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Geheimnisvoller Blob – der schleimige Super-Organismus

Der Blob besteht aus nur einer einzigen Zelle und könnte dennoch wichtige Erkenntnisse für Medizin und Umweltschutz liefern. Was ihn besonders macht.

Sabine Primes
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    Dieser gehirnlose Einzeller ist in Paris die neuste Attraktion
    Dieser gehirnlose Einzeller ist in Paris die neuste Attraktion
    Reuters/Benoit Tessier

    Gelb und glibberig ist es weder Tier noch Pflanze, hat kein Gehirn und kein Nervensystem: Der Blob. Wissenschaftlich heißt er Physarum polycephanum. Seinen Namen "Blob" hat er nach einem Vielfraß in einem Science-Fiction-Film bekommen. Der Blob lebt seit fast einer Milliarde Jahre auf diesem Planeten. Das macht ihn zu einer der ältesten Lebensformen – und zu einer der einfachsten: Denn er besteht nur aus einer einzigen Zelle. Doch hinter seiner einfachen Fassade verbergen sich unglaubliche Fähigkeiten. Während viele Einzeller für das menschliche Auge nicht zu sehen sind, verdoppelt der Blob sein Volumen jeden Tag und ist daher mit bloßem Auge zu erkennen. Außerdem hat der Blob gleich 720 Geschlechter – viele sind Zwischenformen von männlich oder weiblich.

    Wandern und essen ohne Organe

    Forscher auf der ganzen Welt versuchen ihn zu verstehen. Lange den Pilzen zugeordnet, gehört er in Wahrheit zur Klasse der echten Schleimpilze. Er lebt bevorzugt in dunklen, feuchten Lebensräumen und besiedelt unter anderem verrottendes Holz und die Fruchtkörper fleischiger Pilze. Er besitzt jedoch eine Fähigkeit, die den Pilzforschern fremd ist: Er wandert - ohne Füße oder Flügel. Er bewegt sich mittels eines Venennetzes mit einer Geschwindigkeit von 1 Zentimeter pro Stunde.

    Bei Hunger ist er sogar 4 mal so schnell. Der Einzeller verspeist Bakterien, Hefen und Pilze. Bei Menschen und Tieren wird der Nährstoffbedarf über das Gehirn gesteuert, das permanent mit dem Magen in Verbindung steht. Der Blob besitzt aber weder das eine oder andere Organ. Dennoch schafft er es, sich optimal mit den Nährstoffen zu versorgen, die er braucht, um zu wachsen. In schlechten Zeiten ohne Nahrung trocknet er aus und schaltet in den Ruhemodus. Bis zu 2 Jahre kann er so verharren. Um ihn wieder zum Leben zu erwecken, braucht es nur ein paar Tropfen Wasser.

    Intelligenz ohne Gehirn

    Ebenso eröffnet der Einzeller ein komplett neues Forschungsgebiet, in dem Intelligenz nicht zwangsläufig Gehirn bedeutet. In Experimenten setzten japanische Forscher den Blob in ein Labyrinth und schauten, ob er den Weg zur seinem Lieblingssnack, der Haferflocke, fand. Der Schleimpilz war erfolgreich. Der Blob markiert bereits erkundetes Terrain über eine Schleimspur. So orientiert er sich und vermeidet Umwege und geht keinen Weg zweimal. 

    Die französische Top-Blob-Forscherin Audrey Dussutour fand heraus: Blobs aus unterschiedlichen Regionen verhalten sich auch unterschiedlich: Amerikanische Blobs stehen auf süße Frühstücksflocken und verschmähen Bio-Kost. Japanische Blobs sollen besonders schnell sein. Australische Blobs sind sehr sozial und lassen sogar Nahrung links liegen, wenn sie einen Artgenossen aufspüren. Trifft ein Blob auf einen zweiten, verschmelzen sie miteinander. 

    Wie der Blob der Menschheit helfen könnte

    Aufgrund bisheriger Erkenntnisse könnte der Blob auf verschiedenen Gebieten Fortschritte bringen:

    Krebsforschung: Mediziner gewinnen durch den Blob Erkenntnisse über das Wachstum von Tumoren. Krebszellen wachsen auf eine ähnliche Weise wie der gelbe Einzeller.

    Umweltschutz: Der Blob könnte dabei helfen, die Umwelt zu entgiften. Bei seinen Wanderungen nimmt er chemische Substanzen auf.

    Intelligente Roboter: Forscher der Uni Southampton setzten den lichtscheuen Schleimpilz auf Roboter und steuerten die Maschinen über den Organismus in dunkle Ecken. Der Einzeller nimmt Informationen aus der Umwelt auf - das soll auch ein smarter Roboter lernen.

    Neue Medikamente: Der Blob hat keinen Magen zum Verdauen. Er scheidet Bakterien und Pilze über ein Enzym aus. Dabei produziert er Antibiotika.

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