Österreich

Brutaler Wilderer starb durch Kopfschuss

Heute Redaktion
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Der Nervenkrieg in dem kleinen Mostviertler Ort Großpriel ist zu Ende: Die verbrannte Leiche des 55-jährige Wilderer Alois Huber, der am Dienstag drei Polizisten und einen Sanitäter erschossen hat, wurde kurz nach Mitternacht in einem Geheimbunker gefunden. Gestorben ist er laut Obduktionsbericht an einem Kopfschuss. Bei der Spurensicherung stießen die Beamten auf ein Waffenarsenal "im dreistelligen Bereich", wie ein Cobra-Beamter berichtete. Auch Hinweise auf weitere Straftaten fanden die Ermittler.

Der 55-jährige Alois H., dessen verkohlte Leiche bei der Durchsuchung seines Anwesens bei Melk am frühen Dienstagabend gefunden wurde, starb durch einen Kopfschuss. Das sagte die Leiterin der Staatsanwaltschaft St. Pölten, Michaela Schnell. "Wir gehen derzeit davon aus, dass es Selbstmord war", erklärte die Behördenleiterin. Der Leichnam ist von dessen Angehörigen - er hinterlässt seine betagten Eltern und zwei Geschwister - identifiziert worden.

DNA-Vergleich steht noch aus

Die Obduktion sei noch in Gang, sagte Schnell am Mittwochnachmittag. Dabei geht es auch darum zu beweisen, dass es sich bei der Leiche tatsächlich um jene des mutmaßlichen Wilderers handelt, die drei Polizisten und einen Rettungssanitäter erschossen hat. Die Ermittler sprechen in diesem Zusammenhang vorläufig von "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit". Die Ergebnisse des DNA-Vergleichs werden voraussichtlich erst in einigen Tagen vorliegen.

135 Beamte im Einsatz

Hunderte Einsatzkräfte, Polizeiautos und Rettungsfahrzeuge mit Einschusslöchern, ein Großaufgebot von Feuerwehr und Rettung, überall Absperrungen, sogar Militärpanzer fuhren auf: Der 55-jährige Wilderer Alois Huber hinterließ am Dienstag zwischen Annaberg (Bezirk Lilienfeld) und seinem Wohnort Großpriel bei Melk eine blutige Spur.

Insgesamt 135 Beamte der Cobra und 200 Exekutivkräfte waren im Einsatz und hatten das Gebäude umstellt. Gegen 18.20 Uhr rückten Cobra-Kräfte in zwei Schützen- und einem Pionierpanzer aus der Kaserne Melk vor, um das weitläufige Anwesen nach dem Verdächtigen zu durchsuchen. Die Panzerfahrzeuge wurden eingesetzt, weil sie den besten Schutz bei der Annäherung boten.

Riesiges Waffenarsenal gefunden

Das Durchsuchen des riesigen Anwesens des Wilderers war keine leichte Sache, besteht das Gehöft laut Cobra-Sprecher Detlef Polay aus zig winkeligen Gängen, Räumen, Dachböden und Kellern. Im Keller des 55-jährigen Mannes wurde ein "umfangreiches Waffenarsenal im dreistelligen Bereich" sichergestellt, sagte der stellvertretende Kommandant der Cobra, Oberst Walter Weninger, Mittwochmittag in einem ORF-Interview. Im Zuge des Einsatzes habe der Mann von "vielen Waffen" Gebrauch gemacht", so Weninger.

Bis zum Fund der Leiche des dritten getöteten Polizisten am Dienstagnachmittag sei man bei der Operation "von einer Geiselnahme ausgegangen". Dann wurde das taktische Konzept geändert. Zuerst habe man auch überprüfen müssen, ob sich definitiv keine "Sprengfallen im oder um das Gebäude befinden", sagte Weninger.

Verbrannte Leiche in Atomschutzbunker entdeckt

Kurz nach Mitternacht kam dann die Meldung vom Fund des Todesschützen - In einem Gang im Keller ließ sich eine Wand wegdrücken, wodurch man in den Raum gelangt, der anscheinend als Atomschutzbunker konzipiert war. "Die Einsatzkräfte haben die Tür geöffnet und wollten in den Raum eindringen, im Raum selbst hat es aber gebrannt", so Polizeisprecher Roland Scherscher bei einer Pressekonferenz in Melk. Der zuströmende Sauerstoff hatte die Flammen zusätzlich angefacht. Als das Feuer gelöscht wurde, "konnte eine verbrannte männliche Leiche entdeckt werden", sagte Scherscher.

Die stark verbrannte Leiche befindet sich laut Polizei in einem "entsprechenden Zustand". Obwohl es kaum Zweifel gibt, dass es sich dabei um den 55-Jährigen handelt, wurde dadurch die Feststellung der Identität und der Todesursache erschwert. Das Feuer dürfte gelegt worden sein, und habe bereits längere Zeit gebrannt, als die Cobra den Geheimraum entdeckte.

Letztes Lebenszeichen am frühen Abend

Das letzte Lebenszeichen des Verdächtigen hatte es zuvor gegen 17.30 Uhr gegeben, als ein einzelner Schuss aus dem Bauernhof abgegeben worden sei. "Wir haben derzeit aber keinen Kontakt zum Täter", bestätigte Cobra-Sprecher Detlef Polay noch am Dienstagabend gegenüber der ORF-ZiB2. Laut Polay stand dann die Sicherheit der Beamten vor Ort im Vordergrund. Deshalb wurde bei der Durchsuchung des Anwesens langsam und bedächtig vorgegangen. Der 55-jährige Mann hatte im Lauf des Tages immer wieder Schüsse aus dem Gehöft heraus abgefeuert

Die blutige Vorgeschichte

Bereits seit der Nacht auf Dienstag herrschte bei der niederösterreichischen Polizei Alarmstimmung: Jener Wilderer, war in eine Straßensperre gefahren. Zuvor war der Mann in seinem Auto beobachtet worden, als er aus einem Waldstück in Annaberg (Bezirk Lilienfeld) kam - zufällig, wie am Mittwoch bekannt wurde. Die Polizei hatte eine Straßensperre eingerichtet. Dabei sei der Täter kontrolliert worden. Da man davon ausgehen musste, dass der Verdächtige bewaffnet ist, hatte man sich entschieden, das Einsatzkommando Cobra zur Hilfe zu ziehen, das zuvor bereits in die Observationen des Verdächtigen eingebunden war. Der Täter durchbrach die Sperre und landete in einem Graben. Danach überschlagen sich die Ereignisse:

Zwei Menschen sterben im Kugelhagel

Der Wilderer eröffnet das Feuer und schießt auf einen der Beamten. Als ein Sanitäter Erste Hilfe leisten will, feuert Huber aus dem Hinterhalt ebenso auf ihn. Der Fahrer des Rotkreuzwagens - es handelt sich um den 70-jährigen Johann Dorfwirth - wird tödlich getroffen, ein zweiter Cobra-Polizist verletzt. Der zuvor getroffene Cobra-Beamte - ein junger Familienvater - stirbt zwei Stunden später im Krankenhaus.

Wilderer kapert Polizeiauto

Der Wilderer flüchtet in die Wälder, verfolgt von den Einsatzkräften. Einige Kilometer weiter, an einer Kreuzung der Bundesstraßen 20 und 28 in Richtung Puchenstuben, stößt der Mann auf einen Streifenwagen und feuerte

erneut. Einer der Beamten, ein Polizist aus dem Bezirk Scheibbs, stirbt im Kugelhagel. Der Wilderer setzte

sich in das Polizeiauto und rast los. Am Beifahrersitz: ein weiterer Polizeibeamter.

Leiche des vermissten Polizisten entdeckt

Der Mann rast mit dem gestohlenen Fahrzeug zu seinem etwa 70 Kilometer entfernt gelegenen Bauernhof in sein Heimatdorf Kollapriel und verschanzt sich in dem Vierkanthof. Inzwischen ist es 7 Uhr in der Früh. Am Nachmittag findet die Polizei die Leiche ihres vermissten Kollegen im entwendeten Streifenwagen in einem Schuppen auf dem Bauernhof.

Schütze feuert weiter

Immer wieder gibt der Schütze Schüsse nach draußen ab und droht der Polizei, das Haus anzuzünden. "Er hat herausgeschossen, sobald er jemanden gesehen hat", hieß es vom Einsatzort. Am Nachmittag kommt Rauch aus dem umstellten Gebäude, Hubschrauber umkreisen das Gelände. Die Polizei zieht auch Angehörige des Verdächtigen bei, die offenbar erfolglos versuchen, ihn auf seinem Handy zu erreichen. Dass sich Sprengstoff im Haus befinden würde, konnte der Ermittler nicht bestätigen, der Entminungsdienst sei als Vorsichtsmaßnahme hinzugezogen worden. Der Nahbereich um das Anwesen wurde großräumig evakuiert.

Die blutige Bilanz

Die Opfer des Todeschützen waren allesamt Familienväter: Auf Seite der Polizei starben ein 38-jähriger Revierinspektor (Roman Baumgartner), der für die Cobra im Einsatz stand, sowie zwei Polizisten, die als Gruppeninspektoren im Bezirk Scheibbs tätig waren (Manfred Daurer, 44 Jahre, und Johann Ecker, 51 Jahre). Rotkreuz-Rettungssanitäter Johann Dorfwirth, 70 Jahre alt und 32 Jahre im Dienst, verlor ebenfalls sein Leben.
Täter dürfte unbescholten sein

Bei dem Täter handelt es sich um  Alois Huber, ein 55-jähriger Transportunternehmer und Jäger aus dem Bezirk Melk.  Der Mann dürfte über ein Waffenarsenal mit Präszisionsgewehren und Nachtsichtgeräten verfügen. Seit dem Jahr 2005 narrt er die Polizei - legt abgetrennte Hirschköpfe auf Straßen ab. Auch dürfte der Mann Zugang zum Polizeifunk haben - mindestens zwei Mal wollte die Cobra in den letzten Wochen den Wilderer dingfest machen. Jedes Mal hatte er von dem geplanten Zugriff erfahren, worauf die Polizei die Aktionen abblies.

Auf Seite 2: Die Chronologie der Ereignisse im LivetickerLesen Sie weiter: die blutigsten PolizeieinsätzeImmer wieder enden Amtshandlungen für Beamte mit Verletzungen oder sogar mit dem Tod. Im Folgenden eine Auswahl schwerwiegender Vorkommnisse aus den vergangenen Jahren:

17. September 2013: Ein mutmaßlicher Wilderer schießt in Annaberg (Bezirk Lilienfeld) auf zwei Polizisten und einen Rettungsfahrer, ein weiterer Beamter wird als Geisel genommen. Der Mann verschanzt sich danach in seinem Bauernhof in einem Ort im Bezirk Melk.

11. Februar 2011: Zwei Polizisten werden in einem Wald bei Hirtenberg (Bezirk Baden) bei einem Schusswechsel schwer verletzt, einer der Beamten stirbt am nächsten Tag im Spital. Der Schütze ist ein 34-Jähriger, der wegen eines versäumten Haftantritts zur Fahndung ausgeschrieben war. Er begeht nach der Schießerei mit seiner Handfeuerwaffe Selbstmord.

12. Jänner 2010: Ein 27-jähriger Polizist wird bei einer Fahrzeugkontrolle in Wien-Ottakring von einem Fahrzeuglenker angeschossen. Der Autofahrer steigt aus seinem Wagen und feuert auf den Beamten.

15. April 2003: Polizisten beobachten zwei Männer bei einem Einbruch in Wien-Donaustadt und wollen sie festnehmen, einer entkommt zunächst und wird nach einer Verfolgungsjagd gestellt. Bei einem Gerangel kann er sich die Dienstwaffe eines der Beamten schnappen. Zwei Polizisten werden durch Schüsse verletzt.

15. September 1999: Bei der Kontrolle eines verdächtigen Pärchens in Wien-Donaustadt zieht der RAF-Terrorist Horst Ludwig Meyer eine Pistole und entwaffnet eine Polizistin. Gemeinsam mit seiner Komplizin flüchtet er. Bei der Verfolgungsjagd wird ein WEGA-Beamter von Meyer durch zwei Schüsse verletzt, der Terrorist schließlich erschossen. Die Komplizin lässt sich festnehmen.

25. März 1998: Mit einem Genickschuss wird ein 29-jähriger Sicherheitswachebeamte in Wien-Alsergrund getötet. Die Täter, ein Brüderpaar (21 und 22), hatten es auf die Privatwaffe des Polizisten, einen Revolver, abgesehen.

31. Juli 1995: Nach einer Geiselnahme in einer Wohnung in Wien-Meidling wird ein junger Polizist niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt, als er dem flüchtenden Täter in einem Wohnhaus buchstäblich in die Arme läuft.

14. Juni 1993: Nach einem Banküberfall in Wien-Döbling erschießt der Täter auf der Flucht einen 25-jährigen Polizisten und verschanzt sich mit vier Geiseln in einem Kindermodengeschäft. Bei mehrstündigen Verhandlungen mit dem Geiselnehmer wird auch Polizeioberst Fritz Mahringer angeschossen. Die Exekutive stürmt das Geschäft, der Täter begeht Selbstmord.