Spiele-Test
"Cities: Skylines 2" – mehr Baustelle als Bausimulation
"Cities: Skylines 2" könnten die beste Aufbau-Simulation am Game-Markt werden. Aktuell ist das Spiel aber leider noch eine Großbaustelle.
Die gute Nachricht gleich zuerst: Ein erster großer Patch für die Aufbau-Simulation "Cities: Skylines 2" des finnischen Studios Colossal Order ist bereits erschienen und geht die schlimmsten Probleme des Games an. Das ist auch dringend nötig, denn zum Start präsentierte sich die PC-Version nicht von ihrer besten Seite und die Konsolen-Version wurde gleich auf kommendes Jahr verschoben.
So verbessert der Patch nun die Auflösung und damit die Spielleistung, räumt mit Problemen bei der Beleuchtung und bei Nebeleffekten auf und bessert auch bei Verkehrsunfällen nach. Dennoch bleibt zum Auftakt der so ambitionierten Simulation der Nachgeschmack einer Großbaustelle. Was nicht bedeuten soll, dass "Cities: Skylines 2" nicht noch die Game-Sim unserer Träume werden kann, wenn entsprechend nachgelegt wird.
Darauf darf jedenfalls gehofft werden, denn der Erstling "Cities: Skylines" gefiel uns 2015 am PC und 2017 auf Konsolen richtig, richtig gut. Vom Zoom bis hin zur Übersichtlichkeit konnte der Nutzer nicht klagen und man fand sich im reinsten Modellbau-Paradies wieder. Bemängeln konnte man damals noch, dass sich gerade im Endausbau der Städte viele Gebäude ähnelten und dass die Grafik zwar liebevoll und detailreich war, aber nicht am neuesten Stand der Technik. Dagegenhalten musste man allerdings, dass ein Städtebau-Simulator noch nie so gut ausgesehen hatte. Und damit schenkten die Macher der Spielerschaft endlich eine anspruchsvolle Städtebau-Simulation, die sie sich seit dem legendären "Sim City" gewünscht hatten. Entsprechend frustrierend muss wohl der Start von "Cities: Skylines 2" für sie sein.
Die Technik vermieste vielen Zockern den Spaß ordentlich
Dabei wäre alles angerichtet gewesen: Der Nachfolger verfügt über Dutzende Funktionen, um Anfänger genauso wie Profis mit ins Boot zu holen, lässt die Spielerfahrung dank Hunderter Einstellungsmöglichkeiten komfortabel wie nie erscheinen und verfeinerte die geliebten Mechaniken des ersten Teils immens.
Doch bereits zum Start des Spiels schauten viele Fans in die Röhre, denn selbst mit starker Hardware-Ausstattung kam es zu Ruckel-Orgien, bei denen nur half, die Grafik-Einstellungen gewaltig herunterzudrehen. Selbst dann klagten viele Spieler aber, dass die Bildrate eher Richtung 20 Frames pro Sekunde ging und auch im Gameplay, ohne dass man selbst eingriff, von lichten Höhen und dunkle Tiefen stürzte. Übrigens bei allen Spielern, sofern das Feedback stimmt, und nicht nur bei denen mit schwächerer Hardware.
Weder 4K noch flüssige Bildrate sind mit Highend-Grafikkarten möglich. So empfehlen die Entwickler einen Intel Core i5-12600K oder AMD Ryzen 7 5800X Prozessor mit 16 Gigabyte Arbeitsspeicher und als Grafikkarte eine Nvidia GeForce RTX 3080 (10 GB) oder AMD Radeon RX 6800 XT (16 GB). Doch selbst mit dieser Ausstattung ruckelt statt zuckelt das Game. Behoben wurden dagegen mittlerweile aufploppende Texturen und aus dem Nichts erscheinende Objekte. Wir möchten an dieser Stelle wiederholen: Nach und nach werden diese Fehler ausgeräumt, was lobenswert ist. Dennoch machte das Spiel zum Start einen technisch so bedenklichen Eindruck, dass es unserer Meinung nach so nicht hätte erscheinen dürfen. Entschädigt wird man immerhin von einer Aufbau-Simulation, die beim Gameplay weit mehr richtig und spannend macht.
Viel Platz und beeindruckend gigantische Modelle
So kann auf bisher zehn Karten mit unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten, Bebauungsgebieten und Umgebungsverhältnissen gewerkelt werden. Eine Mod-Funktion und ein eigener Karten-Editor dehnen die Karten-Möglichkeiten beinahe in die Unendlichkeit aus. Größer ist aber nicht nur die Auswahl, sondern auch die Baufläche auf den Karten selbst. Die sind nun so groß, dass man gewaltige Mega-Metropolen errichten kann und dann immer noch genug Platz hat, eine Autobahn drumherum zu ziehen. Oder eben den ganzen Central Park im Herzen der Millionenstadt unterzubringen. Diese neue Freiheit hat es den Entwicklern auch ermöglicht, die Bau-Objekte weit detaillierter auszugestalten. So sehen Häuser nun wirklich wie Häuser und nicht einfach wie Blöcke aus, während sich Kraftwerke gleich über mehrere Felder erstrecken und beeindruckend gigantisch anzusehen sind.
Wie viel Detailliebe ins Spiel geflossen ist, sieht man auch dabei, wie unterschiedlich jedes einzelne Gebäude optisch umgesetzt wurde, von den grafischen Details bis zur völlig anderen Größe jedes Gebäudes. Einen kleinen Kritikpunkt daran finden wir trotzdem, denn die meisten Gebäude verfügen nur über eine einzige Version, statt in verschiedenen Größen- und Funktionsvarianten daherzukommen. So nimmt ein Kraftwerk immer die gleiche Anzahl an Feldern ein und eine Autobahnbrücke kommt mit immer der vorgegebenen Anzahl an Fahrspuren. Das schränkt die Baufreiheit zwar nicht immens, aber immerhin etwas ein. Kreativ wiederum ist die Möglichkeit, Gebäude aufleveln zu können. Investiert man die notwenigen Gelder und Materialien, können dann Parkplätze deutlich mehr Fahrzeuge oder Krankenhäuser weit mehr Patienten als zuvor aufnehmen.
Eine Menge richtig spannender Bebauungs-Funktionen
Ebenfalls cool gemacht sind die Bezirkssteuerungen. So dürfen wir festlegen, ob ein Stromversorger, ein Rettungsdienst oder ein Feuerwehrposten die gesamte Stadt oder nur einen vorgegebenen Bezirk versorgen sollen. Dies ist ein Segen, wenn es darum geht, die Abdeckung und Versorgung der Stadt aufrecht zu erhalten, wenn diese immer und immer weiter wächst. Generell können vier Arten von Bauten verwendet beziehungsweise von Baugebieten bepflanzt werden: Wohnungen, Gewerbe, Industrie und Büros. Was das Spiel spektakulär macht: Knall man massig Büros auf einen Fleck, entstehen beachtliche Wolkenkratzer, platziert man sie dagegen weit auseinander, entsteht eine ländliche Idylle mit Family Offices. Gleiches beobachtet man bei Wohn-Hochhäusern versus Einfamilien-Häusern. Schade dagegen: Beim Bau steht nur ein Kran vor Ort, mehr gibt es von Arbeiten nicht zu sehen. Da konnte der Vorgänger mehr.
Was dagegen wieder wie beim Vorgänger zu finden ist: Erfüllt man die Ansprüche der Bewohner und Mitarbeiter eines Gebäudes, steigt das Objekt bis zu fünf Ränge auf, was deren Effizienz steigert, optisch leider aber kaum mehr zu Veränderungen führt. Ebenso ist man weiter damit konfrontiert, dass die Menschen der Stadt immer mehr nach Industriezonen, Gewerbegebieten und Wohnarealen lechzen, wobei nicht immer ganz klar ist, wie die Computer-KI diese gerade ausgewählt hat. Sie zieht es einige "Skylines"-Bewohner auf der Suche nach ihrem Traumanwesen immer wieder mitten ins Industriegebiet oder sie können von Geschäften vor ihrer Haustüre nicht genug bekommen, obwohl in den bisherigen bereits so gut wie niemand einkaufen geht. Riesig ist dagegen die Auswahl an Straßen ausgefallen, die von der einfachen Fahrbahn bis zum gigantischen Highway reichen. Sie lassen sich nun auch feiner platzieren als zuvor.
"Cities: Skylines 2" im Test – mehr Baustelle als Bausimulation
Zwischen all den alten und neuen Möglichkeiten fallen vor allem die schlauen Komfort-Funktionen auf. So lassen sich Kreuzungen nun unkompliziert zu Kreisverkehren umwandeln, Straßen auf einen Klick gleich mehrfach parallel verlegen oder der vorhandene Verkehr wird automatisch an die neuen Straßenbedingungen angepasst. Zudem werden Versorgungsleitungen wie Stromkabel, Wasserleitungen und Kanalnetze auf Wunsch nun automatisch vergraben, wenn man eine Straße errichtet. Das spart Zeit und Nerven. Natürlich muss man überirdisch weiter die Hochspannungsnetze und Strommasten hochziehen, um wirklich alles gut mit Energie zu versorgen oder den Strom am Energiemarkt verschachern zu können. Nicht die einzige neue Einnahmequelle: Auch Altersgruppen verlangen nun nach unterschiedlichen Produkten, heimische Waren haben nun einen Herstellungsbonus und der Spieler kann Steuern selbst manipulieren.
Letzter inhaltlicher Kritikpunkt: Naturkatastrophen wie Stürme und Waldbrände scheinen die Bevölkerung und die Behörden eher kalt zu lassen. So werden von den Einsatzkräften Warnungen von außen oft konsequent ignoriert, ebenso wie von den Bürgern die Aufrufe, sich in Schutzräume zu begeben. Gerade im Vorgänger gab es auch dabei weit mehr Gewusel und Animation am Bildschirm, nun geschieht vieles einfach aus dem Nichts heraus. Das beschränkt sich übrigens nicht nur auf Katastrophen, sondern auf alle Spielbereiche: Egal ob auf Straßen, in Wiesen, in Parks und Gärten oder auf Gehwegen, der Vorgänger wirkte einfach lebendiger mit zahlreichen Bewohnern, die ihren Tätigkeiten nachgingen. Insgesamt ist "Cities: Skylines 2" deshalb zum Start mehr Baustelle als Bausimulation. Da wird es wohl noch das eine oder andere Update und den einen oder anderen Patch brauchen, bis die Simulation unserer Träume wirklich steht.