Politik
So viel ist im Nationalrat schon lange nicht passiert
"Heiterkeit" bei der neuen Regierung, ein fixer Neuwahltermin und allerhand Überraschungen im Nationalrat am Mittwoch.
"Österreich entdeckt den Parlamentarismus. Und siehe da, lauter sinnvolle Sachen werden beschlossen (Saudi Zentrum, Glyphosat-Verbot, Plastiksackerlverbot vielleicht Rauchverbot)", formuliert es ein User auf Twitter.
Und tatsächlich, am Mittwoch ist im Parlament allerhand passiert. Aber der Reihe nach:
Regierung stellt sich vor
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und ihr Kabinett stellten sich zum ersten Mal im Nationalrat vor. Hier als Bundeskanzlerin zu sprechen, "das stand nicht in meiner Lebensplanung", sagte sie. "Ich wurde davon überrascht."
Das Motto der Regierung sei "Verlässlichkeit". Man sei den Bürgern verpflichtet und werde die Entscheidungen des Parlaments gesetzeskonform umsetzen. Bierlein betonte auch einen Unterschied zu anderen Regierungen: "Diese Regierung wurde - im Gegensatz zu Ihnen, sehr geehrte Abgeordnete - weder direkt noch indirekt gewählt. (...) Wir haben kein Programm abzuarbeiten, wir haben keine Wahlversprechen einzulösen. Wir haben keine tagespolitischen Gegebenheiten zu kommentieren."
Uns eint die Menschlichkeit
Zum Schluss richtete Bierlein noch einen Appell für mehr Menschlichkeit an das Plenum. "Wir alle haben unterschiedliche politische Einstellungen, Religionen, Geschlechter, sexuelle Orientierungen", sagt Bierlein zum Schluss. "Ja wir sind verschieden."
"Für mich als Frau, als langjährige Juristin und Richterin, gilt es bei all dieser Unterschiedlichkeit ein verbindliches Element zu beachten, nämlich die Menschlichkeit. Das Miteinander war und ist gute österreichische Tradition. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, Feindbilder gar nicht erst entstehen zu lassen, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen und Vorbild vor allem für die Jugend zu sein. Für unser Land, für seine Menschen, für unsere gemeinsame Zukunft."
Neben Bierlein hielten noch einige Minister ihre ersten Reden im Parlament. Sie pflichteten der grundsätzlichen Einstellung dieser Regierung bei.
Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner fügte hinzu, dass er das Amt - trotz all der Verantwortung - "mit Heiterkeit" übernommen hätte. Innenminister Wolfgang Peschorn sprach - in Abwesenheit seines Vorgängers Herbert Kickl - davon, dass er alle Entscheidungen auf "fachlich fundierter Grundlage, sachlich und für jedermann nachvollziehbar" treffen werde. "Das ist verfassungsrechtlich geboten, das können sich die Bürger zu recht gerade von einem Innenminister erwarten."
Außenminister Alexander Schallenberg sprach davon, dass die Welt nicht still stehen werde, bis Österreich im September gewählt hat. Deswegen sei in Sachen Außen- und besonders in Sachen EU-Politik weiterhin Kontinuität und Präsenz wichtig.
Nach dem "heiteren" Justizminister bewies auch Finanzminister Eduard Müller Humor. Er sah sich unter anderem in der unangenehmen Rolle des "Budgetwächters". Als solcher werde er sich bemühen, die "Enttäuschungen gleichmäßig zu verteilen". Er wurde aber auch ernst und appellierte an die Abgeordneten: "Die Wahlgeschenke von heute, das sind die Steuererhöhungen von morgen."
Vorgezogene Neuwahlen fixiert
Nach der Regierungserklärung war der Tag aber noch lange nicht vorbei. Nach einer kurzen Debatte - die auch für wahlkampfmäßige Sticheleien genutzt wurde - beschloss das Parlament mehrheitlich formal die vorgezogenen Neuwahlen.
Dazu wurde die aktuelle Gesetzgebungsperiode des Nationalrates beendet, nach all den einzuhaltenden Fristen ist der 29. September der frühestmögliche Wahltermin und damit de facto fix.
Weitere Beschlüsse
Die weiteren Beschlüsse können sich ebenfalls sehen lassen. Überraschend war, dass sich die Mehrheit der Abgeordneten für eine Schließung des umstrittenen Abdullah-Zentrums aussprachen. Dann gab es noch einenmehrheitlichen Appell an Verteidigungsminister Thomas Starlinger, die Militärschule in Wiener Neustadt doch aufzusperren.
Zudem will man das allgemeine Rauchverbot in der Gastronomie schon im Juli beschließen, womit es bereits ab 1. November in Kraft treten könnte. Und hinter den Kulissen brachten SPÖ und FPÖ noch ein bundesweites Glyphosat-Verbot auf Schiene.
Am Nachmittag sprach das Parlament noch über den letzten Bericht der scheidenden Volksanwälte. Bald wird das neue - vom Parlament nominierte - Personal ihre Aufgabe übernehmen.
Lesen Sie im Live-Ticker nach, wer fast "gespieben" hätte - und welche Abgeordnete die Kanzlerin als "Ehrenfrau" bezeichnete:
(csc)