Österreich

Camp-Skandal: "Mein Sohn kam ohne Unterhose zurück!"

Ein Leiter von Feriencamps ist ein verurteilter Sexualstraftäter, die Strafe ist getilgt. Eine Mutter erstattet nun Anzeige wegen Missbrauchsverdacht.

Teilen
Nach einem Ausflug im Wald hatte ein Vierjähriger keine Unterwäsche an. (Symbolbild)
Nach einem Ausflug im Wald hatte ein Vierjähriger keine Unterwäsche an. (Symbolbild)
Getty Images/iStockphoto

Wie "Heute" berichtete, wurde ein Leiter von Workshops und Feriencamps 2010 unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt, die Strafe ist bereits getilgt. Der Mann gründete vor einigen Jahren ein Unternehmen, veranstaltet etwa Wanderungen für Schulklassen, Kinder-Kletterkurse sowie Geburtstagsfeste.

Warn-Posting

Per (mittlerweile gelöschtem) Instagram-Posting von "Bündnis-Kinderschutz Österreich" wurde vor kurzem vor dem verurteilten Sexualstraftäter mit Klarnamen und Nennung des Unternehmens gewarnt. Zahlreiche Eltern meldeten daraufhin ihre Kinder von den Kursen und Workshops ab – sie hatten keine Ahnung von der Vergangenheit des Camp-Betreibers. 

"Er kam ohne Unterwäsche vom Ausflug zurück. Sein Unterhemd war im Rucksack eines anderen Kindes, seine Unterhose in seinem eigenen Rucksack" - betroffene Mutter Hannah M.

Im Gespräch mit "Heute" zeigt sich auch Hannah M. (Name geändert) sichtlich betroffen: "Mein damals vierjähriger Sohn besuchte einen Workshop des besagten Mannes im Herbst 2020. Er war von Anfang an total begeistert, ging immer gerne mit. Doch das änderte sich schlagartig. Im Spätherbst kam er einmal ohne Unterwäsche von einem Wald-Ausflug zurück. Sein Unterhemd war im Rucksack eines anderen Kindes, seine Unterhose in seinem eigenen Rucksack."

Auf der Rückfahrt war der Bub dann aufgelöst: "Er weinte die ganze Fahrt durch und meinte, er will nie wieder mitgehen. Auf die Frage, was denn passiert ist, gab er keine Antwort. Wir haben das Ganze dann mit einem Streit unter Kindern abgetan und ihn schließlich aus dem Kurs genommen. Trotzdem fühle ich mich aus heutiger Sicht schuldig", meint die 30-jährige Wienerin. 

1/65
Gehe zur Galerie
    <strong>22.12.2024: Einwegpfand kommt – das wird ab Jänner neu bei Spar</strong>. Um Verwirrung zu vermeiden, setzt Spar ab Jänner auf speziell ausgebildete Pfandberater. <a data-li-document-ref="120078758" href="https://www.heute.at/s/einwegpfand-kommt-das-wird-ab-jaenner-neu-bei-spar-120078758">170 Getränkeartikel mussten überarbeitet werden.</a>
    22.12.2024: Einwegpfand kommt – das wird ab Jänner neu bei Spar. Um Verwirrung zu vermeiden, setzt Spar ab Jänner auf speziell ausgebildete Pfandberater. 170 Getränkeartikel mussten überarbeitet werden.
    SPAR/ Peakmedia Dominik Zwerger
    "Er war immer allein mit den Kindern unterwegs, oft auch in Gebieten mit Gewässern wie der Lobau" - Hannah M.

    Laut Hannah M. holte der Camp-Betreiber die Kinder alle zwei Wochen zu Mittag direkt vom Kindergarten in Wien-Josefstadt ab: "Es waren meist kleine Gruppen mit fünf, sechs Kindern. Manchmal kam er mit seinem Wagen, manchmal fuhren sie öffentlich. Er war immer allein mit ihnen unterwegs, oft auch in Gebieten mit Gewässern oder Lacken wie etwa in der Lobau. Von den Ausflügen kamen sie dann erst meist so gegen 17 oder 18 Uhr zurück", erinnert sich Hannah M.

    Was die 30-Jährige ebenfalls irritierte – der verurteilte Sexualstraftäter fertigte sehr viele Fotos der Kinder an: "Er hat irrsinnig viele Fotos gemacht, die er auch an die Eltern geschickt hat. Zum Einen haben wir uns damals natürlich sehr darüber gefreut, zu sehen, was unsere Kinder so machen. Zum Anderen war es für uns aber auch irgendwie komisch, dass er so unglaublich viele Fotos gemacht hat", erklärt Hannah M. 

    Anzeige wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs

    Sie und eine weitere Mutter wollen noch diese Woche den Mann wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs anzeigen. Ein weiteres betroffenes Elternpaar hat sich ebenfalls beim "Bündnis-Kinderschutz Österreich" gemeldet: "Es ist für uns Eltern einfach unfassbar, dass dieser Mann seine Krankheit zu einem Full-Time-Job gemacht hat. Es kann nicht sein, dass überhaupt niemand von seiner Vergangenheit gewusst hat", ist die 30-Jährige entsetzt.

    Auch Martha H. (41) meldete ihren sechsjährigen Sohn Nicolas (alle Namen geändert) nach Bekanntwerden der Vorstrafe vom Workshop ab: "Es war sehr schwierig für uns, die Kinder mochten ihn ja gerne. Er hat uns seinen Strafregister-Auszug geschickt, auf dem natürlich nichts mehr zu sehen war. Nach Recherchen waren wir dann aber überzeugt, dass das mit der Strafe stimmt."

    Eigenartiger Zwischenfall im März

    Rückblickend erinnert sich die 41-Jährige, die den Betreiber als "sehr speziellen, schrulligen Typen" beschreibt an einen Vorfall im März: "Ein Passant hat damals die Polizei gerufen. Er hat den Mann mit den Kindern bei einem Ausflug gesehen, dass kam ihm komisch vor. Was genau passiert ist, weiß ich leider nicht. Ich habe aber gehört, dass sich der Camp-Betreiber nicht ausweisen wollte."

    Entsetzt zeigen sich auch Eltern über die Gesetzeslage, die es Einzelunternehmern mit freiem Gewerbe möglich macht, trotz (getilgter) einschlägiger Vorstrafe wieder mit Kindern zu arbeiten. Denn in der Praxis ist es faktisch nicht möglich zu überprüfen, ob der Verantwortliche überhaupt die pädagogischen Fähigkeiten mitbringt und aus strafrechtlicher Sicht unbedenklich ist. Laut der Wiener Kinder- und Jugendstaatsanwaltschaft gab es sogar schon Fälle, in denen ein Coach mit einschlägiger Vergangenheit erneut straffällig wurde, wie der ORF berichtete.

    Möwe fordert Kindeswohl-Gütesiegel

    Das Kinderschutzzentrum Möwe empfiehlt in diesem Zusammenhang Eltern und Erziehungsberechtigten, bei Freizeit- und Feriencamp-Angeboten darauf zu achten, ob diese ein Kinderschutzkonzept enthalten, zu dem sich die Anbieter auch verpflichtet fühlen. Wünschenswert wäre aus Sicht der Möwe in diesem Kontext die Einführung eines "Gütesiegels", mit Hilfe dessen sich seriöse, das Kindeswohl garantierende Anbieter erkennen lassen.