Politik

"Das ist eine soziale Katastrophe, was da abgeht!"

Die Teuerung macht den Österreichern zu schaffen. In der ZIB2 debattierten Monika Köppl-Turyna und Helene Schuberth notwendige Gegenmaßnahmen.

Roman Palman
Die Volkswirtin und Gewerkschafterin <strong>Helene Schuberth</strong>&nbsp;(l.) und die Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, <strong>Monika Köppl-Turyna</strong> (r.), waren am 8. Mai zu Gast bei <strong>Armin Wolf</strong> in der ZIB2.
Die Volkswirtin und Gewerkschafterin Helene Schuberth (l.) und die Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, Monika Köppl-Turyna (r.), waren am 8. Mai zu Gast bei Armin Wolf in der ZIB2.
Screenshot ORF

Der von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) – er staunte kürzlich darüber, was Otto-Normal-Bürger ein Einkauf so kostet –  initiierte Lebensmittelgipfel ist ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Eigentlich wollte man Maßnahmen gegen die Teuerung auf Schiene bringen, stattdessen gab es für die von der Teuerung gebeutelte Bevölkerung absolut gar nichts.

Statt Ergebnissen soll es nun weitere Beratungen zu den hohen Lebensmittelpreisen geben. Die Opposition lief ob dieses türkis-grünen "Nicht Genügend" sofort Sturm:

Expertinnen in der ZIB2

In der ZIB2 Montagnacht waren der ergebnislose Lebensmittelgipfel und die Teuerung dann auch die bestimmenden Themen. Live zu Gast ins Studio hatte Moderator Armin Wolf die Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, Monika Köppl-Turyna, und die Volkswirtin und Gewerkschafterin Helene Schuberth zum Streitgespräch geladen.

Die Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, <strong>Monika Köppl-Turyna</strong>, und <strong>Armin Wolf</strong> in der ZIB2.
Die Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, Monika Köppl-Turyna, und Armin Wolf in der ZIB2.
Screenshot ORF

Köppl-Turyna machte den Anfang mit einer Absage an eine oft geforderte Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Für sie sind die Lebensmittelpreise bei der Bekämpfung der Inflation gar nicht so entscheidend. "Ein Deckel würde nicht viel bringen", erklärte sie. Das sehe man auch in Spanien, wo das bereits umgesetzt wurde, der inflationsdämpfende Effekt aber (noch) nicht eingetreten sei.

Schuberth findet sich im gegensätzlichen Lager. Sie beklagt, dass sich mehr als eine halbe Million Österreicher nicht angemessen ernähren könnten, und fordert eine Mehrwertsteuersenkung als "temporäre Maßnahme" bis die Inflation zurückgegangen ist. Das sei "relativ zielgerichtet", weil Nahrungsmittel in Relation zum verfügbaren Einkommen im unteren Einkommensbereich einen größeren Anteil ausmachen würde. 

"Man muss sofort reagieren" – Helene Schuberth

Armin Wolfs Nachhaken, dass davon auch "wir drei" profitieren würden, wischt die Gewerkschafterin vom Studiotisch: "Es gibt die optimale Maßnahme generell nicht. Aber die Teuerung ist bis weit in die Mitte der Gesellschaft angekommen. Ich glaube, man muss sofort reagieren und das wäre eine Maßnahme, die schnell bei den Menschen ankommen würde."

Volkswirtin und Gewerkschafterin <strong>Helene Schuberth</strong> in der ZIB2.
Volkswirtin und Gewerkschafterin Helene Schuberth in der ZIB2.
Screenshot ORF

"Gierflation" stoppen

Derweil zweifelt die EcoAustria-Direktorin auf der anderen Seite an, dass eine solche Steuersenkung in einem so zentralisierten Markt wie Österreich – die meisten Supermärkte gehören zu einer von vier großen Handelsketten – auch an die Kunden weitergegeben würden. 

Beide sprechen sich für eine Transparenzdatenbank für Lebensmittelpreise aus. Schuberth hofft so, kontrollieren zu können, ob die Kunden auch von sinkenden Preisen profitieren würden. So hofft sie die "Gierflation", also künstlich überhöhte Preise durch Industrie oder Handel, zu bändigen. "Wenn es nicht gelingt, diese Gewinn-Preis-Spirale zu durchbrechen, wird Inflation auf hohem Niveau bleiben."

Die Daten sollen demnach die gesamte Wertschöpfungskette – weil nicht klar sei, wo genau der Gewinn abgezweigt werde – umfassen, allerdings anonymisiert und nicht öffentlich nur einer Anti-Teuerungskommission übermitteln. 

Preis-Transparenz gefordert

Köppl-Turyna warnt in diesem Zusammenhang aber vor einem Teufel im Detail: "Wenn dies nur die niedrigsten Preise sein sollen, das werden dann die Eigenmarken sein, dann werden die vielleicht durch andere Produkte querfinanziert", fürchtet sie. Der Handel könnte also eine solche beschränkte Datenbank leicht austricksen. Und, so fügte Schuberth hinzu, würde der Handel damit das Problem Richtung der Konsumenten abschieben und diese auf die Suche nach dem immer billigsten Produkt schicken.

Die Wirtschaftsforscherin sieht die hohe Inflation grundsätzlich nachfragegetrieben. "Ich würde dem Kanzler empfehlen, nicht nur die Lebensmittelpreise im Auge zu behalten, sondern auch die Banken". Eine Zinsweitergabe hier an die Konsumenten sieht die Expertin als weiteren wichtigen Ansatzpunkt. Es müsse Geld, das in Folge des starken Wirtschaftswachstums nach Corona und der gestiegenen Löhne, im System sei, wieder entzogen werden, um die Nachfrage zu senken. Weil diese immer noch hoch sei, würden die Preise weiter steigen.

Die Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, <strong>Monika Köppl-Turyna</strong>, in der ZIB2.
Die Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, Monika Köppl-Turyna, in der ZIB2.
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"Eine soziale Katastrophe, was da abgeht"

Einig sind sich beide Expertinnen dabei, dass die Regierung vor allem jetzt treffsichere Sozialpolitik betreiben. Köppl-Turyna: "Niedrigeinkommen unterstützen und sonst zurückhalten mit öffentlichen Vergaben, Gebühren. Solche Sachen müssen nicht steigen. Langsam dafür sorgen, dass die Nachfrage zurückgeht." Es müsse ein Mittelweg aus zwei Zielen gefunden werden. Menschen dürften nicht in Armut absteigen, gleichzeitig die Inflation bekämpft werden.

Schuberths eine Wunschmaßnahme: "Ich würde jetzt sofort die Richtwertmieten aussetzen. Das bringt wirklich viel. Das ist eine soziale Katastrophe, was da abgeht. Ich verstehe das überhaupt nicht, es kostet keinen öffentlichen Cent hier eine Grenze einzuziehen. Das Gros der Mieteinnahmen fließt in das oberste Einkommen, das oberste Vermögen."

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