Science
Das sagt die "Mutter der mRNA" zu Impfskeptikern
14 Auszeichnungen hat die Biochemikerin Katalin Karikó im Jahr 2021 schon bekommen. Die 15. hat sie nun in Bern erstmals persönlich entgegengenommen.
Die Covid-19-Impfstoffe, die in der Schweiz zur Anwendung kommen, funktionieren mit sogenannter Boten- oder mRNA. Maßgeblich entwickelt hat die Technologie die ungarische Biochemikerin Katalin Karikó. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Drew Weissman gelang es ihr, RNA-Moleküle so zu verändern, dass diese von der menschlichen Immunabwehr nicht mehr zerstört wurden. Nur dadurch wurden die mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 möglich. Denn bis zu diesem Zeitpunkt galt die Technologie als für die Arznei- und Impfstoffentwicklung ungeeignet.
Für diese Leistung wurde Karikó nun in Bern die Reichstein-Medaille, die höchste Auszeichnung der Schweizerischen Akademie der Pharmazeutischen Wissenschaften (SAPhW), überreicht. "Ohne ihre jahrzehntelange Forschung stünden wir in der Pandemie nicht da, wo wir jetzt stehen", so SAPhW-Präsident Gerrit Borchard bei der feierlichen Übergabe in Bern. Egal, wie viel Gegenwind ihr entgegen blies: Karikó habe nie aufgegeben, auch nicht, wenn sie auf Widerstand stiess. «Meine Studenten nennen sie nicht ohne Grund ‹Badass der Forschung›.»
Katalin Karikós Leistung
Schon früh widmete sich die Ungarin der Erforschung von Ribonukleinsäure (RNA), zunächst noch in ihrem Heimatland Ungarn, ab 1985 in den USA. Die RNA, ein Biomolekül, sorgt in unseren Zellen als Boten-RNA (mRNA) dafür, dass genetische Information der DNA in Proteine umgewandelt wird. Im Jahr 1989 erkannte Karikó schließlich, dass man mit künstlich hergestellter mRNA Krankheiten behandeln könnte, und begann, gezielt an der Entwicklung von Medikamenten auf mRNA-Basis zu forschen. Nach mehreren Rückschlägen gelang es ihr schliesslich, die viralen RNA-Moleküle durch Veränderung eines der vier Bausteine so zu modifizieren, dass sie in menschlichen Zellen nicht mehr von der Immunabwehr zerstört werden. Dies trotz aller Hürden, die ihr der Wissenschaftsbetrieb in den Weg stellte. Seit 2013 ist die gebürtige Ungarin Senior-Vizepräsidentin beim deutschen Biotechnologieunternehmen Biontech, wo sie auch das mRNA-basierte Proteinersatzprogramm leitet. Aktuell erforscht sie, wie auch andere Erkrankungen, wie die genetisch bedingte Hautkrankheit Epidermolysis bullosa, mittels mRNA therapiert werden könnte.
Leben für die mRNA
Dass Karikó, die bereits als Kandidatin für den Chemie-Nobelpreis gehandelt wird, einmal mit viel Begeisterung in die Forschung gehen würde, zeichnete sich schon früh ab: Schon als kleines Kind stand sie daneben, wenn ihr Vater, ein Metzger, Schweine schlachtete. Später kletterte sie nicht zum Spaß auf Bäume, sondern um sich Vogelnester aus der Nähe anzuschauen. In der Schule war sie im Fach Biologie so gut, dass sie einen landesweiten Preis verliehen bekam.
Ihr Forscherinnen-Leben widmete sie dann ganz der Erforschung der mRNA. Karikó verfolgte bei ihrer Arbeit immer ein Ziel: "Ich wollte mRNA für therapeutische Zwecke entwickeln, etwa für die Behandlung von Schlaganfällen." Gut 40 Jahre setzte sie alles daran. Dass das erste mRNA-Mittel auf dem Markt ein Impfstoff gegen ein pandemisches Virus sein würde, ahnte sie während all der Zeit nicht.
"Kann es nicht vorhersehen"
Karikó wurmt es, dass einige Menschen behaupten, die mRNA-Impfstoffe seien viel zu schnell entwickelt worden und damit gefährlich. Schließlich kenne man mRNA seit dem Jahr 1961. Seither sei viel dazu geforscht worden und das nicht nur von ihr. "1993 erschien erstmals eine Studie, in der mRNA in einem Impfstoff verwendet wurde", so Karikó. Außerdem sei die Technologie schon lange vor Covid-19 an Menschen getestet worden. "Deshalb waren wir uns vergangenes Jahr ziemlich sicher, dass es mit dem Impfstoff gegen Covid-19 klappt."
„"Eine Infektion verläuft unkontrolliert. Es kann gut rauskommen oder auch nicht."“
Heute ist klar: Karikó und ihre Kollegen lagen richtig. Viele Millionen Menschen weltweit sind bereits mit den mRNA-Impfstoffen von Moderna oder Biontech/Pfizer geimpft. Karikó selbst ist eine davon. Sie hat sogar schon die dritte Dosis erhalten. Die Biochemikerin empfiehlt allen, sich ebenfalls impfen zu lassen, denn: "Eine Infektion verläuft unkontrolliert. Es kann gut rauskommen oder auch nicht." Niemand könne sicher ausschließen, vor einem schweren Verlauf gefeit zu sein. Sie verweist auf ihre Tochter, damals im siebten Monat schwanger, und deren Ehemann. "Beide infizierten sich als sie noch nicht geimpft waren und beide wurden richtig krank und litten". Und das, obwohl beide sehr athletisch seien und ihre Tochter sogar zweifache Olympiasiegerin und fünffache Weltmeisterin im Rudern ist. "Man kann es wirklich nicht vorhersehen."
Karikó verrät in Bern noch etwas: "Die Reichstein-Medaille ist die erste Auszeichnung, die ich persönlich in Empfang nehme. Die anderen 14 habe ich via Zoom überreicht bekommen." Damit ist ihr Besuch in Bern und ihr Vortrag am Inselspital auch eine Ehre für die Schweiz.