Österreich
Das offenbart Natascha Kampusch im neuen Buch
Das einstige Entführungsopfer schreibt in seinem dritten Werk über Hass im Netz, die FPÖ, Pornos, Armin Wolf und Online-Dating. "Heute.at" hat es gelesen.
Bei beinahe jeder öffentlichen Äußerung muss sich Natascha Kampusch auf Anfeindungen im Netz einstellen. Und genau darüber hat die 31-Jährige nun ein Buch geschrieben – "Cyberneider. Diskriminierung im Internet" (Dachbuch Verlag).
"Heute.at" hat es gelesen und verrät, was Kampusch über die Zeit nach der Befreiung aus dem Kellerverlies, Internet-Pornos, Online-Dating und den "Influencer" Armin Wolf schreibt.
Wieso sie in die Medien ging
"Von mir aus soll jeder posten was er möchte", so Kampusch in ihrem dritten Werk nach "10 Jahre Freiheit" und "3096 Tage". Sie schickt hinterher, "sofern es nicht illegal oder menschenverachtend ist". Doch Kampusch muss sich immer wieder mit genau solchen Postings auseinander setzen.
Sie sei bereits als "habgierig, mediengeil, verlogen oder fresssüchtig" beschimpft worden. "Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass jemand, der eines meiner Interviews sieht oder liest, ein solches Bild von mir bekommt." Ihr öffentliches Bild sei vielmehr von anderen geprägt worden. Und das begann unmittelbar nach der Befreiung aus der Gefangenschaft am 23. August 2006.
Nachdem Polizeistellen und das Krankenhaus von den Medien regelrecht belagert worden waren, habe sie sich entschieden, selbst den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen, um die wilden Spekulationen zu unterbinden: "Heute bin ich mir sicher, es wäre alles noch viel schlimmer gekommen, hätte ich mich nicht selbst in die Berichterstattung eingebracht."
"Kritiker verstehen mich nicht"
Nach und nach flammte damals eine Neiddebatte auf. Neben den Kosten für die Ermittlungen der Polizei in den Fall fürchteten manche Kritiker, Kampusch könne finanzielle Unterstützung vom Staat erhalten. Diese gab es allerdings nicht, wie sie schreibt. Lediglich für den Schulabschluss habe sie Lehrkräfte zur Vorbereitung auf die Prüfungen zur Seite gestellt bekommen.
Kritikern wirft sie vor, sie nicht verstanden zu haben. Denn der Tag der Befreiung sei der Beginn eines neuen Lebens gewesen: "Sie sehen mich lächeln und kommen gar nicht auf die Idee, dass ich mich, gerade weil ich so viel Schreckliches durchgemacht habe, so freue, auf der Welt zu sein und meine Freiheit zu genießen."
"Großer Rückhalt"
Kampusch versucht zu ergründen, was es mit den Hassnachrichten gegen ihre Person auf sich hat, und kommt zu einem Schluss. Nämlich dass sie gar kein Interesse an einem sachlichen Konsens hätten: "Die meisten halten eisern an ihrer zusammengebastelten Meinung fest und teilen diese von Zeit zu Zeit der Öffentlichkeit mit, je nachdem, ob irgendwo ein Artikel oder ein Interview von mir erscheint."
Die diskriminierenden Kommentare seien aber nur ein kleiner Teil. "Ich erhalte großen Rückhalt durch so viele Menschen, die es gut mit mir meinen, sodass mich die paar wenigen Grantler nicht aus der Bahn werfen können."
Neben ihren persönlichen Erfahrungen räumt Kampusch vor allem einem Überblick über verschiedene Netz-Phänomene viel Raum ein – vom Online-Gaming über Influencer bis hin zu sozialen Netzwerken.
Kampusch über ...
Armin Wolf
Die Autorin zählt den "gut informierten" ORF-Anchorman dank seiner großen Reichweite auf Twitter und Facebook zur Kategorie der "Influencer". Die "prägende Figur" der Medienlandschaft mache es "einem auch nicht immer leicht, ihn zu mögen".
Online-Dating
Mit Tinder und Co. kann Kampusch nichts anfangen. Bei einem Match würden einem doch sowieso nur die Bilder des anderen gefallen: "Mir ist das zu oberflächlich, aber bitte, das soll jeder für sich so halten wie er möchte."
Internet-Pornos
Pornografie ist für die 31-Jährige "Sexismus in Reinform". "Ich denke, dass Pornografie uns Frauen erniedrigt, indem wir als Objekte dargestellt werden. Die Rolle des Mannes ist in der Regel die des Starken, der Macht über das vermeintlich schwache Geschlecht ausübt." Die Jugend könne einen falschen Eindruck von Sexualität bekommen.
Die FPÖ
"Seit Jörg Haider die FPÖ zur Anti-Ausländerpartei schlechthin machte", produziere die Partei "gezielt Hassinhalte über neue wie alte Medien, wobei vor allem Migranten und Parteigegner diffamiert werden".
Wahlkampf der ÖVP
Im Nationalratswahlkampf beklagte die ÖVP wiederholt "Schmutzkübel"-Attacken gegen den Parteichef Sebastian Kurz und thematisierte selbst Anfeindungen, die andernfalls kaum eine so große Aufmerksamkeit erfahren hätten. Kampusch: "Wenn die ÖVP das Thema Cybermobbing tatsächlich dafür missbraucht haben sollte, um Sebastian Kurz erneut zum Kanzler zu machen, wäre das wirklich beschämend und letztklassig."
Das Fazit
In einem Ausblick fordert Kampusch Politik und Online-Konzerne zum Handeln auf. Sie spricht sich für eine internationale Rechtsgrundlage aus, "die an unsere weltlichen Regeln gebunden ist und nicht an irgendwelche firmen- oder parteipolitischen Interessen".