Seit dem Auftauchen des Coronavirus im Januar 2020 werden Kritiker nicht müde, PCR-Tests und damit auch die beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung und Bekämpfung des Virus zu diskreditieren. Um ihre Thesen zu stützen, ziehen sie gerne Dokumente von offiziellen Stellen heran – auch wenn diese ganz etwas anderes besagen. Jüngstes Beispiel: eine Mitteilung der WHO vom 20. Jänner 2021.
Auf einschlägigen Seiten und in den sozialen Medien wird diese als Beweis dafür angeführt, dass die Weltgesundheitsorganisation ihren Fehler eingesteht. Worin dieser liegen soll, variiert allerdings von Nachricht zu Nachricht.
Viele Behauptungen, keine Grundlage
Die einen behaupten, die WHO würde damit zugeben, dass die PCR-Tests viele falsch-positive Ergebnisse produzierten, weshalb die Zahl der von den Gesundheitsbehörden gemeldeten Covid-19-Fälle drastisch überhöht sei. Andere sehen das Schreiben als Beleg dafür, dass die Kriterien für ein positives Testergebnis geändert worden seien oder dass sie nichts über eine Infektion aussagen. Wieder andere lesen daraus, dass die PCR-Tests nicht bei symptomlosen Menschen eingesetzt werden dürfen. Oder sogar, dass asymptomatische Personen niemanden anstecken können.
Wahr ist allerdings keine der genannten Behauptungen. Es kommen noch nicht einmal alle in der WHO-Mitteilung vor, etwa der letzte Punkt, der zudem erst kürzlich durch eine Studie der US-Gesundheitsbehörde CDC widerlegt wurde. Laut dieser gehen fast 60 Prozent aller Ansteckungen von asymptomatischen Corona-Infizierten aus. Zudem gibt es mehrere Berichte von Corona-Clustern, die auf Personen ohne Symptome zurückgehen.
Darum geht es im WHO-Schreiben wirklich
Doch was hat es mit dem Schreiben auf sich, dass Coronaskeptiker für ihre Zwecke zu nutzen versuchen? "Die WHO sagt an keiner Stelle, dass PCR-Tests für Covid-19 fehlerhaft sind", stellt Mediensprecher Andrei Muchnik klar. Bei der Mitteilung handele es sich vielmehr um einen an Laborfachleute gerichteten Hinweis, der aus dem Zusammenhang gerissen worden sei – oder wie Ian Mackay, Virologe und außerordentlicher Professor an der University of Queensland in Australien sagt, ein Hinweis, der "mit böser Absicht oder mit zu wenig Verständnis für das Thema genommen und zu etwas völlig Falschem [aufgebauscht] wurde."
Tatsächlich habe die Weltgesundheitsorganisation mit der Mitteilung auf die zehn Berichte reagiert, die sie "seit Anfang 2020 über Probleme im Zusammenhang mit PCR-Tests für den Nachweis von Sars-CoV-2 erhalten" hat, erklärt Muchnik. Dabei sei es sowohl um falsch-positive als auch um falsch-negative Ergebnisse gegangen, welche – das hätten nun eingehende Untersuchungen der WHO bestätigt – einzig auf eine nicht immer sachgemäße und in Übereinstimmungen mit den Gebrauchsanweisungen der Hersteller erfolgte Verwendung zurückzuführen seien. Die Probleme "traten insbesondere dann auf, wenn die Labormitarbeiter nicht den empfohlenen Ct-Wert (siehe Box) anwandten."
Darauf habe die WHO erstmals am 14. Dezember 2020 hingewiesen und Anleitung für die korrekte Anwendung gegeben, so Muchnik. Bei dem Schreiben vom 20. Jänner 2021 handele es sich um eine Neuauflage mit einigen sprachlichen Anpassungen, eigentlich "um eine größere Klarheit zu gewährleisten." Wenn man die viral gehenden Fehldeutungen der Meldung anschaut, scheint der Plan allerdings nicht aufgegangen zu sein.
Der Ct-Wert
Ct steht für "cycle treshold", zu Deutsch Zyklus-Schwelle. Der so bezeichnete Wert gibt an, wie viele Zyklen eine PCR-Probe durchlaufen muss, bis man eine relevante Menge an Viruserbgut nachweisen kann. Ist der Wert gering – das heißt, das Genmaterial ist schon nach kurzer Zeit nachweisbar –, ist die Viruslast hoch und der Patient infektiöser, als wenn die Probe einen hohen Ct-Wert aufweist. Bei Sars-CoV-2 spricht man bei einem Ct-Wert von mehr als 30 davon, dass die Infektiosität in der Regel gering bis vernachlässigbar ist.
Wird ein niedrigerer Ct-Wert angewendet, kann das zu falsch-negativen Ergebnissen führen. Ist der Schwellenwert dagegen zu hoch angesetzt, können falsch-positive Resultate die Folge sein. Richtig angewendet, kommt das nur sehr selten vor, wie Epidemiologe Gideon Meyerowitz-Katz von der University of Wollongong in Australien festhält: "Die meisten positiven Coronavirus-Tests sind echte Positive."
Bekannteste Fehlannahme bei PCR-Tests
Falsch ist auch die Behauptung, PCR-Tests würden nichts über eine Infektion aussagen: Zwar können die das Virus an sich nicht nachweisen, aber sie geben Auskunft darüber, ob im Abstrichmaterial Viruserbgut vorhanden ist. Ist es das, liegt eine Infektion vor. Das zeigt ein Blick in das medizinische Lexikon "Psychrembel".
Darin wird eine Infektion als das "Eindringen von pathogenen Mikroorganismen, wie Bakterien oder Viren, in einen Organismus mit anschließender Besiedelung und Vermehrung" definiert, die leicht, mild oder schwer verlaufen kann. Zwar ist es möglich, dass ein Virus nachgewiesen wird, das sich noch nicht vermehrt hat, aber dann würde "das Resultat höchstens schwach positiv" ausfallen, erklärt Jürg Boni, Leiter der Abteilung Diagnostik und Entwicklung am Institut für Medizinische Virologie der Universität Zürich. In einem solch seltenen Fall müsste das Testergebnis überprüft werden – "durch eine nochmalige Analyse der Probe oder einen weiteren Test an der betreffenden Person". Zudem würden schwach positive Resultate nicht als positive in der Statistik auftauchen. Es würden nur solche gemeldet, "die eindeutig positiv sind".
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