Tiere

Bei Wölfen zählt das Ansehen, nicht die Gewalt

Heute Redaktion
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Wie sich Menschen verhalten und wie sie leben, hängt stark von den anderen ab. Genau so ist es bei den Wölfen. Kurt Kotrschal über Prestige beim Wolf und Dominanz beim Menschen.

(Wöchentliche Kolumne von Kurt Kotrschal– Wolfsexperte, Verhaltensforscher und Biologe.)

Wie sich Menschen verhalten, wie sie leben, was sie tun, hängt stark von den anderen ab. Genau so ist es bei den Wölfen.

Unterschied Prestige- und Dominanz-Hierarchie

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Vor zwei Wochen schilderte ich, warum es in frei lebenden Wolfsrudeln eigentlich keine „Leitwölfe" oder „Alphas" gibt und warum Menschen sich das ausgedacht haben (und viele Leute das leider heute noch glauben wollen). Die Idee vom „Leitwolf" ist eigentlich eine Vermenschlichung. Denn in menschlichen Gemeinschaften gibt es seit mindestens 10 000 Jahren ein ständiges Ringen um die Macht.

In „Dominanzhierarchien" zwingen „starke Männer" mit harter Hand die Rangniederen in ihr Regime. Im Gegensatz dazu zählt in Gesellschaften mit Gleichberechtigung das Ansehen; in solchen „Prestigehierarchien" scharen sich die Menschen gerne um jene mit Erfahrung und Führungsqualitäten. Dies beschreibt

Nicholas Christakis wunderbar in seinem 2019 bei S. Fischer erschienenem Buch „Blueprint: Wie unsere Gene das gesellschaftliche Zusammenleben bestimmen". Sehr empfehlenswert!

Arbeitsteilung bei Wölfen und wovon sie abhängt

In ihren Familienrudeln leben also Wölfe nicht in Dominanz- sondern in Prestigehierarchien. Das bedeutet, dass die jüngeren Wölfe dem Vorbild ihrer Eltern folgen und sich entsprechend einordnen. So kommt es zu einer Arbeitsteilung, die je nach Situation eines Rudels mehr oder weniger wichtig ist.

Es macht etwa einen großen Unterschied, ob ein Rudel in einer Gegend mit viel Wild, aber ohne Wolfsnachbarn lebt, oder aber ob man mit solchen Nachbarn um Beute und Territorium konkurriert. Ist die Lage entspannt, beobachtet man in den meist kleinen Rudeln keine starke Koordination, bzw. Arbeitsteilung.

Man „tut, was man will", geht alleine oder mit einem Freund auf Hasenjagd, oder erforscht das Territorium, in dessen Zentrum man sich immer wieder trifft – oft nach tagelanger Trennung.

Gibt es eine bestimmte Marschordnung?

Wenn man gemeinsam in ein Tal oder zwei weiterzieht, dann mit viel Spiel und Geblödel und ohne besondere Marschordnung. Was ist also von Bildern und Meinungen im Netz zu halten, wonach die im „Gänsemarsch", also in einer Reihe reisenden Wölfe immer eine strikte Marschordnung hätten?

Mit kräftigen Tieren als Vor- und Nachhut und wichtigen, wie auch verletzten Tiere gut abgeschirmt in der Mitte? Das kann, muss aber nicht so sein. Dazu gibt es viel zu wenige gesicherte Daten; aus Zufallsbeobachtungen im Freiland kann man nicht allzu viel schließen.

Gefahr schweißt zusammen

Wenn aber starke Konkurrenz mit Nachbarrudeln herrscht, ist Schluss mit lustig. Dann verhalten sich die Wölfe im Rudel diszipliniert und arbeitsteilig. Jungwölfe wandern später ab und die Rudel werden größer; im US-Yellowstone-Park wurde sogar beobachtet, dass bei starkem „Feinddruck" mehr als nur ein Weibchen Junge im Rudel aufzieht.

Gejagt wird dann strikt gemeinsam und die Erfahrung der Elterntiere wird überlebenswichtig. Ist man zur falschen Zeit am falschen Ort, wird man getötet. Daher halten bedrohte Rudel zusammen, jagen gemeinsam, fressen die erlegte Beute möglichst rasch gemeinsam auf und ruhen dann zusammen an einem sicheren Ort, weit weg von der Grenze zu den Nachbarn.

Beim Jagen und Kämpfen sind Rüden und Wölfinnen „gleichberechtigt".

Wenn man aber die Nachbarn überfällt, verhalten sich die älteren Tiere besonders aggressiv. Kalkuliertes Risiko eben, denn sie sind für die Vermehrung nicht mehr so wichtig wie die Jüngeren. Wie sich Menschen verhalten, wie sie leben, was sie tun, hängt stark von den anderen ab. Genau so ist es bei den Wölfen.

+++ Der Wolfsblog von Kurt Kotrschal. Jede Woche neu, nur hier bei "HeuteTierisch" +++