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Schrecklich schön: "Call of Duty: Modern Warfare"

Heute Redaktion
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Die neue Grafik-Engine poliert den Krieg auf, das Gameplay setzt auf Realismus statt Spektakel. "Call of Duty: Modern Warfare" ist eindrucksvoll zurück.

"Modern Warfare": Bis heute für viele Spieler einer, wenn nicht der beste Titel der "Call of Duty"-Serie. Der vierte "CoD"-Teil bot nicht nur erstmals eine durchgängige Kampagne, sondern auch noch heute sehenswerte Grafikeffekte, abwechslungsreiche Missionen und realistisches Waffenverhalten. Einzig: Mit rund fünf Stunden Spielzeit fiel der Shooter recht kurz aus. Nun, zwölf Jahre und ein "Modern Warfare Remastered" später, kehrt das Spiel als "Call of Duty: Modern Warfare" neu zurück.

Neben dem Namen ist allerdings vieles neu: Das Spiel bekam eine neue Grafik-Engine spendiert, das Waffen-Verhalten wurde noch realistischer angelegt, im Multiplayer wird Cross-Plattform-Spielen unterstützt und nach dem dem Battle-Royale-Ansatz von "Call of Duty: Black Ops 4" gibt es nun wieder eine Kampagne als Herzstück von "Modern Warfare". Etwas überraschend: Einen Season Pass bietet das neue "CoD" nicht.

Die Kampagne verfolgt die Geschichte von drei verschiedenen Figuren und ist keine Fortsetzung vergangener Teile, sondern eine komplett neue Story. Auch hier ist der neue Realismus des Titels spürbar, denn die Geschehnisse sind mal mehr, mal weniger deutlich an aktuelle Krisenherde und Konflikte angelehnt. Die Kampagne bietet zwar wieder den einen oder anderen kinoreifen, explosiven Moment, vergisst aber nicht auf die moralischen und ethischen Fragen im Krieg. So wird man nicht nur einmal schwer schlucken müssen, wenn das Spiel Folter, Mord und Verrat in Hochglanz-Grafik serviert.

Die Handlung folgt drei Charakteren

Als CIA-Officer Alex ist man einer neuen Terrorgruppe auf der Spur, die Anschläge in Europa verübt. Als eine Mission aus dem Ruder läuft, findet man sich an der Seite von Widerstandskämpfern Farah Karim im fiktiven Urzikstan wieder, wo nicht nur die Terrororganisation agieren soll, sondern mitten im Bürgerkrieg auch die Russen ihre Armee platziert haben. Hier wollen gleich Briten und Amerikaner den Terroristen mit Decknamen "Wolf" dingfest machen. Wer gut und wer böse ist verschwimmt dabei allzu leicht.

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Zurück in Europa versucht Sergeant Kyle Garrick einen Anschlag in London zu verhindern und bekommt dabei Unterstützung von Captain Price. Die Handlung schockt auch ohne die große Bombast-Inszenierung – vielleicht deshalb sogar besser. Alleine die Mission mit dem Terroranschlag in London zeigt das. Man patrouilliert durch Menschenmassen und Autos, die Waffe im Anschlag, doch handelt es sich bei den Menschen um Touristen, Einwohner oder Attentäter? Hier sind nicht Böse schwarz und Gute weiß gekleidet, noch lassen sich Angreifer von Zivilsten per Abzeichen oder Ähnlichem unterscheiden.

Moralisches Dilemma vor jedem Schuss

Als sich Sprengstoffattentäter am Piccadilly Circus in die Luft sprengen und Terroristen zu schießen beginnen, fragt man sich bei jeder abgegeben Kugel: Trifft sie gleich einen Terroristen oder wird man eine Zivilisten töten? Die Folge: Der Spieler zögert, beobachtet, erstarrt manchmal ob der entsetzlichen Szenen. Besonders Bilder wie jene vom Anschlag in London, sie dürften für einige Spieler schwer verdaulich sein. Einzig, es wirkt nicht willkürlich provoziert wie die "Kein Russisch"-Szene in "Call of Duty: Modern Warfare 2", sondern bitter realistisch.

Wie das Originale "Modern Warfare" hat auch die 2019er-Version eine abwechslungsreiche Handlung und ebensolche Missionen zu bieten. Wieder gibt es spielerisch und storymäßig die ruhigen Momente in denen Schleichen und Beobachten im Vordergrund steht, aber genauso die Ballergefechte, bei denen man hoffnungslos unterlegen nur zu überleben versucht. Und wieder sind die "Portionen" gut gelungen. Die Missionen sind mit rund zehn bis 20 Minuten weder zu lang, noch zu kurz, und bieten gewohnt viele Checkpoints, die auch ein Spielen auf höchster Schwierigkeitsstufe für einigermaßen Geübte möglich machen.

"Modern Warfare" hat unfassbar gute Engine

Ganze Arbeit hat Entwickler Infinity Ward bei der Game-Engine geleistet. Die Figuren im neuen "Modern Warfare" wirken beinahe lebensecht, die Umgebungen unglaublich detailliert. Jeder Staubwirbel im Wüstensand und jedes Einschussloch im Autolack ist klar erkennbar. Zudem fühlen sich die Waffen glaubhaft an: Dicke Maschinengewehre machen den Rückstoß spielerisch mehr fühlbar als leichte Pistolen. Der wahre Star der Engine ist aber der Sound, nicht nur jener der Waffen. Läuft man durch Gassen, haben Stimmen und Rufe feine Echos, in kargen Gegenden wiederum trägt der Wind einen Schrei davon.

Klasse, denn auch Gegner lassen sich alleine durch die Abgabe von Geräuschen wie Nachladen oder knirschende Schritte ungefähr orten. Neben dem Rückstoß der Waffen wurde zudem die Durchschlagskraft verfeinert. Schlugen im originalen "Modern Warfare" Kugeln durch Holz und blieben in Mauern stecken, gibt es nun mehr Unterstufen, je nach Blech-, Ziegel-, Beton- oder Panzer-Schutz. Auch eine neue Zielmöglichkeit gibt es: Nun kann man sich an Mauern lehnen, um das Fadenkreuz ruhiger führen zu können. Man muss also für Präzisionsschüsse nicht mehr zwangsläufig hinknien oder hinliegen.

Neue Multiplayer-Möglichkeiten

Nach dem Fehlen eines Multiplayer-Modus in der Remastered-Version hat das neue "Modern Warfare" einen großen Mehrspieler-Bereich mit einigen Neuerungen zu bieten. Neben klassischen Jeder-gegen-jeden- und Team-gegen-Team-Varianten mixt Infinity Ward auch einfach ein paar Modi zusammen. Die "Cyber Attack" etwa lässt Teams Bomben legen oder entschärfen. Aber: Die Attacken auf Datenzentren des Gegners bekommen eine gänzlich neue, taktische Komponente. Teamkameraden können nämlich von Spielern wiederbelebt werden – passiert das nicht, können sie nicht selbst in den Kampf wiedereinsteigen.

"Modern Warfare" verbreitert aber auch das Multiplayer-Erlebnis. Wer riesige Schlachten wie in "Battlefield" mit möglichst vielen Spielern sucht, ist bei "Bodenkrieg" richtig. Hier ist man neben dem Soldatenleben auch als Hubschrauber-Pilot, Quad-Fahrer oder Panzer-Lenker am Werk. Spieler werden in Gruppen zu viert eingeteilt und sollen so Punkt für Punkt auf der Karte erobern. Wer es einsamer und schnell mag: "Feuergefecht" lässt Teams mit entweder mit wechselnden Zufallswaffen oder mit in der Spielwelt einammelbaren Waffen gegeneinander antreten. Ebenfalls spielbar: Nachtsichtgeräte-Schlachten oder noch realistischere bzw. unrealistischere Modi. Manche lassen gar abspeichern, andere sich mit Permadeath zocken. Gewaltige 17 Karten stehen zur Auswahl.

Spezialoperationen ersetzen die Zombies

Wieder gibt es den eigenen Charakter hochzuleveln, wobei das dieses Mal etwas zurückhaltender ausgefallen ist. Das Prestige-System ist weg, man levelt jetzt Ränge, die Saison-bedingt immer wieder zurückgesetzt werden sollen. Das das Spiel ein Herausforderungssystem mit kleinen Aufgaben bietet, lassen sich die Ränge vergleichsweise schnell erklimmen. Ab Level 5 kann man zudem eigene Klassen erstellen und Waffen sehr, sehr detailliert anpassen. Apropos Anpassung: Zwar gibt es keinen Season Pass mehr, dafür aber Mikrotransaktionen. Bis auf kosmetische Veränderungen wird nichts geboten, was den Spielfluß verändern oder zahlenden Spielern einen Vorteil verschaffen würde.

Einen Zombie-Modus haben die Macher dieses Mal gestrichen, dafür halten die Special Operations Einzug. Vorerst vier Aufträge setzen in diesem Modus die Kampagne fort und zeigen sich dabei abwechslungsreich. Statt einer Missionen bieten Aufträge gleich mehrere Missionen in einem riesigen Level, in dem man besser so lange wie möglich unentdeckt bleibt. Sichtet uns der Feind, muss unser Team beim Erfüllen der Missionsaufgaben mit ständigem Beschuss kämpfen, denn Verstärkung schickt das Spiel laufend nach – und das bei durchaus hohem Schwierigkeitsgrad. Das Team muss sich also zusammenraufen, Deckung der Spielkameraden ist notwendig. Hier sind auch neue Klassen zu finden, die Team-orientierte Effekte wie mehr Schussschaden für alle oder stärkere Gesundheit für die Gruppe mit sich bringen.

Schrecklich schöne Neuauflage

Ein Jahr lang exklusiv gibt es den Survival-Modus von "Modern Warfare" nur auf der Playstation 4. Die Spielplattform betreffend gibt es aber auch tolle Nachrichten: Still und fast heimlich bietet "Call of Duty: Modern Warfare" sowohl Cross-Play als auch Cross-Save. Bedeutet: Man kann als Ps4-Zocker mit Spieler auf der Xbox One oder dem PC gamen, wenn man sich mit den Activision-Konten verbindet. Außerdem darf man wählen, ob man etwa mit einer bestimmten Plattform oder Gamepad- beziehungsweise Maus-Tastatur-Nutzer bevorzugt oder gar nicht verbunden werden möchte. Und: Auf PS4 gespielt und gespeichert, lässt sich "Modern Warfare" im Mehrspieler-Modus einfach auf dem PC oder der Xbox One an derselben Stelle fortsetzen.

"Call of Duty: Modern Warfare" bietet alles, mit dem auch schon das Original glänzte. Zwar gibt es nicht mehr die überdramatisierten Bombast-Momente, dafür zeigt sich der realistische Story- und Gameplay-Ansatz spannend, nervenzerreißend und teils schockierend. Die neue Engine macht den realistischsten Shooter und das beste "Call of Duty" seit langer Zeit schrecklich schön. Vor allem im Multiplayermodus werden wieder besser Neulinge angelockt sowie Veteranen mit noch mehr Modis und Anpassungsmöglichkeiten an der Stange gehalten. "Call of Duty: Modern Warfare" ist absolut gelungen: Ein fantastischer Shooter mit willkommenen Neuheiten, aber auch einer inhaltlichen und spielerischen Rückkehr zu den "Modern Warfare"-Wurzeln.