außerdem gibt es stark bedrohte Tierarten, bei denen sogar jedes einzelne Individuum unter Schutz steht.
Alle Amphibien in Österreich bedroht
Wer etwa einen streng geschützten Alpensalamander tötet oder einfängt, macht sich damit strafbar. Doch generell sind alle Amphibienarten in Österreich bereits mehr oder weniger bedroht, erklärt der Biologe und Herpetologe Werner Krupitz in ORF.at.
"Genaue Bestandszahlen sind bei Amphibien generell schwer zu schätzen. Wir sehen jedoch jedes Jahr, dass selbst die Bestände der bei uns am häufigsten vorkommenden Arten wie der Erdkröte oder dem Grasfrosch immer noch rückläufig sind", so Krupitz.
Monatelange Übersiedelung
Mit der Amphibienrettung sowie der Erschaffung von Ersatzlebensräumen werden Experten wie Werner Krupitz beauftragt. In Saalbach-Hinterglemm begann er bereits 2023 – vor der Umgestaltung der betroffenen Hänge – mit der Errichtung von sogenannten Fangfeldern.
Frösche mit Kübeln gefangen
Auf einer Fläche von einigen tausend Quadratmetern wurden Sperrzäune errichtet, die Amphibien nicht überwinden können. "Wenn sie dann an so eine Begrenzung stoßen, laufen sie an ihnen entlang, da sie einen Ausweg suchen. In den Ecken dieser Flächen haben wir Kübel vergraben – in diese fallen sie dann irgendwann hinein", erklärt Krupitz.
1.300 Amphibien mussten Herren-Abfahrtspiste weichen
Täglich müssen diese Auffangbehältnisse kontrolliert werden, da zum Beispiel Frösche im heißen Sommer schnell austrocknen und sterben können. Erst wenn zwei Wochen lang keine Amphibien mehr im Eimer landen, gilt ein Gebiet als "abgesiedelt".
Bei dem Hangabschnitt, der für die Herrenabfahrt umgestaltet wurde, lautete die Ausbeute: 46 Alpensalamander, 248 Bergmolche, 524 Grasfrösche, 240 Erdkröten und 214 Bergeidechsen.
„Eine Aussetzung der Tiere wäre ein Tötung durch die Hintertür.“
Tiere können nicht überall leben
Nicht nur das Einsammeln, auch die Wiederansiedlung der Amphibien ist mitunter ein beachtlicher Aufwand, denn sie können nicht einfach in bestehenden Lebensräumen ausgesetzt werden, so Krupitz.
Eine Aussetzung der Tiere "wäre eine Tötung durch die Hintertür, da solche Gebiete ja bereits voll besetzt sein könnten, das heißt, es gäbe dann insgesamt ein zu geringes Nahrungsangebot, beziehungsweise zu wenige Verstecke", warnt Krupitz.
Mensch muss Lebensraum schaffen
Ein geeigneter Lebensraum muss durch Menschenhand geschaffen werden. Müssen Laichtümpel ersetzt werden, kann das aufwendig werden, im Falle von Eidechsen und Salamandern reicht es oft, wenn kahle Flächen durch Steine oder Wurzelstämme zu attraktiven neuen Behausungen für die neuen Bewohner umgewandelt werden.
Rückläufige Zahlen
Krupitz erlebt oft, dass ein derartiger Aufwand als maßlos übertrieben angesehen wird. Tatsächlich reichen diese enormen Bemühungen jedoch angesichts der dramatisch rückläufigen Amphibienzahlen in Österreich offenbar noch immer nicht aus.
Verlust von Lebensräumen oft "schleichend"
Der Biologe wünscht sich, dass mehr Böschungen und Straßengräben naturbelassen und nicht "jedes bisschen Wiese geometrisch penibel begradigt" werden würde. "Kleinräumiger Verlust geht oft schleichend", so der Biologe.
"Dort etwas ein bisschen geradegerichtet, woanders eine Böschung dreimal statt einmal gemäht – und schon gehen kleinräumige Lebensräume verloren."
Ökosysteme werden immer ärmer
Irgendwann können Tiere nicht mehr wandern, da der Verbund fehlt und sie verschwinden. Und wieder ist das ganze Ökosystem um ein Glied ärmer geworden. Und ich möchte nicht, dass uns das in ein paar Jahrzehnten auf den Kopf fällt."
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Auf den Punkt gebracht
- Für die Ski-WM in Saalbach-Hinterglemm mussten hunderte Amphibien wie Frösche und Salamander aufwendig umgesiedelt werden, da die Umbauarbeiten an den Rennstrecken massiv in ihre Lebensräume eingriffen.
- Trotz der Bemühungen, Ersatzlebensräume zu schaffen, sind die Amphibienbestände in Österreich weiterhin rückläufig, was Tierschützer und Experten wie Werner Krupitz alarmiert.