Wien
Corona-Streit: Lehrerin von Mutter ins Spital geprügelt
Ein rauer Wind schlägt Wiens Lehrern schon länger entgegen. Jetzt verschärft Corona die Situation weiter, wie ein aktueller Fall aus Wien zeigt.
"Besonders schlimm ist es zur Zeit im Bereich der Volksschule und der Sonderpädagogik. Da lösen sehr viele das Dienstverhältnis auf, gehen in andere Bundesländer oder verlassen den Beruf", so Thomas Krebs, Vorsitzender der Gewerkschaft Pflichtschullehrerinnen Wien, zu "Heute". Im Dezember seien bis zu zehn Lehrer täglich gegangen. Es herrsche "kein Personalmangel, sondern Personalnotstand", so Krebs.
Streit um Corona-Maßnahmen eskalierte
Neben der ohnehin angespannten Situation durch den hohen Anteil an nicht Deutsch sprechenden Schülern und des schlechteren Betreuungsschlüssels – in Wien kommen 21,7 Schüler auf einen Lehrer (Burgenland: 16,7, NÖ: 18,2) – gebe es jetzt zwei neue Probleme: Die Ausweitung des Parkpickerl treffe viele Einpendler stark, dazu kommen die Herausforderungen der Pandemie: "Die Eltern werden immer aggressiver und übergriffiger. Nicht nur verbal. Vor wenigen Wochen wurde eine Kollegin von einer Mutter spitalsreif geprügelt. Es ging um die Corona-Maßnahmen", so Krebs. "Dabei haben wir die Spielregeln nicht erfunden, wir müssen sie 'nur' umsetzen, zusätzlich zu unseren eigentlichen Aufgaben der Wissensvermittlung."
Aufgeheizte Stimmung in Eltern-Whatsapp-Gruppen
Durch die Pandemie und das damit einhergehende Homeschooling kam es zu einer viel stärkeren Vernetzung der Eltern, meist über Whatsapp-Gruppen. Das sei zwar an sich wünschenswert, berge aber auch Probleme. So komme es dazu, dass sich die Stimmung in diesen Gruppen extrem aufheize, auch bei objektiv betrachtet nichtigen Dingen oder Problemchen. "Es reicht oft schon ein uneinsichtiges oder unkooperatives Elternteil pro Klasse", weiß der Gewerkschafter, der selbst über 30 Jahre in der Klasse stand.
Schlechtere Krankenversicherung für Wiener Lehrer
Die meisten Lehrer würden nicht wegen der Wiener Schüler kündigen. "Den Kollegen ist die besondere Situation in einer Großstadt wie Wien durchaus bekannt. Sie fühlen sich von der Politik nur leider oft im Regen stehen gelassen. Es sind die Arbeitsbedingungen - zu wenig Personal, überhandnehmende Fülle von nicht-pädagogischen Aufgaben und ähnliches, warum viele das Handtuch werfen", schildert Krebs. Auch, dass die Wiener Lehrer bundesweit als einzige der Österreichischen Gesundheitskasse versichert sind, sei für manche ein Grund, in ein anderes Bundesland zu wechseln. Dort sind die Pädagogen nämlich bei der BVAEB (Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau) versichert - "und die BVAEB hat viel bessere Leistungen was Lesebehelfe und Zahnbehandlungen anbelangt. Auch beim Thema Wahlarzt wird hier viel mehr bezahlt", weiß der Gewerkschafter.
Bildungsdirektion verspricht Job-Attraktivierung
Von September bis Dezember habe es sechs Kündigungen sowie 60 einvernehmliche Dienstauflösungen gegeben, so die Bildungsdirektion. Ein Lehrer wurde gekündigt. Bei Abgängen in andere Länder stehe man auf der Bremse, außer es gebe Ersatz für den Standort. Akuter Mangel herrsche an Volksschullehrern: "70 würden wir sofort einstellen", so ein Sprecher der Wiener Bildungsdirektion. In höheren Schulstufen seien vor allem Mathematik- und Physik-Lehrer Mangelware. Was die "Landflucht" der Pädagogen anbelangt, sei man derzeit mit Hochdruck dabei sich zu überlegen, wie der Lehrerjob in Wien attraktiver gestaltet werden können. Da gehe es neben dem Parkpickerl-Thema auch um die Bereiche Entlohnung und Entlastung, heißt es zu "Heute".
„VP-Bildungssprecher Harald Zierfuß: "Mittlerweile herrscht Gefahr in Verzug"“
ÖVP ortet "Gefahr im Verzug"
Das fordert auch die Wiener ÖVP vehement ein: "Die Herausforderungen in Wien sind groß. Umso mehr muss sich die Stadt bemühen, Lehrerinnen und Lehrern in Wien ein attraktives Umfeld zu schaffen, um nicht in die Bundesländer abzuwandern. Mittlerweile herrscht Gefahr in Verzug. Die Stadtregierung muss endlich tätig werden“, so Harald Zierfuß, Bildungssprecher der ÖVP. Er ortet "Gefahr im Verzug" und fordert: "Es braucht möglichst rasch ein umfassendes Maßnahmenpaket, das über den Einsatz von administrativen Kräften weit hinaus geht."