Über Brandmauern …

Demokratisches Ergebnis kann nie ein schwarzer Tag sein

Ein Land macht blau – aber was machen jetzt ÖVP und VdB? Eine Brandmauer um den Gewinner heißt, eine Brandmauer um ein Drittel der Wähler zu bauen.

Clemens Oistric
Demokratisches Ergebnis kann nie ein schwarzer Tag sein
Herbert Kickl führte die FPÖ zu einem neuen Rekord-Ergebnis. Wie geht es jetzt in der heimischen Innenpolitik weiter?
REUTERS

Am Wahlabend wirkte es so, als hätte die erstarkte FPÖ die anderen Parteien am falschen Fuß erwischt – dabei haben die Umfragen der letzten Monate ein recht präzises Bild davon gezeichnet, wie das Land aktuell tickt.

Statt Lehren aus der großen Unzufriedenheit zu ziehen, haben sowohl ÖVP als auch SPÖ die in Medien publizierten Umfragen angezweifelt und stattdessen auf Bauchgefühl oder Claqueure in den sozialen Medien gesetzt.

Endlich Dauerthema Migration lösen

"Bitter", "nicht erwartet", "ein besseres Ergebnis wäre uns lieber gewesen" – die Parteichefs gaben sich zerknirscht. Das Machtwort der Österreicher scheinen sie noch nicht in der gebotenen Deutlichkeit verinnerlicht zu haben.

Als "schwarzen Tag für die Demokratie" bezeichnete ein SPÖ-Manager, der gerade das schlechteste Ergebnis in der Partei-Geschichte wortreich verteidigt hatte, das Votum der Österreicher.

Nein, das Ergebnis freier Wahlen kann nie ein "schwarzer Tag" sein. Wer sich als Brandmauer gegen die FPÖ aufschwingt, läuft Gefahr, eine Brandmauer um fast ein Drittel der Wähler zu errichten – Menschen, die einst SPÖ oder ÖVP gewählt haben und sich endlich Lösungen beim Dauer­thema Migration erwarten.

Links-Kurs der SPÖ ohne Erfolg

Und jetzt? Das Experiment, die SPÖ mit Babler scharf links zu positionieren, darf als gescheitert bezeichnet werden. Dennoch werden die Roten mangels Alternative mit ihm in Verhandlungen ziehen. Babler wird mit seinem Programm (32-Stunden-Woche, neue Steuern, Migration) in Regierungsverhandlungen für ÖVP (und Neos?) eine Dauerprovokation mit sehr ungewissem Ausgang und hohem Risiko für alle Beteiligten sein. Außerdem dient Babler in der ÖVP vielen als gutes Argument, es am Ende doch noch mit der FPÖ zu versuchen.

Die Grünen werden wohl in der Opposition renaturiert, die Neos könnten als Farbtupfer in einer "Verlierer-Koalition" aufgehen.

Beauftragt VdB Kickl?

Zwei Fragen bleiben: Wie agiert Van der Bellen auf Kickls hohen Sieg? Und: Geht die ÖVP (schon jetzt zweistelliges Minus) mit Blick nach Deutschland das Wagnis Ampel ein oder will da vielleicht doch noch eine/r mit Kickl blau-dern? Vielleicht jemand, der in einem schwarz-blauen Bundesland die Mehrheit halten konnte …?

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