Ukraine
Das passiert, wenn Putin Kriegsrecht verhängt
Beobachter rechnen damit, dass Putin bald das Kriegsrecht verhängt. Für die Russen hätte das fatale Folgen. Militärökonom Marcus Keupp weiß, welche.
Bereits vor einer Woche kursierte das Gerücht, dass Wladimir Putin in Russland bald das Kriegsrecht verhängen könnte. Medienberichten und Experten zufolge, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis es so weit ist. Marcus Keupp, Dozent für Militärökonomie an der Militärakademie der ETH Zürich, erklärt im Interview mit dem Schweizer Nachrichtenportal "20 Minuten" die massive Tragweite dieser Entscheidung Putins:
"Das Land wird zu einem totalitären Unterdrückungsstaat werden, wie damals die Sowjetunion", so die düstere Prognose des Experten. Nachdem das Kriegsrecht ausgerufen wurde, habe der Staat das Recht, privates Eigentum zu beschlagnahmen. Die Polizei erhalte unbeschränkte Vollmachten, Menschen anzuhalten und festzunehmen. Damit wäre es Putin noch effektiver möglich, etwaige Proteste gegen den Krieg zu unterdrücken.
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Der Staat könne auch die Grenzen schließen und Russen die Ausreise untersagen, Ausländer interniert werden. Und: Der russische Staat könnte harte Kapitalverkehrskontrollen einführen und den Zugriff auf die privaten Bankguthaben einschränken. Im Extremfall könnten Banken auch verstaatlicht werden. Die Bevölkerung würde als "Entschädigung" dann weitgehend wertlose staatliche Schuldscheine in Rubel erhalten. "Große Teile der russischen Zivilbevölkerung würden verarmen", erklärt Keupp.
Rechtfertigung
Laut dem Experten habe der Westen Putin nun eine Steilvorlage für die Verhängung des Kriegsrechts geliefert. Der Machthaber habe jetzt eine scheinbare Rechtfertigung, da das Gesetz besage, dass das Kriegsrecht ausgerufen werden darf, wenn Russland von einem Gegner gewaltsam angegriffen wird. Der russische Präsident könnte behaupten, dass der Westen Russland den "totalen Wirtschaftskrieg" erklärte und sich sein Land nun verteidigen müssen.
"Er braucht eine Geschichte und da passt der Westen als Aggressor gut ins Narrativ. Putin würde niemals zugeben, dass die Russen mit der Ukraine im Krieg sind", sagt der ETH-Dozent.
"Das wären sowjetische Verhältnisse"
Dann wird es für die Russen aber noch schlimmer: Es käme zu einer Versorgungskrise, zuerst bei den Konsumgütern wie Smartphones, Kleidung oder Elektronik. Bereits heute gibt es Schilder in russischen Supermärkten, die besagen, dass nur noch eine bestimmte Anzahl an Dingen gekauft werden darf.
Irgendwann werde auch die Nahrungsmittelversorgung betroffen sein. Die Agrarproduktion brauche Technik, und abgesehen von der Rohstoffproduktion und der Rüstung sei die russische Industrie auf westliche Technologie und Ersatzteile angewiesen.
"Der Staat würde nach etwa einem Jahr damit beginnen, Nahrungsmittel zu subventionieren. Das wären dann sowjetische Verhältnisse", zieht Keupp erschütternde Bilanz. Er ist sich sicher: "Das 'moderne Russland', so wie wir es heute kennen, ist bereits Geschichte. Davon müssen wir uns verabschieden."